Euro in den Wolken

Man kann keinen Blog über Cloud Computing schreiben, ohne in diesen Tagen einige Gedanken an den Zusammenhang weltweiter Vernetzung und Finanzwirtschaft zu formulieren. Wenn es aus unternehmerischer Sicht nicht so bedrohlich wäre, wäre es faszinierend, die Auswirkungen einer international vernetzten Broker-Kaste auf das Schicksal von Staaten und ihrer gemeinsamen Währung  zu beobachten. Aber wir sitzen nicht im Publikum, wir sind mit auf der Bühne – wenn auch nur als Statisten.

Unmittelbarer konnte einem die Globalisierung der Kommunikation kaum vorgeführt werden: die Finanzminister der 27 EU-Staaten tagten – genaugenommen: nächtigten, aber das hat einen politisch inkorrekten Beigeschmack – in der Nacht zum Montag unter einem Zeitdruck, der nicht von den Akteuren, sondern vom Öffnungszeitpunkt der asiatischen Börsen bestimmt wurde. Was mit einem Rettungsschirm für Griechenland begann, wurde zu einem aus 750 Milliarden frisch gedruckter Euro bestehenden Überraschungspaket für den ganzen Euro-Raum, weil die Spekulation gegen verschuldete und scheiternde Staaten zu einem schwarzen Montag, wenn nicht zu einem schwarzen Monat hätte führen können. Der Weltlauf erfolgte gegen eine Uhr, die in einer ganz anderen Weltregion tickt.

Es gebe, warnte EZB-Präsident Claude Trichet während des Treffens, abgesprochene Attacken amerikanischer und asiatischer Fonds auf den Euro. Es hört sich an wie eine der wildesten Verschwörungstheorien, die durch die Internet-Wolke wabern. Schon zum Jahrestag der Lehman-Pleite im vergangenen Herbst meldeten sich Gerüchte, wonach ausgerechnet dieses Bankhaus bewusst und gezielt fallen gelassen worden sei. Wegen des großen Euro-Engagements der Lehman-Brüder sei so aus einer amerikanischen eine Weltkrise geworden.

 In der vergangenen Sonntagnacht aber werden Verschwörungstheorien gegen den Euro ernst genommen. Um Mitternacht, als eine Einigung noch nicht in Sicht ist, öffnet die Börse in Neuseeland – und bleibt überraschend gelassen. Zwei Stunden später öffnet die Tokioter Börse – und der Euro steigt um einen Cent auf 1,28 Dollar. Dabei hat man sich in Brüssel zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geeinigt. Der Riesenschutzschirm wird erst 36 Minuten später aufgespannt.

Es ist geradezu beruhigend, dass der pazifische Ozean der Welt Tag für Tag eine Denkpause verordnet. – Wenn über dem Meer des Friedens der Tag hinweg streicht, haben Europäer und Amerikaner Zeit zum Nach(t)denken. Die Informationswolke aber zuckt und blitzt unweigerlich, sobald der Tag die Küsten erreicht. Die Welt ist zu einer Scheibe geworden – zu einer Informationsdrehscheibe, auf der die Rückseite (noch) leer ist. Der Ruf nach einem Börsenplatz Hawaii wird – wie schon einmal – wieder aufleben. 

 

 

 

 

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