Beim Häuten der Zwiebel

Jetzt nur mal angenommen, es gäbe ein World Wide Web, in dem niemand unsere Profile ausspioniert und an Dritte weiter verkauft, in dem wir nicht durch Spams zugemüllt werden und über das wir Informationen total sicher, weil automatisch verschlüsselt austauschen können. Gibt’s nicht? Gibt’s doch! Es hat nur einen schrecklich blöden Namen: Darknet.
Wer diesen Namen hört, wähnt doch gleich den Gottseibeiuns mit seinen dunklen Machenschaften dahinter. Und tatsächlich ist das Darknet auch der Hort böser und illegaler Aktivitäten, wie wir seit den Anschlägen von München und Ansbach wissen. Aber, so sagen die, die sich mit der dunklen Seite der Machenschaften auskennen, illegaler Waffenhandel, Drogendeals, Geldwäsche und Pornographie machen zusammen genommen kein Fünftel der Netzaktivitäten im Darknet aus. Und das, obwohl mehr als 50 Prozent der dort eingetragenen Webseiten einen illegalen Hintergrund vermuten lassen.
Aber tatsächlich ist mehr als die Hälfte der Kommunikation im Schattennetz privater Natur, bei der die Nutzer lediglich besonderen Wert auf Anonymität legen. Dafür gibt es viele gute Gründe: nicht nur Dissidenten, Whistleblower oder Polit-Aktivisten nehmen hier Kontakt auf. Mehr und mehr werden Anfragen zu medizinischen Themen über das Darknet gestellt. Kein Wunder: der Markt mit Gesundheitsdaten boomt seit langem. Im „Lightnet“, also dem World Wide Web, kann man hingegen keineswegs sicher sein, dass die Informationen, die Hilfesuchende in Medizinportalen preisgeben, nicht doch irgendwo auf der Datenbörse landen.
Erreicht wird diese Anonymität dadurch, dass – wie bei einer Zwiebel – der Nachrichtenfluss automatisch verschlüsselt und über mehrere Server und Länder geleitet wird, bis der Benutzer nicht mehr rückverfolgbar ist. Die Zwiebel-Analogie stand auch Pate für die Zugangssoftware TOR, oder: The Onion Router, die genau das leistet – nämlich Nachrichten verschlüsseln und von Zwiebelschicht ist zu Zwiebelschicht weiterleiten.
Damit wird genau jene Sicherheit erreicht, die wir uns für das Internet im Allgemeinen und für das Internet der Dinge im Besonderen wünschen sollten.
Warum sollte also im eCommerce diese Anonymität, diese Transaktionssicherheit, dieser Komfort nicht obligatorisch sein. Warum sollten Maschinen ihre Daten nicht so sicher austauschen, wie es für Machenschaften offensichtlich Standard ist. Um nicht missverstanden zu werden: nicht den Illegalen wird hier das Wort geredet, sondern den Mechanismen, die sie nutzen. Die Häute der Zwiebel bieten die Transaktionssicherheit, die gerade für den legalen Verkehr in Wirtschaft und Gesellschaft geboten wäre. Das Darknet ist einfach zu gut, als dass wir es den Kriminellen überlassen sollten.

PS: vielen Dank an den seligen Günter Grass für die Anregung zu diesem Blog-Titel.

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