Die Hana-Dynastie

Schöner kann man seine Zurückhaltung nicht in lobende Worte kleiden: „Für den Großteil der Unternehmen dürfte das Produkt noch Zukunft bleiben“, meint Marco Lenck, CIO der Döhler Gruppe, in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der Deutschen SAP Anwendergemeinde (DSAG). Das „Produkt“ ist die letzte Woche vorgestellte neue Business Suite der SAP unter dem Namen S/4 Hana. Für den Vorstandsvorsitzenden Bill McDermott ist es nichts weniger als die wichtigste Ankündigung seit 23 Jahren (als Hasso Plattner R/3 vorstellte) und zugleich „das Konzept des Enterprise Resource Planning für das 21. Jahrhundert“, das nunmehr durch SAP neu definiert werde.

So richtig Definitorisches kam allerdings noch nicht heraus bei der Ankündigung der neuen Business Suite, dessen „S/4“ als Simple Solution der vierten ERP-Generation gedeutet werden soll. Oder auch als eine konsequente Weiterentwicklung von „R/3“, wobei jeweils alphabetisch als auch numerisch weitergezählt worden ist. Klar sind freilich die architektonischen Grundlagen der neuen Business Suite: Sie nutzt die neue prozess- und ereignisorientierte Benutzeroberfläche „Fiori“ und basiert auf der speicherresidenten Datenbank Hana. Ausschließlich Hana – zumindest vorerst. Eine „echte Wahlfreiheit“ auf Datenbankebene wird jedoch schon jetzt aus den Reihen der DSAG gefordert. Und eine schrittweise Migration von der bestehenden ERP-Suite in die neue Welt ebenfalls…

So sei das nun mal, wenn man seine Innovationen in ein neues Produkte bündelt, reflektierte SAP-Aufsichtsrat und Hana-Inventor Hasso Plattner gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum „Inventor´s Dilemma“. Damit habe man zu kämpfen: „Wenn man mit einer Sache Erfolg hat, gibt es starke Strömungen in einer Firma, noch eine Runde und noch eine Runde auszunutzen, obwohl alle wissen, dass der Tag kommt, an dem man es ersetzen muss.“

Und der Tag ist gekommen. Ab jetzt regiert die Hana-Dynastie, die Anwendern nicht nur handfeste Performance-Vorteile und Erkenntnisgewinne bei der Auswertung großer Datenmengen gewährt. Sie hält auch zugleich den Wettbewerb auf Distanz: Oracle-Datenbanken – lange Zeit die Datenbasis der ersten Wahl – sind nun nicht mehr gern gesehen. IBMs DB2 kostet in der bestehenden Business Suite seit Herbst letzten Jahres schon einen Aufpreis. Hana hingegen bedient heute mit rund 5800 Kunden einen erklecklichen Teil des Neugeschäfts (1700 Kunden im letzten Quartal).

Dabei dürfte die entscheidende Innovation in der konsequent auf Prozesssicht ausgelegten neuen Suite bestehen, die durch die schnelle Datenbank befeuert, aber durch „Fiori“ überhaupt erst für mobile und immobile Mitarbeiter sichtbar gemacht wird. Ob freilich „S/4 Hana“ zunächst und wenn ja für wie lange funktional gegenüber dem bestehenden Lösungsangebot zurückstehen wird, ist vorerst noch nicht raus. DSAG-Anwendersprecher jedenfalls fürchten bereits jetzt um den rechten Migrationsweg, der vor allem die immensen Investitionen in individuelle Anpassungen berücksichtigen soll. Des einen „Inventor´s Dilemma“ ist zugleich auch des anderen „User´s Dilemma.“ Die Kunst liegt in der Abstimmung beider Interessen.

Und dann gibt es auch noch die Interessen des Mittelstands zu bedienen, für dessen Eroberung SAP schon ein knappes halbes Dutzend Anläufe genommen hat. Wie viel Business by Design in „S/4 Hana“ drin ist oder ob der Mittelstand zu jenen Unternehmen gehört, für die nach Marco Lenck das neue Produkt „Zukunft bleiben“ – also nie Gegenwart werden – wird, bleibt zu fragen. „S/4“ also doch wieder eine neue S-Klasse ohne Mittelstandeignung?

