„Solange ich den Gegner nicht niedergeworfen habe, muss ich fürchten, dass er mich niederwirft“ – formulierte Carl von Clausewitz die sich selbst verstärkende Wechselwirkung des Krieges. Man muss sich jetzt nicht dafür entschuldigen, dass die Rivalität zwischen SAP und Oracle Kriegsassoziationen weckt. Die Sprache bietet genug Martialisches zur Untermauerung: Da werden ganze Breitseiten an Sottisen verschossen, geht man vor Gericht in den Clinch, führt Produktschlachten und nicht zuletzt geht es um die Eroberung gegnerischen Terrains – zwischen den beiden Flaggschiffen der Unternehmenssoftware wird sobald kein Waffenstillstand herrschen.
Seit sich Oracle zum Datenbankgeschäft eine Anwendungssuite erst hinzugekauft und später auch entwickelt hat, bemüht sich SAP eine offene Flanke (sic!) im eigenen Produktangebot zu schließen – zu oft musste und muss SAP eigene Kunden mit Oracle teilen, weil diese zur SAP-Lösung eine Oracle-Datenbank einsetzen. Der Wunsch nach Unabhängigkeit, wenn nicht Unangreifbarkeit hat schon zu Partnerschaften mit IBM (DB2) geführt und ist auch – neben Performancegründen – eine treibende Kraft hinter den Plänen zur In-Memory-Database.
Jetzt hat SAP einen Milliardengriff angekündigt, um durch ein integriertes Angebot aus Anwendung und Datenbasis mit Oracle gleichzuziehen. Mit Sybase kommen SQL Anywhere für mobile Anwendungen und IQ als spaltenorientierte relationale Datenbank ins Portfolio. Man wird sehen, wie lange es braucht, bis ein erstes integriertes und vor allem optimiertes Komplettangebot auf den Anwendertisch kommt – natürlich vorausgesetzt, die Anteilseigner und die Kartellbehörde stimmen zu.
Ebenso wichtig aber ist der innovative Schwung, der durch I- Anywhere in die Weiterentwicklung des Lösungsportfolios gebracht wird. Denn die Middleware hilft SAP künftig, mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PC zu integrieren und damit Dashboards und Informationssysteme dem Management nicht nur an die Hand geben, sondern im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand zu legen.
SAP äußerte sich erst auf der Sapphire offiziell zu den Beweggründen für diesen Deal und stellt in der Tat In-Memory-Technology, Integration und mobile Anwendungen in den Vordergrund. Das Signal dahinter soll lauten: schaut her, wir sind innovativ, kommen mit neuen Technologien auf den Markt und sind darüber hinaus auch aufgeschlossen gegenüber neuen Geschäftsmodellen. Denn Business by Design, die Software zum Mieten, ist kurz vor der breiten Marktverfügbarkeit. Spät, aber deutlich vor anderen.
Der Sybase-Deal hat aber auch eine dunkle Seite. Wenn Innovation eingekauft werden muss, fehlt die innovative Kraft dann im eigenen Haus. Wenn I-Anywhere so attraktiv ist, ist das dann ein Eingeständnis, dass mobile Netweaver nicht den Durchbruch verspricht. Oder ist alles zusammen der Grund, warum man in Walldorf mit Sybase einfach nur – was durchaus legitim wäre – Zeit einkaufen will?
Doch neben der Zeit gibt es eine weitere Dimension, die mit Sybase gewonnen werden dürfte – auch wenn keiner darüber sprechen mag: den Raum. Mit der Kundenbasis erhöht SAP seine Präsenz in den USA ganz erheblich und greift Oracle damit im doppelten Sinne auf dem Home-Turf an: dem Markt der Datenbankkunden in Nordamerika. Und wer hat gesagt, dass harmonisches Wachstum gut und der Zukauf von Umsatz schlecht ist? Oracle nutzt diesen Kniff seit Jahren – und wird jetzt selbst gekniffen.