Wo waren Sie, als die IBM /360-Architektur angekündigt wurde? Oder: Was machten Sie mit Ihrem ersten PC? Oder mit Ihrem ersten Smartphone? Tablet? Welches Wort googelten Sie als erstes?
Die im Allgemeinen geschichtsvergessene Welt der Informationstechnologie kann nur wenige lokalisierbare Wendepunkte identifizieren. Am Tag zum Beispiel, nachdem Steve Jobs das iPad präsentierte, war nicht alles anders. Die Financial Times witzelte noch, das Ding sei zu groß zum Telefonieren und zu klein zum Computern. Und doch hätte dieser Moment vor fünf Jahren – der 27. Januar 2010 – das Zeug zu einem „Watershed-Moment“, von dem an die Wasser in eine andere Richtung fließen – und die Geldströme auch.
Denn vielleicht werden wir einmal diesen 27. Januar vor fünf Jahren auch als Geburtsstunde des Cloud Computings ansehen, weil damals das erste mobile Endgerät präsentiert wurde, das vollends abhängig von den Angeboten aus der Cloud ist – mehr noch als das iPhone als Urtyp der Smartphone-Familie. Und auf jeden Fall wäre dieses Datum griffiger als die Veröffentlichung jenes Diagramms, in der erstmals eine Wolke als Symbol für ein nicht näher definiertes Netzwerk verwendet wurde.
Es ist also ganz typisch für die Cloud, dass auch ihre Anfänge eher im Diffusen liegen, im Nebel der Vergangenheit abgetaucht, sozusagen. Und ebenso lässt sich an der Schwelle vom alten zum neuen Jahr kein Ereignis rückblickend oder vorausschauend ausmachen, das nun den endgültigen und von vielen kontinuierlich als unmittelbar bevorstehend geweissagten Durchbruch des Cloud Computings markieren könnte. 2014 war keineswegs das Jahr, in dem alle in die Wolke gingen. Und 2015 wird es ebenso wenig sein. Aber in den kommenden zwölf Monaten wird sich ein Prozess fortsetzen, der schon die vergangenen zwölf Monate gekennzeichnet hatte: die schleichende Veränderung der privatwirtschaftlichen und öffentlichen Infrastrukturen vom On-Premise zum On-Demand. Wir befinden uns inmitten eines informationstechnischen Klimawandels.
Deutlich macht dies die aktuelle KPMG-Umfrage zur Umsetzung des Cloud Computings in 800 globalen Unternehmen – und vor allem der Vergleich mit den Ergebnissen aus dem Jahr 2012. Damals wie heute erkannte knapp die Hälfte der Befragten in Kosteneinsparungen den wichtigsten Effekt unter der Wolke. Doch während vor zwei Jahren kaum ein anderes Argument vorgebracht wurde, werden heute qualitative Zielsetzungen wie „Einbindung von mobilen Endgeräten“, „Bessere Einbeziehung von Kunden und Lieferanten“, „Generierung von Einsichten aus Daten“ oder „Schnellere Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle“ angeführt.
Da ist es faszinierend, dass die Ergebnisse, die das Jahr 2014 in der Rückschau brachte, nicht deckungsgleich sind, mit den gesetzten Erwartungen. 70 Prozent der Befragten erfuhren tatsächlich, dass sich durch Cloud Computing die Kosten senken lassen. Aber 73 Prozent erkannten, dass sich die Effektivität der Organisation gesteigert hatte. Und 72 Prozent stellten eine deutlich verbesserte Kundenorientierung fest.
Und in der Tat: Cloud ist als Technologie kein Durchbruch, ihre Nutzungsmotive aber sind es. Das wird an der Schwelle zum neuen Jahr deutlich. Denn während sich die Analysten mit ihren Trends für 2015 geradezu gebetsmühlenartig einig sind in der Wiederholung der ganz großen Trends – Analytics (of Big Data), Mobile und Social Networking -, so sicher ist auch, dass diesen Trends ohne die Cloud keine Zukunft gewiss wäre.
Ihre erste Manifestation erleben wir schon im Januar, wenn auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas die ersten Gadgets gefeiert werden. Was immer wir dort an Neuem aus der Welt der 3D-Drucker, der Wearables, der Mess- und Steuergeräte oder der Drohnen und teilautonomen Fahrzeuge und Roboter sehen werden, wird erst durchs Cloud Computing so richtig zum Leben erweckt. Das gilt 2015 ebenso wie schon 2014 und 2013. Mit jedem „Ding“, das ans Internet of Things angeschlossen wird, wächst die Cloud. Wir merken es nur nicht.