Kurz bevor Satya Nadella zum neuen CEO bei Microsoft nominiert wurde, leistete er noch als Chef des Enterprise- und Cloud-Business seine Unterschrift unter einen massiven Preisnachlass auf Rechenleistung, Speicherplatz und Bandbreite. So soll Windows Azure ab März den Preiskampf annehmen, den Amazon für seine Web Services angezettelt hat. Bei „Commodity Services“ – also reine Infrastrukturleistungen – geht bereits seit Monaten der Preis nur noch in eine Richtung – abwärts. Und immer läutet Amazon die nächste Runde ein, gefolgt von Google.
Es ist ein Hinweis darauf, dass Microsoft unter Satya Nadellas Ägide den Wettbewerb in der Cloud und um das Cloud Business ernsthafter angeht als bisher. Es gehört zu den Absurditäten der vergangenen Jahre, dass Microsoft zwar einerseits alle Ingredienzien für ein perfektes Cloud-Menü zur Verfügung hat, bislang aber weder Vision noch Mission empfand, sie auch für den alles entscheidenden Machtkampf um die Zukunft einzusetzen. Bislang hatten die Wettbewerber echt leichtes Spiel.
Microsoft hat bereits heute die Infrastruktur, die für ein weltumspannendes Cloud-Netzwerk notwendig ist. Es hat mit Dynamics eine Enterprise Suite, die zwar noch einen weiten Weg zu absolvieren hat, ehe sie eine attraktive Cloud-Lösung sein könnte. Aber mit Office 365 ist bereits eine komplette Productivity-Suite aus der Wolke verfügbar. Es hat mit Windows 8 und Surface wenigstens ein eigenes Angebot für das mobile Computing – auch wenn hier wohl erst mit Windows 9 alles richtig gemacht wird. Das wäre allerdings beste Microsoft-Tradition – auch der Erfolg für Windows als PC-Betriebssystem kam erst im zweiten Anlauf.
Microsoft aber hat vor allem Geld – und das ist nötig, um einerseits die Durststrecke zu überstehen, die es beim Wechsel des Geschäftsmodells von Kaufen zu Mieten durchzustehen gilt. Geld ist auch nötig, um eine globale Infrastruktur auszubauen. Geld ist nötig, um eine Enterprise-Suite von Grund auf zu modernisieren. Und Geld ist nötig, um den Preiskampf mit Google und Amazon zu überstehen. Die „klassischen“ Wettbewerber wie IBM, SAP oder Oracle wissen vielleicht noch gar nicht, auf was für eine Geldvernichtung sie sich eingelassen haben…
Satya Nadella scheint der Mann zu sein, der für diesen „Death March into the Cloud“ das richtige Survival Kit zusammengestellt hat. Nur so erklärt sich die langwierige Suche aus einer langen Liste möglicher und exzellenter Kandidaten. Nadella bringt zunächst einmal keine neue DNA in das Microsoft-Genom, sondern verstärkt die bekannten Stärken: Microsoft ist geübt im Verdrängungswettbewerb. Microsoft beherrscht das Rennen von hinten heraus. PC-Betriebssystem, Netzwerk-Server, Browser – und jetzt Cloud?
Geld allein macht Microsoft allerdings nicht glücklich. Anders als bei früheren Aufholjagden ist das Rennen in die Cloud wie ein 800-Meter-Lauf: ein endlos scheinender, kräftezehrender, langgezogener Sprint ins Anaerobe!
Microsofts Kultur, in der Teams gegeneinander ausgespielt, Mitarbeiter innerhalb von Teams bewertet und Entwicklungsentscheidungen von zu vielen Stakeholdern beeinflusst werden können, gehört einer Zeit an, als die Wettbewerber noch IBM oder Siemens-Nixdorf hießen. Gegen die agilen, schnellen Cloudianer muss Satya Nadella eine neue Kultur ins Feld führen – nicht das dickflüssige Washington-State-Blood, sondern das hellrote, schnellfließende Blut aus dem Silicon Valley. Diese Aufgabe dürfte um einiges härter sein als das Geldausgeben.
Ob Satya Nadella das kann? Vielleicht ist der Team-Player Nadella tatsächlich der richtige Mann. Vielleicht ist der aufbrausende Steve Ballmer tatsachlich für diese Aufgabe der falsche. Und vielleicht ist Nadella auch weiter weg von Bill Gates – beziehungsweise umgekehrt.
Wenn dieser Kulturwandel, dieser Paradigmenwechsel gelingt, dürfte Microsoft wieder ganze vorne mitspielen können. Aber ist es dann noch Microsoft?