Der Spiegel hats mal wieder versucht: Er hat versucht der Leserwelt das Internet zu erklären. Google, Facebook, Amazon und Apple werden in einem „Quadrumvirat“ aufeinander losgelassen. Im Internet, so der Spiegel, herrscht der der totale Krieg.
Der Krieg tobt zwischen der totalen Verfügbarkeit (durch Amazon), dem totalen Wissen (Google), der totalen Mobilität (Apple) und der totalen Transparenz (Facebook) – das ist durchaus geistreich gedacht. Aber jetzt mal ehrlich: Facebook und Transparenz? Da muss es doch in den Redaktionsgehirnen einen kurzzeitigen Denial of Service gegeben haben.
Der seitenlange Aufmacher im Spiegel ist ein trauriger Höhepunkt journalistischer Ahnungslosigkeit. Da werden sattsam bekannte Anekdoten rund um Steve Jobs, Marc Zuckerberg, Eric Schmitt und Jeff Bezos aneinander gereiht, große Userzahlen und wahrhaft märchenhafte Börsenwerte benannt und die Machtfrage unter den Vieren gestellt. Als würde es nicht immer ein (freilich US-amerikanisch dominiertes) Oligopol gegeben haben. Geradezu lehrbub-artig schwankt der Spiegel zwischen Schauder vor den Mächtigen und Bewunderung derer, die mit ihren Webstrategien auch die Verbreitung des Spiegel-Contents befeuern.
Denn der Beitrag über die Web-Society, das soziale, mobile, ubiquitäre Always-Online-Feeling kommt just zu dem Zeitpunkt, wo der Spiegel seinem Magazin als ePaper eine neue Gestalt gibt. Auch hier einem Markttrend hinterherlaufend, zeigt sich das bereits samstags vorabveröffentlichte, sonntags verfügbare Montagsmagazin jetzt optimiert für die iDings-User und SmartPhonetiker. Das gute, alte PDF-Format, das wohl zu viele Raubkopien möglich gemacht haben dürfte, ist jetzt nur noch ganz versteckt zu finden.
Es wirkt geradezu liebedienerisch, wenn sich der gerne kritische Spiegel in den Weltmachtsphantasien der „Web Four“ ergeht und dabei als Allesversteher und –Weberklärer allenfalls noch für eine Generation 75plus ins Rennen gehen kann. Auf Facebook erhielt der Beitrag bis Montagmittag keine 20 „Like-its“, dafür aber diesen saftigen Kommentar: „Wenn ein Wirtschaftswissenschaftler das verbrochen hat, gehört ihm der Uni-Abschluss aberkannt, aber auf jeden Fall sollte man in Zukunft jemanden damit betrauen, der eine entsprechende Kompetenz (Ökonomie und IT) vorweisen kann.“ Auch der Rest der Kommentare legt nicht unbedingt das Gefühl nahe, dass der Spiegel auf Facebook angekommen ist.
Na, dann vielleicht auf Spiegel Online, der „Plattform für Journalismus im Laufschritt“. Immerhin gaben kürzlich 56 Medienfachleute dem Newsportal aus der Spiegel Gruppe Bestnoten für den deutschsprachigen Raum. Doch im Forum fand sich zur aktuellen Titelstory nur ein Kommentar: „Wir führen aktuell umfangreiche Wartungsarbeiten am Forum durch. Diese Arbeiten werden noch bis zum frühen Abend dauern.“
Auch Spiegel TV ist noch nicht ganz im Hier und Jetzt des Netz angekommen: Als videotische Ergänzung zum Text findet sich dort Thessas Geburtstagsparty und eine Designshow zu Apples Produktinnovationen. Gähn.
Das ist Old School. Medien wie der Spiegel denken an Quoten und Reichweiten, aber im Web sind sie noch nicht richtig angekommen sind. Die alten Medien kommentieren die neuen Medien, kopieren sie vielleicht sogar. Aber sich selbst zu innovieren, scheint ihnen unmöglich. Den Spiegel, den der Spiegel den Web-Giganten vorhalten wollte, hält er sich selbst und seinesgleichen vor.