Dabei ist das nicht einmal der einzige und vielleicht auch nicht größte Schwenk, der für SAP und ihre Kunden ansteht. Zwar wird die neue Business Suite sowohl in klassischer Lizenzabgabe „On-Premise“ als auch in privater oder zentraler Cloud offeriert. Auf lange Sicht aber will SAP das Anwendungsportfolio aus der Wolke heraus pflegen und steuern. Immerhin 44 Millionen Anwender betreue man bereits aus der Cloud heraus, berichtete Bill McDermott stolz. Das sind SAP sogar Einbrüche in der Bilanz wert. Im zurückliegenden Jahr hatte SAP aus 17,6 Milliarden Euro Umsatz (plus 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr) einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 4,356 Milliarden Euro (minus 1) generiert. Die angepeilte Umsatzrendite von 35 soll jetzt erst 2017/2018 erreicht werden.

Und dabei soll das Cloud-Geschäft den Schub liefern. Der ist freilich nicht kurzfristig zu haben, denn zunächst geht der Umsatz beim Wechsel vom Lizenzgeschäft zum Mietgeschäft in den Keller. Das weiß auch Hasso Plattner: „Ein Verkauf von Lizenzen gibt den Umsätzen und oft auch dem Aktienkurs einen unmittelbaren Schub, aber strategisch ist das Vermieten besser für uns.“

Und das soll nun unter der Regierungszeit der Hana-Dynastie stetig vorangehen. Zwar werde man 2015 nicht so stürmisch wachsen wie zuletzt, als sich im Cloud-Geschäft auch die Einnahmen der Zukäufe – unter anderem SuccessFactors und Ariba – auswirkten. Aber eine Milliarde Euro Umsatz durch die Cloud sei nach Einschätzung der SAP durchaus drin. Die Hana-Dynastie wird uns wohl eine ganze Weile erhalten bleiben – fragt sich nur: wie exklusiv.

IBM – It´s Business, Man!

Wer vor zwei Jahrzehnten rund 2000 Dollar in Apple-Aktien investierte, kann sich heute über ein kleines Vermögen von rund 650.000 Dollar freuen. Und das, obwohl die Apple-Aktie mehrere scharfe Abgänge erlebte und die Aktionäre vier Aktiensplits erdulden mussten. Ein großes Vermögen hat dagegen Apple selbst eingeheimst: 18 Milliarden Dollar Gewinn im gerade zurückliegenden Quartal! Das ist nicht nur mehr als jemals ein Weltkonzern in nur drei Monaten für sich verbuchen konnte. Es ist auch mehr als IBM im gesamten Geschäftsjahr an Gewinn ausweisen wird.

Und das alles mit diesen kleinen Dingern – iPhone, iPad und iPod -, von denen vor fünf Jahren noch kaum jemand so richtig wusste, wofür man die überhaupt einsetzen sollte. Mit der anderen Seite des IT-Geschäfts – den Mainframes, der Cloud und der dazwischen liegenden Software-Architektur – macht man nicht mehr den großen Schnitt. Auch das zeigen die Geschäftszahlen der IBM.

Oder sind gar nicht die Produkte, sondern die Mitarbeiter das Problem?

IBM ist seit mehreren Quartalen dabei, die eigene Mitarbeiterstruktur neu zu gestalten. Doch jetzt hat das Analysten-Phantom Robert Cringely eine Zahl in die Debatte geworfen, die man – vorerst – besser noch als Gerücht weiter verbreiten sollte: 110.000 Mitarbeiter oder 26 Prozent der Gesamtbeschäftigten sollen gehen.

IBM dementiert – oder auch nicht. „IBM kommentiert keine Gerüchte…“, heißt es lakonisch aus Armonk. „…selbst wenn sie lächerlich und ohne Grundlage sind.“ Dann geht es weiter: „Wer unsere Informationen aus den veröffentlichten Bilanzen gecheckt hätte oder uns einfach nur gefragt hätte, wüsste bereits, dass das Unternehmen 600 Millionen Dollar Kosten … eingeplant hat.“ Wofür? Fürs „Workforce Rebalancing“ – das Wort muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen, ehe man sich den Kopf beim Übersetzen zerbricht. Wir versuchen es mal mit „Neuausrichtung der Belegschaft.“

Nun sind ja Kündigungen ein kreativer Hort für Euphemismen und der Interpretationsspielraum ist groß. Schauen wir deshalb einfach auf die Zahlen: Nach Einschätzung von Wallstreet-Analysten hat IBM in den vergangenen Jahren jeweils rund 8000 Mitarbeiter weniger beschäftigt als im Jahr davor. Das waren nicht zwangsläufig Entlassungen. Es reicht, ausgeschiedene Mitarbeiter nicht zu ersetzen und vorzeitige Ruhestände durch einen goldenen Handschlag zu ermuntern. Dafür wurden in den letzten sieben Jahren jährliche Restrukturierungskosten zwischen 450 Millionen Dollar und 1,5 Milliarden Dollar in die Bücher gestellt.

