Unter Tage begleitet den Kumpel seit jeher die Angst vor Staubexplosionen, die gewaltsame Entzündung kleinster Staubpartikel in geschlossenen Räumen. Doch nicht nur Kohlenstaub, sondern auch andere, scheinbar ungefährliche Stoffe wie zum Beispiel Mehl können durch einen Funken zur Explosion gebracht werden – ein Grund, warum Mühlen stets weitab von mittelalterlichen Siedlungen errichtet wurden.
Die Faustregel zur Vorsorge vor Staubexplosionen klingt wie modernes Unternehmensmanagement: Immer wieder gut durchlüften und zusehen, dass sich der Staub nicht setzt.
Seit Februar sorgt Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner dafür, dass in der SAP-Mühle nahe Walldorf kräftig entstaubt wird. In einigen, weniger belüfteten Räumen ist es dabei dennoch zu exothermen Reaktionen aus der Staubwolke gekommen: der für das OnDemand-Geschäft zuständige Topmanager Peter Lorenz hat eine Auszeit angetreten. Der Cloud-Sektor bleibt allerdings nicht kopflos: Lars Dalgaard, der erst durch die äußerst zügige Übernahme von SuccessFactors in der SAP-Welt gestrandete, charismatische Cloud-Unternehmer, soll das Business jetzt verantworten. Begleitet wird die Personalie von Plattners massiver Kritik an der bisherigen Cloud-Strategie der SAP. Zu langsam, zu technoverliebt, zu introvertiert – und überhaupt unbrauchbar.
Plattner hatte von seinem Zweit-Schreibtisch in Palo Alto, wo er als Technologie-Scout das (durchaus staubige, aber eben nicht angestaubte) Silicon Valley beäugt, einen gut gelaunten Abstecher zu den Neu-SAPeuren von SuccessFactors gemacht, um die entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine weiterhin unabhängige SAP zu vermitteln: in der Cloud ist weniger mehr, ist Dynamik beständiger als Statik. Walldorf, so Plattner, stehe aber für statisches Monolithicum; die Cloud als Staubwolke.
Schon eine alte Bauernregel sagt: Bläst der Wind im Februar, gibt’s ein gutes Erntejahr. Vor zwei Jahren im Februar hatte der Aufsichtsratsvorsitzende genug und wollte endlich wieder eine „Happy Company“, der jedoch der damalige Vorstandsvorsitzende Léo Apotheker im Wege stand.
Damals verschrieb der Mitbegründer des einzigen deutschen Softwarehauses, das auf internationaler Ebene zu den ganz Großen gehört, dem Unternehmen eine Doppelspitze aus Bill McDermott und Jim Hagemann-Snabe. Sie sorgten intern für Happy Employees und extern für Happy Investors – sie schafften ein sensationelles Rekordjahr in Umsatz und Ertrag.
Jetzt bläst der Februarwind die alten Staubfahnen aus dem Haus. Cloud Computing geht anders als das klassische SAP-Modell, sagt Plattner. Die zehn Jahre Entwicklungsmarathon für Business by Design wurden durch das Erbe der alten Blaupausen aus dem vergangenen Jahrtausend zu einem wahren „OnDemand-Martyrium“. Schon der Kauf von SuccessFactors, einem OnDemand-Haus mit zuletzt geschätzten annähernd 300 Millionen Dollar, stellte die Weichen für eine neue Cloud-Strategie. Jetzt zeigt sich, dass dafür auch ein neuer Cloud-Stratege gebraucht wird: Lars Dalgaard soll SAPs Success Factor in der Cloud sein. Er soll das mitbringen, was nach Hasso Plattners Ansicht jetzt am dringendsten Not tut: eine cloud-zentrierte Unternehmensphilosophie, die die Entwicklungs- und Vertriebszyklen auf OnDemand trimmt.
Plattners Kritik wird sicher Thema auf der nächsten von ihm selbst geleiteten Aufsichtsratssitzung bei SAP sein. Der Tenor dürfte lauten: Die Firma braucht keinen neuen Besen, sondern einen neuen Staubwedel. Noch mahlen Walldorfs Mühlen langsam. Aber es kommt Wind auf.
Jedes Tiegelchen find‘ sein Deckelchen.