Dies ist kein Blog – dies ist eine Polemik. Aber das muss im Wahljahr auch mal sein.
Dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung ist – vermutlich unfreiwillig – eine völlig neue Wortschöpfung gelungen: „Unternehmertun“. Das Unternehmertun ist womöglich das, was Unternehmer tun. Also was unternehmen. Sonst wären sie ja Unterlasser.
Der Satz, in dem wir dieses wunderbare Wortgetüm finden, stammt aus der Verlautbarung über den Besuch der Bundeskanzlerin bei einem Unternehmen aus dem Erzgebirge und lautet:
„Die Politik wolle alles tun, Unternehmertun vor allem nicht zu sehr in seiner Entwicklung zu stören, und wo immer es geht, hilfreiche Rahmenbedingungen entstehen zu lassen, sagte Merkel.“ Ehrlich, ich habe diesen Satz nicht erfunden, sondern fein säuberlich kopiert und die Quelle dokumentiert.[1]
Was muss das mittelständische Unternehmertum da zur Kenntnis nehmen? Die Politik sieht es als ihr Ziel, den Mittelstand nicht allzu sehr zu stören? Da muss man doch erst einmal nach Luft schnappen!
Naiv wie man als mittelständischer Unternehmer nun mal ist, war ich bislang davon ausgegangen, das erklärte Ziel der Politik bestehe darin, das Unternehmertum (und in Gottes Namen auch das Unternehmertun) zu fördern! Aber einfach nur nicht stören – das ist schon ein anderer Zungenschlag.
Da kratzt man sich doch seinen Mittelstandsbauch und schaut verängstigt über die Grenze nach Holland, pardon: Frankreich, wo der sozialistische Staatspräsident soeben seine Pläne bekräftigt hat, mittelständische Unternehmen, die mehr als eine Million Euro Umsatz erzielen, mit einem Spitzensteuersatz von 75 Prozent belasten, nein man darf wohl sagen: belästigen zu wollen.
Apropos Mittelstandsbauch: Wer jetzt Wohlstandsbauch assoziiert haben sollte, der offenbart ein gängiges Vorurteil. Nämlich das vom gewöhnlich gut betuchten mittelständischen Familienvorstand, der mit seinem kleinen oder mittleren Unternehmen (heute unschön KMU genannt) jährlich einen hübschen Gewinn einstreicht. Tatsächlich aber ist der Mittelstandsbauch jene fatale kalte Progression, die nicht nur mittelständische Unternehmer, sondern auch mittelständische Arbeitnehmer zu einer besonderen Steuerlast zwingt. Aber statt – wie ursprünglich geplant – die wachstumshemmenden Ungerechtigkeiten im Steuersystem zu beseitigen, wird jetzt, wenige Monate vor der Bundestagswahl von allen Seiten über Steuererhöhung spekuliert. Durchaus moderat, nicht so radikal wie in Frankreich – aber Steuererhöhung ist Steuererhöhung: Nach den Vorstellungen von SPD und Grünen sollen Einkommen ab 64.000 Euro mit 49 Prozent besteuert werden. Und auch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) stellt sich eine vergleichbare Maßnahme vor. Allerdings ist sie damit in ihrer Partei noch allein – vorerst.
Mehr als 3 Millionen mittelständische Unternehmer sind auch mehr als 3 Millionen Wahlstimmen. Vielleicht sollten wir vor dem Urnengang noch eine Unterschriftenaktion starten: „Bitte nicht stören – wir haben genug mit dem Aufschwung zu tun.“
Vielleicht versucht sich auch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung demnächst nicht an einer Wortschöpfung, sondern an einer Wertschöpfung. Das ist nämlich das mittelständische Unternehmertun, das Deutschland wirtschaftlich leistungsstark hält.