IBM: Irgendwann bessere Margen?

Und sie bewegt sich doch! Ginny Rometty, IBMs Vorstandsvorsitzende hat Big Blue jetzt das größte Revirement aller Zeiten verordnet. Wichtigste Neuerung: Die Gräben, die um die bisherigen Unternehmenssparten gezogen wurden, werden zugeschüttet. Dafür werden die neuen Bereiche nach Lösungsansätzen aufgeteilt. Watson, IBMs wichtigster Technologie-Asset, hatte schon 2014 eine eigene Division erhalten. Jetzt sollen auch Lösungsansätze wie „Big Data and Analytics“ oder „Commerce and Security“ eigenständige Verantwortungsbereiche sein. Zweitwichtigste Neuerung: IBM-Urgestein Robert LeBlanc soll eine global aufgestellte Cloud-Organisation errichten.

Nach dem – wie auch Ginny Rometty frank und frei zugeben musste – „enttäuschenden“ dritten Quartal soll das offensichtlich der große Befreiungsschlag sein. „Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt“, möchte man ihr mit Wellington entgegenrufen.

Doch ein näherer Blick auf IBMs Finanzdaten lässt vermuten, dass Big Blue noch einen langen Atem hat. Auch wenn die Börse davon kaum noch Notiz zu nehmen scheint.

Denn wer kauft eigentlich heute noch IBM-Aktien? Na, offensichtlich vor allem IBM. Allein in den vergangenen zwölf Monaten hat Big Blue rund 60 Millionen der eigenen Shares zurückgekauft. Über die letzten 20 Jahre gerechnet, hat die Finanzabteilung in Armonk die Zahl der im Markt stehenden Aktion sogar mehr als halbiert – auf derzeit 990 Millionen Stück.

Hätte IBM, so muss man die Produktmarketiers fragen, das Geld nicht besser in neue Produkte oder weitere Firmenübernahmen stecken sollen?

  • Offensichtlich ja – denn der Umsatz ist seit einem guten Dutzend Quartalen heftig unter Druck. Allein in den letzten aufeinander folgenden zwölf Berichtsmonaten (Trailing Twelve Months) hat IBM verglichen mit dem letzten Jahresabschluss rund 2,5 Milliarden Dollar weniger umgesetzt – auf kumuliert 97,5 Milliarden Dollar.
  • Offensichtlich nein – denn der Gewinn hat in den zurückliegenden fünf Jahren jeweils im Jahresdurchschnitt um 6,7 Prozent zugelegt. Erst in den letzten zwölf aufeinanderfolgenden Berichtsmonaten (Trailing Twelve Months) kann IBM keinen Zuwachs mehr gegenüber dem letzten Jahresabschluss ausweisen – bei allerdings immerhin 16 Milliarden Dollar!

Tatsächlich ist Umsatzwachstum noch nie die attraktivste Kennzahl gewesen. Die große alte Dame der Informationswirtschaft hat sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten stets nur knapp über der Inflationsrate behaupten können. Dafür aber war der Gewinnzuwachs mit durchschnittlich 6,3 Prozent (über zwei Jahrzehnte hinweg) nicht direkt sensationell, aber beruhigend solide.

Ganz offensichtlich beherrscht IBM noch immer die bewährte Methode, um seine margenreiche Produktpalette einen Verteidigungswall gegenüber der Konkurrenz zu errichten. Und dort, wo das nicht klappt und der Konkurrenzdruck die Margen auffrisst, hat Big Blue konsequent die Produktsparten verkauft: PCs, Server, Halbleiter.

IBM ist halt immer auch eine Bank mit angeschlossener Elektronik-Abteilung [hat man das nicht immer über Siemens gesagt – lang, lang ist´s her?]. Durch den massiven Aktienrückkauf werden die für Investoren interessanten Kennzahlen wie Gewinn pro Aktie und Dividendenausschüttung hoch gehalten. Auch hier gilt, dass IBM nicht gegen die High-Performer bestehen kann. Aber wer im IBM-Investment eine langfristige Geldanlage mit der Mitnahme einer ordentlichen Dividende in schöner Regelmäßigkeit sieht, konnte nach wie vor beruhigt sein.

Wären da nicht die alarmierenden Nachrichten darüber, dass IBMs eigene Vertriebsmannschaft nicht oder nicht ausreichend in der Lage zu sein scheint, State-of-the-Art-Produkte wie Cloud, Mobile, Security und Big Data zu verkaufen. IBM hat in die richtigen Trends investiert, aber bislang nicht den richtigen Nutzen daraus ziehen können. Das hat Ginny Rometty offenbar jetzt zum größten Revirement der IBM-Geschichte veranlasst und Robert LeBlanc in eine neue strategische Spitzenposition gehievt. Er wird nun zwei Dinge tun müssen. Erstens wird er die neuen Produktgruppen und Unternehmenssparten formieren und mit eigenen Vertriebskanälen versehen. Und dann wird er für schlechte Nachrichten sorgen: Denn wie schon HP und andere muss IBM sein Personal austauschen: neuer Skill, neuer Biss, neue Kundenorientierung.