Zwar hat IBMs Finanzvorstand Martin Schroeter bei der letzten Bilanzpressekonferenz dargestellt, dass man sich von „einem geringeren Umfang“ an Mitarbeiter trennen werde – und warum sollte man ihm nicht glauben. Aber die Gerüchte halten sich nun schon eine ganze Weile, dass Big Blue vor der größten Entlassungswelle ihrer Geschichte steht. Und offensichtlich melden sich im Internet mehr und mehr Mitarbeiter zu Wort, die in den letzten Tagen den Laufpass erhalten haben – zum Teil nach schlechter Arbeitsbewertung, zum Teil auch ohne.

Oder sind vielleicht doch nicht die Mitarbeiter, sondern vielmehr doch die Produkte das Problem?

IBM betont seit Jahren, dass weder Google, noch Amazon noch andere die größten Cloud-Provider im Web sind, und reklamiert diesen Titel für sich. Das mag schon sein – aber das Geschäft ist unter Druck und wirft offensichtlich nicht den Gewinn ab, den das Unternehmen zum Erreichen der eigenen Performance-Zahlen benötigt. Vor knapp zehn Jahren schrieb ich dem damaligen CEO nach Armonk angesichts der – aus damaliger wie heutiger Sicht – etwas vollmundigen SAP-Ankündigung, innerhalb kürzester Zeit 100.000 Kunden in der Cloud zu haben: „100.000 Unternehmen, die sich von IBM abwenden und sich einer Cloud zuwenden, in der es egal ist, welcher Hersteller die Rechnerleistung erbringt, können IBM nicht egal sein.“ Damals war es aber offensichtlich egal. Sollte sich IBM jetzt in der kolportierten Zahl von Mitarbeitern trennen – hat das Unternehmen sicher auf lange Sicht geringere Kosten. Aber hat es dann auch die adäquaten Produkte. It´s Business, Man, IBM.

 

Internet der Dollars

Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist vor allem ein Weltwirtschaftsforum. Das klingt banal bis trivial, muss aber mal geschrieben werden nach einer Woche, in der zwar viel über die Auswirkungen der Draghi´schen Maßnahmen gesprochen wurde, Staatsanleihen im ganz großen Stil aufzukaufen. Das ist immerhin ein Wirtschaftsthema oder zumindest Wirtschaftspolitik. Ansonsten aber dominierten Krisenherde (zum Beispiel Ukraine) und Krisenherren (zum Beispiel Islamisten) und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung die Agenda in Davos. Zum ersten Mal aber war das Internet als weltweite Plattform des wirtschaftlichen Geschehens dominant vertreten. Davos hat gezeigt: das World Wide Web ist sowohl die Voraussetzung für World Wide Wealth wie für World Wide Weakness.

Zwar meinte Anshu Jain, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, das Geschäft zwischen Banken und ihren Großkunden werde durch die digitale Revolution kaum beeinflusst. Zwar meinte Googles Chairman Eric Schmidt, das Internet werde in absehbarer Zeit verschwinden. Aber beide meinten damit keineswegs, dass das Web für die Wirtschaft an Bedeutung verliert. Im Gegenteil: Sie identifizierten darin jenes disruptive Element, das das wirtschaftliche Gefüge auseinandernehmen und völlig neu zusammensetzen kann.

Jains Vision vom allgegenwärtigen Internet zielt auf das Massenpublikum, das Massengeschäft, das völlig neue Formen der Kommunikation zwischen Anbieter und Millionen interaktiven Individuen verlange. Und Schmidts Internet ist nämlich nicht verschwunden, sondern so allgegenwärtig, dass es als externe Infrastruktur kaum noch wahrgenommen wird, also so transparent wird, dass es unsichtbar ist. Das Web wird durch seine zahllosen am Körper getragenen und in den Gegenständen unserer Umgebung eingebauten Endgeräte so sehr ein Teil von uns selbst, meint Schmidt, dass wir es nicht mehr bemerken.

