Brasilien, Russland, Indien und China galten lange als Schwellenländer – also jene Staaten, die im Begriff sind, mit ihrer Wirtschaftsleistung zu den großen westlichen Industriestaaten aufzuschließen. Aber erst als ihnen – zusammen mit Südafrika – das Akronym BRICS verpasst wurde, entstand daraus eine Wirtschaftsmacht, eine Marke. So funktioniert unser Denken.
Das wird die Überlegung der Marketiers gewesen sein, die längst sattsam als Zukunftstrends identifizierten Entwicklungen Cloud, Analysis (Big Data), Mobilität und Soziale Medien zum neuen Megatrend CAMS zusammenzufassen. Und schon sind die „Schwellentrends“ eine Marke, für die IBM die Wirtschaftsmacht sein will. Mit Services, die nicht nur durch Big Blue, sondern auch und vor allem durch IBM Partner verkauft werden sollen.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie mir auf der IBM World Partner Conference in Las Vegas letzte Woche schmerzlich bewusst wurde. Weder die Altherren-Riege der IBM-Redner, noch die (nach dem x86-Verkauf an Lenovo verbliebenen) Partner-Vertreter haben in mir das Gefühl bestärkt, dass die Herausforderungen, die mit Cloud, Big Data, Mobilität und sozialen Medien verbunden sind, tatsächlich noch nicht verstanden wurden. Ein neues Schlagwort – CAMS – allein genügt da nicht.
Das scheint auch Marc Dupaquier, der neue Channel-Chef so zu sehen. Seine Mammut-Aufgabe besteht darin, aus den ehemaligen Boxen-Schiebern unter den Partnern nun einen Service-Kanal zu schmieden, der Kunden nicht anhand der Hardware bemisst, die sie in ihren Data Centern stehen haben, sondern an den Dienstleistungen, die sie morgen benötigen.
Aber dieser Wechsel wird schwierig genug: Etwa 20 Prozent des Gesamtumsatzes der IBM wird durch den Partner-Kanal geschleust. Zieht man Umsatzbereiche ab, die durch Partner nicht vertrieben werden – Projekte zur Systemintegration oder Outsourcing beispielsweise -, erhöht sich der Anteil auf knapp ein Drittel. Bei reinen Hardware-Themen steigt dieser Anteil weiter: Zwei Drittel des Storage-Umsatzes kommen von Partnern, 85 Prozent der x86-Hardware wird über den Kanal gesteuert – und wird jetzt zu Lenovo umgeroutet.
Doch nach Ansicht von Darren Bibby, beim Marktforschungsunternehmen IDC für die Analyse von Channel- und Partner-Strategien zuständigen, blicken die traditionellen Partner großer IT-Companies eher angstvoll in die CAMS-Zukunft – bei IDC heißt es übrigens MASC (Mobility, Analysis, Social Media and Cloud). Sie fürchten die Umsatzklippe, die bei einem Wechsel des Geschäftsmodells in Richtung Service on Demand droht. Dabei, so rechnete er den Partnern in Las Vergas vor, verspreche ein Wechsel auf einen Service-Vertrieb eine deutlich bessere Marge als die klassische Boxenschieberei.
Für viele Partner gilt es deshalb jetzt, eine Richtungsentscheidung zu treffen: Im klassischen Hardware-Geschäft zu verbleiben und künftig mit Lenovo zusammenzuarbeiten, oder kurzfristig eine Partnerschaft mit IBMs zugekauftem Anbieter SoftLayer einzugehen, der weltweit von elf Rechenzentren Infrastrukturen als Service anbietet: Rechenleistung, Speicher und Dienste. Channel-Chef Marc Dupaquier rechnet damit, dass die Partner zu Hunderten auf die IaaS-Plattform einschwenken werden.
Das ist IBM auch 1,2 Milliarden Dollar wert, die für 15 weitere Rechenzentren unter der Ägide von SoftLayer ausgegeben werden. Drei der Einrichtungen werden voraussichtlich in Europa errichtet – eines vermutlich auch in Deutschland. Und IBM verschiebt bereits im großen Stil eigene Service-Angebote auf die SoftLayer-Plattform.
IBM vollzieht den Schwenk zu CAMS mit aller Kraft – und gesteht ein, die Möglichkeiten rund ums Cloud Computing nicht richtig erkannt zu haben. Zahllose fehlgeleitete und fehlgeschlagene Initiativen in den letzten Jahren zeugen von der langsamen Lernkurve. Die Partner sollen es jetzt schneller machen. Denn die Zeit eilt. Ob CAMS oder MASC – die erhofften Umsatzsteigerungen zwischen 20 und 35 Prozent in diesen Märkten sollen und müssen die Verluste anderswo ausgleichen. Allein die Hardware-Fraktion hat im vergangenen Jahr ein Minus von 1,6 Milliarden Dollar eingefahren. Das kann sich IBM nicht lange leisten – egal, ob mit oder ohne Partner.
Mit Partnern aber wäre es besser – gerade für den schwierigen Markt des Small and Medium Business, der – wie die Partner selbst – noch jede Menge Überzeugungsarbeit auf dem Weg in die Cloud benötigt. Marc Dupaquier ist der Mann, der solche Herausforderungen meistern kann – wie´s auch kommt.