Sollte er dazu nicht bereit sein, gefährdet er noch mehr Arbeitsplätze. Und die Aussicht auf wieder steigende Margen.

 

CES – The Road Ahead

Mal abgesehen davon, dass Bill Gates in seinem vor 20 Jahren erschienenen und durchaus erfolgreichen Buch „The Road Ahead“ die Bedeutung des Internets völlig unterschätzt hat (aber das müssen wir ihm ja heute nicht mehr vorwerfen), bekamen wir alle lange Zähne vor Neid bei der Beschreibung seiner Haustechnik, die nicht nur Beleuchtung, Heizung und Sicherheitsfeatures steuerte, sondern auch jedermann in jedem Raum individuelle Musik und Kunst präsentieren konnte. So was hätten wir auch gerne gehabt – waren aber nicht bereit, die paar Zehntausend Ocken zu berappen, um unser trautes Heim nachzurüsten…

Gut, dass wir gewartet haben. Denn dann hätten wir wie Bill Gates in eine Server-basierte Technologie investiert, die eine Komplettverkabelung aller Hauswände verlangt hätte. Diese Woche, auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas, können wir hingegen sehen, wie das Internet der Dinge auch die komfortablen und luxuriösen Eigenheiten eines Smart Homes frei Hause liefert. Das wichtigste dabei ist: Alles wirkt irgendwie ganz einfach.

Entscheidend ist, dass sich das Smartphone, das Tablet oder ein ähnliches mobiles Gerät als zentrales Steuergerät entpuppt. Gesteuert wird allerdings aus der App heraus, die jeweils mit der LED-Beleuchtung, der Kaffeemaschine, der Heizung mitgeliefert wird. In Wahrheit steuern wir die Systeme also über die Cloud – und das ist irgendwie doch Server-basiert. Nur ganz anders, als sich das Bill Gates vor 20 Jahren vorgestellt hat.

Oder ein anderes mobiles Gerät? Das können ja nur Wearables sein – also Uhren, Brillen, Armbänder, mit denen wir Apps steuern und zusätzliche Funktionen (Wow, die Uhr kann sogar die Zeit anzeigen!) nutzen. Gemeinsam ist allen mobilen Systemen, dass sie auf das Haus nicht beschränkt sein müssen. Wir können unsere heimische Umgebung auch von außen steuern – oder über eines der mobilsten Systeme überhaupt: das Automobil.

Faszinierend – und auch das zeigen die Vorankündigungen zur CES – ist dabei, dass sich die Infrastrukturen für den privaten Gebrauch und den industriellen Einsatz im Prinzip nicht mehr unterscheiden. Beide nutzen Services aus der Cloud, agieren als dezentrale Systeme und nutzen dabei einfachste Apps mit anschaulicher Workflow-orientierter Benutzeroberfläche. Was sich ein System merken kann an typischen Verhaltensweisen im Privatleben und im gewerblichen Geschehen, wird in die Cloud verlagert.

Also alles wie gehabt? 3D-Drucker, Wareables, Smart Homes etc. – das haben wir schon auf der CES 2014 gesehen. Der Unterschied besteht darin, dass sich die Systeme immer einfacher installieren lassen und praktisch intuitiv genutzt werden können. Wir werden zu IT-Dummies, die nicht mehr tiefer schauen müssen als bis auf die Oberfläche. Keine Ahnung von IT-Protokollen, Sicherheits-Levels, Kompatibilitätsproblemen.

Ist es das wirklich, was wir wollen? Wir wollen uns nicht plagen mit den neuen Helferlein aus dem Internet der Dinge. Aber wir wollen uns auch nicht in die Abhängigkeit von ihnen begeben.

Mit diesem Paradoxon im Herz kann man durch die Gänge im Convention Center in Las Vegas streifen und sich mit einem leichten Schrecken in der Brust über die vielen Gadgets freuen, die uns das Leben einfacher machen. Unsere Überwachung oder zumindest Bevormundung aber eben auch.