Wenn – wie in der Vorstellungswelt von Paul Jacobs, dem Verwaltungsratsvorsitzenden des Mobilfunkanbieters Qualcomm – in der Zukunft Technologien wirksam werden, mit denen unser Blut auf Schritt und Tritt auf das Auftauchen von ersten Krankheitserscheinungen hin untersucht wird, dann werde das mobile Internet zum „digitalen siebten Sinn“. Jacobs hofft auf das „hyper-personalisierte Internet“, in dem Nutzer global-galaktische Persönlichkeitsprofile mit Einstellungen zu Sicherheitsstufen, Privatsphäre, Vorlieben etc. an eine zentrale Instanz übermitteln, die dann von allen Webservices und Endgeräten akzeptiert werden. Ein Global-Cookie für den internationalen Datenverkehr.

Dabei ist es faszinierend, dass nicht alle Anbieter und Anwender am gleichen Internet-Kabel ziehen. Die Auswirkungen der Webwirtschaft seien nicht in allen Bereichen der Weltwirtschaft gleich groß, hieß es in der Diskussion. Als aber Kanzlerin Angela Merkel („und ich sage das als deutsche Bundeskanzlerin mit einer starken deutschen Wirtschaft“) das Podium betrat, war „die Verschmelzung der Welt des Internets mit der Welt der industriellen Produktion“ absolute Chefsache. Man müsse, mahnte Merkel, den Weg zu Industrie 4.0 „schnell bewältigen, weil sonst diejenigen, die führend im digitalen Bereich sind, uns die industrielle Produktion wegnehmen werden.“

Drastischer kann man bei aller politischen Korrektheit die Konkurrenz, die aus dem Kabel kommt, kaum anprangern. Oder weniger politisch korrekt: Das Internet der Dinge, ist in Wahrheit das Internet der Dollars. Es erobert und erodiert alle bestehenden Strukturen überall, wo es hinkommt.

Und wenn es dazu noch eines Beweises bedürfte, dann hat ihn IBM soeben geliefert. Big Blue wird sich dem Vernehmen nach von bis zu 110.000 Mitarbeitern trennen, für die in einer Welt des Internet-basierten Cloud Computings aus Sicht des Managements in Armonk keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr existiert. Die alte „Boxenschieber-Mentalität“, die IBM einst zur Weltmacht aufsteigen ließ, ist jetzt das Opfer des disruptiv wirkenden Internets der Dollars. Denn umgekehrt – so hat jetzt die Boston Consulting Group im Auftrag von Qualcomm ausgerechnet – hat allein die Mobilfunkbranche elf Millionen Arbeitsplätze geschaffen – das Hundertfache der jetzt vom Aderlass bei IBM Betroffenen.

Scheitern als Naturgesetz

In dieser Woche wird IBM ihre Ergebnisse für das vierte Quartal berichten – und alles deutet darauf hin, dass erneut ein Umsatzrückgang dabei herumkommt. Zwar werden es nicht die enttäuschenden Rückgänge sein, die IBMs Chefin Ginny Rometty noch vor drei Monaten beklagen musste. Aber rückläufig ist rückläufig und markiert einen inzwischen mehr als drei Jahre anhaltenden Trend. Freilich: Umsatz ist nicht alles: 2011 holte Big Blue aus 107 Milliarden Dollar Umsatz 15,8 Milliarden Dollar Gewinn. 2013 war das Verhältnis sogar weiter verbessert: aus „nur noch“ 99,8 Milliarden Dollar Umsatz wurden 16,4 Milliarden Dollar Gewinn.

Für 2014 freilich dürften beide Werte sinken. Das liegt zum einen an den weiteren Verkäufen von Firmenbestandteilen, zum anderen aber daran, dass aus dem Hause IBM derzeit außer Watson nichts Bahnbrechendes zu erwarten ist. Cloud ist eher Me-too; und das weiter wachsende Business mit Global Services krankte zuletzt an der geringen Investitionsneigung selbst der treuesten IBM-Kunden.

Ist IBM ein Einzelschicksal? Weit gefehlt. IBM ist in bester schlechter Gesellschaft. Es sind die in die Jahre gekommenen Unternehmen, deren Organisationen an ihren eigenen Erfolgsprodukten leiden. Sie sind im Wachstum fett und träge geworden und verhindern mit dem eigenen Overhead, sich an neue Paradigmen anzulehnen. Ihr ganzes Streben zielt nicht darauf ab, zu etwas Neuem aufzubrechen, sondern die im Markt aufkommenden Neuerungen zu bekämpfen.

