Das Auto ist schon ein ungewöhnlicher Zwitter – zumindest aus der Marketing-Perspektive. Vom Preis her eine Investition, von der Form her eine Emotion. Oder gibt es irgendeinen rationalen Grund für diese Boliden, die da links auf der Autobahn fahren? Jetzt kommen Sie mir bloß nicht mit passiver Sicherheit!
Ganz anders der Computer. Rein rationale Gründe sprechen für die Microsoft- oder Apple-Welt, für onPremise-Server oder onDemand-Services. Es geht um Kosten, Effizienz und Nutzen, nicht wahr? Aber, mal ehrlich: War die Sitzbank vor waberndem Kühlmittel nicht das Geilste an der Cray-2? Oder war die Form eines iMac nicht der genialste Designerstreich der Computerbranche? Und sind Apps auf dem Smartphone nicht nutzlos, aber hipp?
Wie das Interesse, so die Messe – möchte man meinen. In dieser Woche läuft in Detroit die Auto-Show – und deutsche wie US-amerikanische Hersteller sind aufgeräumter denn je. Und das Fachpublikum strömt zum wichtigsten amerikanische Branchenevent – bereit, in der Autostadt wieder das Mekka der Automobilindustrie, ja der ganzen Wirtschaft zu sehen. Endlich wieder mehr Aussteller, mehr Besucher – die Begeisterung ist groß.
Dabei liegt Mekka doch längst in der Wüste Nevadas, wo eine Woche zuvor die Consumer Electronics Show, der wichtigste amerikanische Branchenevent, mit abermals neuen Besucher- und Aussteller-Rekorden aufgewartet hat. Doch im Mekka der IT-Industrie, ja der ganzen Wirtschaft mischt sich Murren in die Begeisterung. Die Unzufriedenheit ist groß – zu viele Besucher, zu viele Aussteller.
In einer Zeit, in der jeden Tag eine Produktankündigung erfolgt, sind die Messen weniger Produktschau als vielmehr Stimmungsbarometer. Das haben auch die IAA in Frankfurt und die CeBIT in Hannover schon so zu spüren bekommen. Wer einen Auftritt für seine jüngste Produktpalette sucht, wendet sich zielgruppengenau über Hausmessen, Themenshows oder Fachkonferenzen an seine Klientel. Wer Kunden- und Marktnähe beweisen will, nutzt die Möglichkeiten des Web. Wer Gemeinschaften aufbauen will, wählte Social Media.
General Motors richtet seine Rückkehr an die Börse ebenso wenig nach Messeterminen aus wie Apple die Ankündigung seines iPad. Hier regieren längst andere Kalendarien, die von Quartalsberichten dominiert werden und nicht von Messereports. Auch das Verbreiten von Gerüchten, Gerede und Geraune wird inzwischen rund ums Jahr und um den Globus von Bloggern, Chattern und Twittern übernommen. Die bevölkern, nein: übervölkern heute die Messen, weil sie auf diesen Veranstaltungen endlich mal aus ihrer Isolation treten können.
Darauf müssen sich die Veranstalter in Detroit und Frankfurt, in Las Vegas und Hannover einstellen. Die großen Messen in den industrialisierten Ländern ändern deshalb ihr Gesicht. Nicht unbedingt das, was auf den Ständen präsentiert wird, entscheidet über den Erfolg einer Veranstaltung. Nicht das Angebot, sondern die Nachfrage bestimmt über den Erfolg eines Marktes. Das gilt auch für Messen als temporäre Märkte.
Messen haben überall ihren Sinn, wo Aussteller sich messen lassen wollen. Eine Leistungsschau lebt nicht vom Release 5.3.1 oder dem Plus hinter dem Turbo, sondern vom Nachweis der Leistungsfähigkeit, von der Meinungsführerschaft, von der Idee. Der CeBIT gelingt dies seit Jahren recht gut: Mit Webciety (okay, der Begriff war nicht so doll), mit GreenIT oder mit der Cloud gewährt sie den Ausstellern nicht nur Raum, sondern vor allem Sinn. Sie adressiert damit Preis und Form. Sie ist sozusagen, die Autoshow der Informationswirtschaft.