Schärfer konnten die Gegensätze nicht sein:
Einerseits: „Der Kern der wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit“ liegt darin, warnt Jaron Lanier, „dass Computer so tun, als wäre Statistik eine adäquate Beschreibung der Realität.“ Der Internet-Aktivist forderte in seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels einen technologischen Neuansatz, der nicht nur die Leistung und Effektivität, sondern vor allem auch die Würde der Anwender stärkt. Das aber sei in der Welt der „Algorithmen und Cloud-Connectivity“ derzeit nicht gegeben…
Andererseits: Nahezu zeitgleich und eine Viertel Erddrehung weiter westlich verkündete die Gartner Group in ihrem jährlichen Hochamt, dem Gartner Symposium IT/Expo im floridanischen Orlando, jene zehn Trends der Informationstechnik, die die Welt im Jahr 2015 verändern werden. Und tatsächlich haben diese zehn Angebote, richtig falsch angewendet, jedes für sich das Potenzial für einen Angriff auf die Würde des Menschen. Der Mensch als Trend-User soll, laut Gartner, vor allem investieren und dann funktionieren.
Und das sind die „zehn Angebote“:
Computing Everywhere: Smartphones und mobile Geräte sind Teil der erweiterten IT-Infrastruktur und verbinden die private Umgebung und den Arbeitsplatz mit dem öffentlichen Raum. Damit aber verliert das IT-Management zugleich die Kontrolle über das Gesamtsystem.
Internet of Things: Wenn nicht nur Maschinen und Waren, sondern auch Dienstleistungen, Personen, Orte oder Systeme digitalisiert werden, entstehen neue Geschäftsmodelle für Unternehmen.
3D-Druck: Verbesserte Designs, beschleunigte Produktentwicklung und verkürzte Fertigungsprozesse werden das Ergebnis eines weitergehenden Einsatzes von 3D-Druckern sein, die sowohl im industriellen Umfeld als auch in der Medizin und im privaten Verbrauch genutzt werden.
Unsichtbare Analytik: Jede App wird zugleich auch ein Analysewerkzeug, weil die Digitalisierung der Dinge und Prozesse eine Datenflut erzeugt, die der Auswertung bedarf – filtern, kumulieren, extrahieren und bereitstellen.
Kontextsensitive Maschinen: Die allgemeine Verfügbarkeit von analytischen Informationen führt dazu, dass mobile Endgeräte und Maschinen immer individueller auf den situativen Kontext reagieren und zum Beispiel nur die in einer gegebenen Situation relevanten Informationen beisteuern.
Smarte Maschinen: Wenn Maschinen auf ihren Kontext reagieren können, können sie – wie zum Beispiel autonome Fahrsysteme oder Roboter – selbständig agieren.
Cloud/Client-Computing: Das Zusammenwachsen von Cloud- und mobilem Computing führt zu zentral gesteuerten, individuell genutzten Services. Die Infrastruktur kann elastisch auf Veränderungen in der Nachfrage reagieren.
Dynamische Software-Modelle: Agile Programmiertechniken sind entscheidend, um bei sich ständig änderndem Nutzerverhalten und Anwendungen und Infrastrukturen anzupassen.
„Web-Scale“ IT: Das Web ist die Infrastruktur der Wahl auch für global agierende Unternehmen, die sich selbst firmeninterne, aber ubiquitär nutzbare Cloud-Strukturen etablieren.
Risiko-bewusste Sicherheit: Alles in der digitalen Zukunft wird durch Sicherheit definiert. Wie sicher aber sicher ist, bleibt letztlich jeder Organisation und jedem Individuum selbst überlassen. Ein neuer methodischer Ansatz, der Sicherheit, die „gut genug ist“ abwägt, ist deshalb gefordert.
Gartner glaubt, dass diese Trends die Welt im Innersten zusammenhalten.
Doch das „digitale Dunkel“, so Jaron Lanier, droht ebenso.
Ich schlage vor, wir warten erst mal ab – und hoffen auf mehr Details.