Die Leistung, im Markt mit disruptiven Innovationen aufzuräumen, ja die Märkte völlig neu zu definieren, begründet in der Regel die Kraft und die Dynamik für einen stürmischen Aufschwung in globalem Ausmaß. Doch irgendwann geht diese Fähigkeit verloren. Die Kraft des Unternehmens geht vor allem in den Erhalt des Status quo, in die Absicherung, wenn nicht gar Abschottung der eigenen Märkte. Auch Reorganisationen dienen überwiegend diesem Zweck. Am Ende kommt doch die gleiche Company heraus.

Zu drastisch? IBM hat selbst dann Innovationen bekämpft, wenn sie aus dem eigenen Haus kamen. Zu mächtig war und ist die Mainframe-Fraktion, die zunächst das Midrange-Geschäft, dann das PC-Geschäft bekämpfte. Und heute, auf der CES in Las Vegas, erleben wir ein Déjà-vu, indem IBM seine Mainframes als Backbone des Cloud-Geschäfts positioniert.

Läuft es nicht ganz ähnlich bei Siemens, das 2006 aus 87 Milliarden Euro Umsatz rund drei Milliarden Euro Gewinn generierte, während es im Jahr 2014 aus knapp 72 Milliarden Euro Umsatz satte 5,5 Milliarden Euro Gewinn wurden? Dort hat Vorstandschef Joe Kaeser jetzt gegenüber der Wirtschaftswoche zugegeben, dass es seit einem halben Jahrzehnt nicht gelungen sei, von „einer stark ordnungspolitisch getriebenen Unternehmung umzuschalten auf eine Wachstum und Werte schaffende Organisation“. Das müsse man jetzt nachholen. Es ist aber auch die Diagnose, die schon Kaesers Vorgänger im Amt gestellt und vergeblich zu therapieren versucht hat.

Oder nehmen wir Microsoft, das am 4. April 40 Jahre alt sein wird. Die Geldflüsse aus den Produktreihen Windows, Office und Windows Server haben ein Geschäftsmodell zementiert, das lange das Internet ignoriert hat und heute im Cloud-Business in Gefahr geraten ist. Ganz ähnlich wie IBM versucht auch Ballmer-Nachfolger Satya Nadella nun, das alte Microsoft-Paradigma der Client/Server-Infrastruktur auf die Cloud zu münzen. Aber von der Lizenz zur Miete, von der Software zum Service, von der integrierten Lösung zur offenen Plattform ist es ein weiter Weg. Vielleicht ist er zu weit?

Siemens (1847) und IBM (1896) haben ihre Wurzeln im vorvergangenen Jahrhundert und mussten schon mehrfach beweisen, ob sie in der Lage waren, das Ende großangelegter Innovationszyklen überleben zu können. Für Microsoft, dem Unternehmen aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, stellt sich jetzt ebenso die Frage, ob diese Ermüdungserscheinungen am Rande großer Innovationszyklen überwunden werden können. Wir werden sehen, ob Microsofts Dauerrivale Apple seine Ermüdungsphase ebenfalls überwindet oder sich lediglich damit begnügt, das nächste iPhone, das nächste iPad – und sei es in Gestalt einer Uhr – anzukündigen.

Und selbst das mit gerade 16 Jahren vergleichsweise jugendliche Unternehmen Google zeigt diese Ermüdungstendenzen. Zwar generierte Google 2013 aus knapp 60 Milliarden Dollar Umsatz annähernd 13 Milliarden Dollar Gewinn, doch haben Markt und Börse zuletzt verschreckt auf den leichten Rückgang auf 75 Prozent des Online-Werbemarktes reagiert. Google sucht händeringend nach dem nächsten ganz großen Ding. Trotz aller Schlagzeilen mit Innovationen wie autonome Fahrzeuge, Heißluftballone als Internetzugang, Google Glass und den zahllosen Technologie-Akquisitionen wie NestLab für das Smart Home ist der nächste ganz große Umsatzbringer nicht in Sicht.

„To big to fail“, heißt es mit einer zweifelhaften Zuversicht über die Giganten des Weltmarkts. Aber man muss auch fragen: „To old to change?“ Ist das Scheitern an sich selbst vielleicht ein Naturgesetz?