Nach Vishal Sikkas Weggang war es wieder angenehm ruhig geworden bei der SAP. Der alleinige Vorstandsvorsitzende, Bill McDermott, konnte saubere Quartalszahlen präsentieren und dabei auf ein um 39 Prozent angestiegenes Cloud-Geschäft verweisen. Doch jetzt bringen erneut Kündigungen den Software-Konzern in die Schlagzeilen – und in Verzug: Denn die Verhandlungen um die rund 300 in Frage stehenden Arbeitsplätze in Deutschland (etwa zwei Prozent der rund 17.000 Mitarbeiter der SAP hierzulande) verzögern den Umbau des Unternehmens auf das Geschäftsmodell Cloud Computing.
Das muss nichts Dramatisches sein, offenbart aber doch die inneren Verwerfungen, die sich beim Wechsel von der Kaufsoftware zur Mietsoftware aus der Wolke auftun. Und auch die Kunden werden allmählich unruhig. „Wir schulden dem Markt eine Roadmap“ in die Cloud, gestand jetzt der neue Technologievorstand Bernd Leukert, der immerhin einen Richtungswechsel deutlich verkündete: Anders als unter Vishal Sikka wird nicht das Geschäft mit der In-Memory-Datenbank Hana oberste Priorität haben, sondern der Schwenk in die Cloud. Nur wie und auf der Basis welcher Kern-Software – das steht in den Sternen.
Dass Hana nicht mehr unbedingt der alleinige Darling ist, könnte auch durch eine Untersuchung der amerikanischen User Group ASUG unter SAP-Anwendern befördert werden, nach der doch ein großer Teil der – zumindest amerikanischen – Anwender noch keine rechte Strategie für den Hana-Einsatz sieht. Im Wesentlichen wird Hana der Umfrage zufolge zur Befeuerung und Beschleunigung der Business-Intelligence-Funktionen – also als Data Warehouse – eingesetzt, als Plattform für die Business Suite allerdings nur vereinzelt.
Dass Hana nicht mehr Priorität Nummer Eins zu sein scheint, könnte auch eine Folge davon sein, dass Anwender in Sachen Datenbank ihren „alten“ Lieferanten Oracle oder Microsoft die Treue halten. Und SAP unternimmt offensichtlich auch keine Schritte, ihre Kunden in diese Richtung zu drängen. Umgekehrt sieht Bill McDermott gerade in Hana die Plattform, deren Beschleunigungspotenzial für alle SAP-Suiten gerade das performance-kritische Cloud-Geschäft beflügeln werde. Das gilt übrigens „noch immer“ auch für Business by Design, wie ihm während einer Pressekonferenz herausrutschte.
Doch für Bernd Leukert steht offensichtlich die Tatsache außer Frage, dass Cloud Computing das Modell der Zukunft ist – auch und gerade im Mittelstand. Deshalb ist es doch überraschend, dass SAP mit einer klaren Cloud-Roadmap, die sowohl Migrationspfade für die Bestandskunden, als auch Einstiegspfade für Neukunden aufweist, nur so zögerlich rüberkommt. Zwar gibt es einzelne Maßnahmen, wie etwa die Hereinnahme der bei SuccessFactors eingekauften HR-Lösung aus der Cloud in die Business Suite. Aber das ganz große Bild, wie Kunden nun die Stairways to Heaven erklimmen sollen, fehlt.
Eins dürfte dabei klar sein: Kein Anwender, der Millionen in die eigene globale IT-Infrastruktur investiert hat, wird Knall auf Fall in die Cloud wechseln. Er muss nicht nur seine individuellen Anpassungen in die potentiell neue Architektur retten. Er muss sich angesichts der rechtlichen Unsicherheiten auch über die Frage Klarheit verschaffen, ob Softwareanbieter wie SAP die starken Partner sein können, die die Daten vor dem Zugriff Dritter schützen können. Das ist, wie wir aus den Enthüllungen der letzten Monate und dem Datenurteil über Microsoft wissen, längst keine rein technische Frage mehr.
Die Lösung wird in der hybriden Architektur liegen, die wesentliche Teile – also sowohl die kritischen als auch die individualisierten Funktionen und Daten – auf dem Firmengelände belässt, während andere Anwendungen fallbezogen aus der Cloud ergänzt werden. Das wäre auch deshalb für SAP der Königsweg, weil sich so die Aussicht auf einen weiter stetig fließenden Wartungsumsatz erhalten ließ. Und es wäre eine ideale Umgebung für Partnerlösungen, nach denen besonders der Mittelstand ruft. Sie sehen über die Cloud verfügbare Branchenlösungen auf der Basis einer verlässlichen Technologie-Plattform als Stairways to Heaven.
Aber es sind ja nicht die Blogger, die die Roadmap in die Wolke für die SAP schreiben. Das ist schon Bernd Leukert und seiner Truppe überlassen. Nur liefern sollte er.