Es liegt was in der Luft. Und diesmal ist es nicht allein die Wolke, die Cloud. Es scheint vielmehr, dass Xynthias Orkan-Ableger noch durch die globalen Softwarehäuser streift und einen Frühjahrsturm auf die Börsenpakete aufkommen lässt. Anders lassen sich die Andeutungen, die mal mit weniger, mal mit mehr Aggressivität vorgetragen werden, kaum noch deuten: Die Softwarebranche bereitet sich auf den nächsten ganz großen Takeover vor.
Hören wir doch mal hinein in das Ätherbrausen – zum Beispiel bei Infor. „Weg mit BigERP“ grummelt das Softwarehaus derzeit in Werbespots gegen die globalen Lösungsanbieter und möchte so Wechselstimmung herbeizaubern. Vor allem im Lösungsmarkt der IBM System i-Anwendungen, wo Infor durch Übernahmen bereits einen Kundenstamm von 15.000 Unternehmen zusammengetrommelt hat, soll weiter zugelegt werden. Seit einem Jahr verantwortet Ex-IBMer Mark Wright diese Plattformlösungen. CeBIT-Gerüchten zufolge steht bereits wieder die Übernahme eines traditionellen „AS/400-Hauses“ an.
Und IBM selbst scheint endlich gewillt zu sein, sich auf dem Anwendungssektor zu wehren. Nachdem die AS/400 erst durch 400 Anwendungs-Software-Angebote (sic!) weltberühmt wurde, folgte in den 1990er Jahren erst der Totalausstieg aus dem Lösungsmarkt, dann der Globaleinstieg durch die (allerdings fehlgeschlagene) Software-Initiative „San Francisco“. Jetzt feiert der Ansatz, branchenorientierte Industry-Frameworks für die Welt der Anwendungen bereitzustellen wieder fröhliche Urstände. Nachdem IBM beinahe beim Kaufangebot von Sun schwach geworden wäre, scheint jetzt der Boden bereitet für eine dritte Software-Offensive.
Vielleicht zusammen mit SAP, wo nach dem Weggang von Leo Apotheker das große Stühlerücken begonnen hat. „Mehr Kreativität“ fordert die neue Doppelspitze von den Produktmanagern, was nicht allein auf Innovationen und Marktstrategien gemünzt zu sein scheint, sondern auch auf strategische Partnerschaften zielt. Mit IBM wurde der Schulterschluss bei Hosting und OnDemand-Angeboten schon gezogen. IBM selbst versucht bereits seit Jahren, mit enger Technologiepartnerschaft zu SAP die eigene Datenbank DB2 bei SAP-Anwendern gegen Oracle zu positionieren. SAP hat die Business Suite, IBM, so scheint es, den passenden Business Case.
Oder doch lieber wieder mit Microsoft? Auch hier verstummen die Gerüchte um wieder aufgenommene Gespräche zwischen Walldorf und Redmond nicht. Beide Unternehmen suchen noch ihre Rolle in der Cloud – und es wäre nicht die erste Ehe, die im Himmel geschlossen wurde. Zumal beide nach einer geeigneten Strategie gegen Störenfried Google fahnden. Der Suchmaschinenanbieter ist längst im Anwendungsgeschäft angekommen und attackiert mit seinen offenen Apps bereits das gesamt Establishment von SAP bis Microsoft.
Oder doch lieber Oracle? Nach mehrfachem Technologiewechsel erscheint die Programmiersprache Java in Walldorf wieder hoffähig zu sein – trotz Oracles Übernahme des Java-Beschützers Sun Microsystems. SAPs neuer Chief Technology Officer im Vorstandsrang, Vishal Sikka, hat nie einen Hehl aus seiner Java-Neigung gemacht. Und auch Co-CEO Bill McDermott zeigte sich jetzt vor eigenen Mitarbeitern in der kalifornischen Niederlassung gegenüber diesem Thema aufgeschlossen.
Aber anders als Oracle, das wie Infor den Übernahmemarkt immer wieder ankurbelt, will SAP möglichst organisch wachsen. Doch ebenso kündigten die Co-CEOs McDermott und Jim Hagemann Snabe an, durchaus eine Unternehmensübernahme in Betracht ziehen zu wollen – „wenn‘s strategisch passt“. Aber nach den positiven Erfahrungen mit der Übernahme von Business Objects passt’s doch irgendwie immer strategisch.
Eines scheint sicher: die nächste Übernahme wird ein neues Schwergewicht im Cloud Computing kreieren. Die Branche ist ready for Takeover – und am Ende wird BigERP noch bigger.