Wir leben in internationalen Zeiten: SAP ist glücklich mit seiner dänisch-amerikanischen Doppelspitze – und Hewlett-Packard wählt unter lauter hochkarätigen US-Amerikanern: den Deutschen Léo Apotheker. Alle drei sind Weltbürger und führen Firmen, die sich zu wahrhaft globalen Organisationen entwickelt haben. Das ist nicht selbstverständlich. Hand aufs Herz: Ein Europäer an der Spitze der IBM in Armonk oder von Microsoft in Redmond?
Soviel zur nationalen Dimension der wohl für die gesamte Branche überraschenden Entscheidung des HP-Boards, Léo Apotheker in die Nachfolge von Mark Hurd in Palo Alto zu berufen. Ein gutes halbes Jahr nach seinem Weggang von SAP taucht der Vertriebsprofi mit einem Paukenschlag wieder auf. 50 Millionen Dollar ist dem Vernehmen nach dem PC-Marktführer über die Jahre hinweg das Engagement wert. Deshalb zunächst: Chapeau Léo!
Dabei hatte es für viele so ausgesehen, als habe sich Léo Apotheker in seine Wahlheimat Paris zurückgezogen und der Branche gut-situiert, aber lammfromm den Rücken gekehrt. Dazu hätte er allen Grund gehabt, denn die Nachrufe aus der SAP und der Fachpresse waren – gelinde gesagt – nicht gerade überschwänglich. In völliger Verkennung der aktuellen Stimmungslage hat Oracle-Chef Larry Ellison jetzt noch einmal versucht, Reminiszenzen an einen vermeintlich Gescheiterten wachzurufen, als er dem Wall Street Journal seine Bewertung der HP-Personalie mailte. Sie zu wiederholen, ist es allerdings nicht wert.
Die Replik auf das alles war Léo Apotheker jetzt genau sieben Worte in einem Handelsblatt-Interview wert: „Ohne mich gäbe es die SAP nicht.“ Damit war das Interview beendet und der im Allgemeinen hochgeschätzte Jens Koenen verpasste die Chance, Branchengeschichte zu schreiben. Warum hat er Léo Apotheker nicht zu einer Erklärung dieses Satzes genötigt? Mein Gott, so was lernt man doch auf der Journalistenschule, oder nicht!
Hat er aber nicht. Deshalb folgt die Antwort nun – zwar spekulativ, aber doch gut unterrichtet – in diesem Blog: SAP wurde unter dem Vertriebschef Léo Apotheker zum Branchenprimus mit 90.000 Kunden. Nach den 2003 gescheiterten Gesprächen mit Microsoft hatte er vor einem Jahr erneut die Fühler zu möglichen Fusionspartnern ausgestreckt – und war zurückgepfiffen worden. Als in der Wirtschaftskrise das Neugeschäft einbrach, hatte er den (vielleicht übertriebenen) Sparkurs durchgesetzt, der Gewinne und Aktienkurs hoch hielt und als dessen prominentestes Opfer er Anfang 2010 schließlich das Unternehmen verlassen musste. Aber er hat die SAP sicher durch schwieriges Fahrwasser geführt.
Sollte er die Mission SAP-Fusion jetzt von außen, von der HP-Spitze aus weiter verfolgen? Dass die Ansichten über Partnerschaften und Fusionen im SAP-Aufsichtsrat und unter den alten Gesellschaftern keineswegs einmütig geteilt werden, trat in den Wortbeiträgen der SAP-Granden zum Weggang von Léo Apotheker überdeutlich zu Tage. Heute ist es SAP-Mitbegründer Klaus Tschira, der über mögliche Käufer orakelt und dabei Oracle ausdrücklich ausschließt. Und es ist SAP selbst, das die Gerüchteküche um eigene Übernahmen genüsslich köchelt: gestern war es SAG, die übernommen werden sollte, heute – vielleicht aufgrund eines Lesefehlers – Sage.
SAP, ein Käufer, der selbst zum Kaufobjekt wird. Die Branche ist in einem Konsolidierungs- und Übernahmerausch. Cloud Computing mischt Hard- und Softwerker neu. Der Zwang, sich neu aufzustellen, macht derzeit Milliarden frei. Während IBM und Oracle einen guten Mix für die Cloud aus Hardware, Software und Service anbieten, fehlt es HP an Software und SAP an Hardware. Die Übernahme von Sybase hat SAP zumindest an der Datenbank-Front geschützt. Aber die Cloud verlangt Kompetenzen im Rechenzentrumsbetrieb, im Storage-Management, beim Server-Bau und in der Anwendungsintegration. All dies gehört derzeit nicht zu den Kernkompetenzen von SAP. Zu den von HP aber schon.
Léo Apotheker hat die SAP schon einmal gerettet – damals von innen und gegen alle Widerstände. Wenn er nun – von außen und wiederum gegen alle Widerstände – der SAP zusätzliches Leben durch die wie auch immer geartete enge Partnerschaft mit HP einflößen könnte, wäre dies ganz im Sinne von Mahatma Ghandi: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ – Léo ist kein Lamm, sondern ein Löwe.
Vorhin gefunden, und bin jetzt hier schon ne Stunde drauf 😛