„Computer sind großartig, weil sie ein unmittelbares Ergebnis liefern, das einem zeigt, ob ein Programm funktioniert oder nicht“, schwärmte Bill Gates vor 20 Jahren. „Dabei handelt es sich um Feedback, wie man es kaum von anderen Dingen erfährt.“ Inzwischen können wir Feedback bekommen von allem, was uns umgibt. Insofern markiert die CES eine „CESur“: Die „Straße vor uns“ ist künftig gepflastert von schnatternden kleinen Besserwissern, die uns das Leben einfacher machen wollen – egal, ob wir wollen oder nicht.

 

201x – das Jahr des Cloud Computings

Wo waren Sie, als die IBM /360-Architektur angekündigt wurde? Oder: Was machten Sie mit Ihrem ersten PC? Oder mit Ihrem ersten Smartphone? Tablet? Welches Wort googelten Sie als erstes?

Die im Allgemeinen geschichtsvergessene Welt der Informationstechnologie kann nur wenige lokalisierbare Wendepunkte identifizieren. Am Tag zum Beispiel, nachdem Steve Jobs das iPad präsentierte, war nicht alles anders. Die Financial Times witzelte noch, das Ding sei zu groß zum Telefonieren und zu klein zum Computern. Und doch hätte dieser Moment vor fünf Jahren – der 27. Januar 2010 – das Zeug zu einem „Watershed-Moment“, von dem an die Wasser in eine andere Richtung fließen – und die Geldströme auch.

Denn vielleicht werden wir einmal diesen 27. Januar vor fünf Jahren auch als Geburtsstunde des Cloud Computings ansehen, weil damals das erste mobile Endgerät präsentiert wurde, das vollends abhängig von den Angeboten aus der Cloud ist – mehr noch als das iPhone als Urtyp der Smartphone-Familie. Und auf jeden Fall wäre dieses Datum griffiger als die Veröffentlichung jenes Diagramms, in der erstmals eine Wolke als Symbol für ein nicht näher definiertes Netzwerk verwendet wurde.

Es ist also ganz typisch für die Cloud, dass auch ihre Anfänge eher im Diffusen liegen, im Nebel der Vergangenheit abgetaucht, sozusagen. Und ebenso lässt sich an der Schwelle vom alten zum neuen Jahr kein Ereignis rückblickend oder vorausschauend ausmachen, das nun den endgültigen und von vielen kontinuierlich als unmittelbar bevorstehend geweissagten Durchbruch des Cloud Computings markieren könnte.  2014 war keineswegs das Jahr, in dem alle in die Wolke gingen. Und 2015 wird es ebenso wenig sein. Aber in den kommenden zwölf Monaten wird sich ein Prozess fortsetzen, der schon die vergangenen zwölf Monate gekennzeichnet hatte: die schleichende Veränderung der privatwirtschaftlichen und öffentlichen Infrastrukturen vom On-Premise zum On-Demand. Wir befinden uns inmitten eines informationstechnischen Klimawandels.

Deutlich macht dies die aktuelle KPMG-Umfrage zur Umsetzung des Cloud Computings in 800 globalen Unternehmen – und vor allem der Vergleich mit den Ergebnissen aus dem Jahr 2012. Damals wie heute erkannte knapp die Hälfte der Befragten in Kosteneinsparungen den wichtigsten Effekt unter der Wolke. Doch während vor zwei Jahren kaum ein anderes Argument vorgebracht wurde, werden heute qualitative Zielsetzungen wie „Einbindung von mobilen Endgeräten“, „Bessere Einbeziehung von Kunden und Lieferanten“, „Generierung von Einsichten aus Daten“ oder „Schnellere Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle“ angeführt.

Da ist es faszinierend, dass die Ergebnisse, die das Jahr 2014 in der Rückschau brachte, nicht deckungsgleich sind, mit den gesetzten Erwartungen. 70 Prozent der Befragten erfuhren tatsächlich, dass sich durch Cloud Computing die Kosten senken lassen. Aber 73 Prozent erkannten, dass sich die Effektivität der Organisation gesteigert hatte. Und 72 Prozent stellten eine deutlich verbesserte Kundenorientierung fest.

Und in der Tat: Cloud ist als Technologie kein Durchbruch, ihre Nutzungsmotive aber sind es. Das wird an der Schwelle zum neuen Jahr deutlich. Denn während sich die Analysten mit ihren Trends für 2015 geradezu gebetsmühlenartig einig sind in der Wiederholung der ganz großen Trends – Analytics (of Big Data), Mobile und Social Networking -, so sicher ist auch, dass diesen Trends ohne die Cloud keine Zukunft gewiss wäre.

Ihre erste Manifestation erleben wir schon im Januar, wenn auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas die ersten Gadgets gefeiert werden. Was immer wir dort an Neuem aus der Welt der 3D-Drucker, der Wearables, der Mess- und Steuergeräte oder der Drohnen und teilautonomen Fahrzeuge und Roboter sehen werden, wird erst durchs Cloud Computing so richtig zum Leben erweckt. Das gilt 2015 ebenso wie schon 2014 und 2013. Mit jedem „Ding“, das ans Internet of Things angeschlossen wird, wächst die Cloud. Wir merken es nur nicht.

