Im dunklen Anzug, immer souverän und den Kunden fest im Griff – das ist das Urbild des taffen Vertriebsbeauftragten, wie ihn vor allem Thomas J. Watson für IBM durchgesetzt hatte. Der Verkaufs-Archetyp wurde praktisch überall übernommen, wo erklärungsbedürftige Produkte und Investitionsgüter vermittelt werden sollen. Der Account Manager war geboren…
Der Vertriebsbeauftragte lebt in einem eigenen Biotop – Channel genannt. Dort arbeitet er in seinem Territory, seinem Vertical, seiner Business Unit – alles Begriffe, die bereits beim Urvater des Account Managers zu Watsons seligen Zeiten eingeführt wurden. Das Vertriebsbild war die erste globale Berufsbeschreibung.
Aber der Account Manager ist vom Aussterben bedroht. Sein Lebensraum, der Channel, wandelt sich unter dem Einfluss der Cloud. Denn die Cloud ist der Channel. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen der Vertriebskollege sich mit seinem Mittelklassewagen einem Industriezentrum nähert, den Wagen abstellt und dann bei der Adresse Industriestraße 1 die Klinken zu putzen beginnt.
Cloud Computing setzt ein neues Paradigma im Softwareverkauf frei. Einer der ersten, der dies erkannte, war Marc Bennioff, der mit Salesforce.com den Wettbewerb bei CRM-Systemen heftig durcheinanderwirbelte. Während die großen ERP-Anbieter noch Klinken putzten, putzte Salesforce Klicks. Als SAP dieses Vertriebsmodell mit Business by Design nachzuahmen versuchte, kam heraus, was herauskommen musste: eine Cloud-Lösung, die von einem klassisch Klinken putzenden Account Manager vertrieben wurde. Kein Wunder, dass die vollmundig angekündigten 100.000 Neukunden für die SAP noch nicht einmal annähernd in erreichbare Nähe gerückt sind.
Doch es tut sich was im Staate. SAPs Co-CEO Jim Hagemann-Snabe kündigte jetzt SAP-Lösungen für Einzelpersonen, für Handwerker und Kleinunternehmen an. Das wäre in der Tat die Überwindung des althergebrachten Weltbildes, in dem komplexe Lösungen durch einen komplizierten Einführungsprozess für Small and Medium Businesses praktisch nicht finanzierbar waren.
Möglich macht die unglaubliche Verschlankung des SAP Geschäftsmodells nur die Cloud. Verzicht auf Account Manager, Automatisierung des Anpassungsprozesses und Virtualisierung des Betriebs sind die Alternativen zum guten alten Server im Keller. Ob SAP und andere Software-Riesen diesen Wandlungsprozess tatsächlich vollziehen können und wie schnell sie das können, wird über die internationalen Marktanteile entscheiden. Nach MySAP soll „Du und Deine Anwendung“ im Selbstbedienungsverfahren erworben, eingeführt und modifiziert werden.
Die Ankündigung ist nichts weniger als der zweite Anlauf, 100.000 Kunden zu erreichen. Sollte es gelingen, wäre die nächste Zehnerpotenz nur einige Mausklicks entfernt. Es wird einsam werden um den taffen Vertriebsbeauftragten. Aber werden wir ihn vermissen?