SAP und die s-Klasse

Die Cloud wandelt sich und SAP wandelt sich mit ihr – so könnte man die Ankündigungen des größten deutschen Softwarehauses in den letzten Monaten deuten. Die Walldorfer machen nach einem internen Strategiepapier jetzt Ernst, indem sie nicht nur ihre Produkte auf Big Data, Mobile und die Cloud ausrichten, sie strukturieren auch die eigene Spartenstruktur neu: Statt wie bisher zwischen Applikation, Business Intelligence, Mobile Lösungen, Datenbanken und Cloud-Anwendungen zu unterscheiden, sollen künftig andere Schwerpunkte gesetzt werden: Anwendungen, Analyse, Hana und Benutzeroberfläche.

Damit unterscheidet SAP nicht mehr zwischen Anwendungen, die aus der Cloud angeboten werden, und solchen, die wie bisher on Premise im Einsatz sind. Und die Kunden sollen das künftig auch nicht mehr so eindeutig tun müssen, meinte jetzt Vorstandschef Bill McDermott bei der Ankündigung der neuen Produktreihe s-innovations, mit der Anwendungsfall für Anwendungsfall bestehende Großanwendungen in die Cloud verschoben werden können. Den Anfang macht ein Simple Finance, das offensichtlich aus der Finanzanwendung von Business by Design ausgekoppelt wurde. Weitere Anwendungen für den Einkauf (Procurement), das Lieferketten-Management (Supply Chain) und branchenspezifische Anwendungen sind in Planung.

Daran sollen auch Partner ihren Anteil haben – vorausgesetzt, sie sind bereit und geschult, um ihre Lösungen auf der In-Memory-Datenbank Hana abbilden zu können. Das gilt auch für jene Partner, die mehr und mehr bei Business by Design das Mittelstandsgeschäft für SAP übernehmen. Anders als in den ersten sieben „Schmerzensjahren“ der milliardenschweren Cloud-Entwicklung will SAP sich nur noch auf den gehobenen Mittelstand konzentrieren und den Konzerntöchtern betreuen. Das breite Feld der mittelständischen Unternehmen sollen wieder – wie schon seinerzeit bei den On-Premise-Lösungen der SAP – die Partner übernehmen. Dazu soll nicht nur der eigene Branchenskill genutzt werden, sondern auch die Beratungskompetenz zusätzlichen Umsatz bringen, wie Rainer Zinow, der als Senior Vice President diese Produktlinie verantwortet, im Gespräch mit CRN erläuterte. Denn, so rechnet Zinow unverblümt vor, erst nach drei Jahren verdient ein Partner an einer Cloud-Lösung so viel wie bei einer On-Premise-Lizenz.

SAP hat inzwischen erkannt, dass das entscheidende Argument für Cloud-Lösungen nicht aus dem Einsparungspotenzial beim software-Betrieb stammt. Vielmehr sieht Technologievorstand Bernd Leukert in den mobilen Anwendern den wesentlichen Veränderungswillen. Deshalb kooperiert SAP mit Samsung, um auf den gemeinsamen Plattformen zusätzliche Lösungen für den Vertriebsmitarbeiter, den Kollegen in der Logistik oder den Berater im Banken- und Versicherungswesen anzubieten. Diese mobilen Anwendungen der s-innovations-Familie sollen ebenfalls dabei helfen, die bestehenden fest-installierten Anwendungen sukzessive zu erweitern und in Richtung Cloud zu migrieren. Das soll auch mit neuen Anwendungsfeldern gelingen – beispielsweise mit Lösungen für das Gesundheitswesen.

Rund eine Milliarde Euro Umsatz will SAP im zu Ende gehenden Jahr mit ihren Mietangeboten aus der Wolke melken. In drei Jahren strebt man bereits einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro an. Und 2020 will SAP der unangefochtene Stern am Wolkenhimmel über Deutschland sein. Dazu trägt offensichtlich auch bei, dass SAP mit den harschen Datenschutzgesetzgebungen hierzulande weltweit punkten kann. So hat sich die australische Bundesregierung, die als einer der größten Kunden mit Business by Design, die Hosting-Dienste der SAP nutzt, nicht für die Datensammelstelle in den USA entschieden, sondern das Datenzentrum in St.-Leon-Rot ausgewählt.

Beim Datenschutz ist Deutschland eben auch S-Klasse. Und damit auch die SAP.