Build Dir Deine Meinung

Es hat schon etwas vom absurden Theater:  Auf dem Höhepunkt der Build-Entwicklerkonferenz, die Microsoft letzte Woche in San Francisco abhielt, schlug die Nachricht ein wie eine Bombe. Salesforce.com, mit 16 Prozent Anteil größter Anbieter im Markt mit Software für das Customer Relationship Management, kündigte an, dass ein interessantes Übernahmeangebot eingetroffen sei, das nun mit Hilfe von Banken und Beratern geprüft werde. Es war ein Querschuss aus der direkten Nachbarschaft: Das Salesforce-Hauptquartier und Microsofts Tagungszentrum trennen nur wenige Meter Luftlinie.

Mehr wurde nicht angekündigt. Aber plötzlich legten die Kommentatoren und Analysten auf der Build ihre HoloLens weg, vergaßen die Werbebotschaften rund um Apps für Windows 10 und blickten stattdessen in die Kristallkugel: Wer mag der Käufer sein, der kolportierte 40 Milliarden Dollar hinblättern will für eines der am stärksten wachsenden Unternehmen im Softwaremarkt. Es traten die bewährten Verdächtigen auf: IBM, Microsoft, SAP, Oracle und vielleicht sogar Google.

Denn klar ist, dass wer im 20-Milliarden-Dollar-Markt der Vertriebssoftware die Nummer eins sein will, muss Salesforce (zumindest teilweise) wegkaufen. Und klar ist auch, dass Salesforce es verstanden hat, aus seinem Lösungsangebot eine Cloud-Platform zu machen, auf der Entwickler und Anwender Anreize erhalten, eigene Apps zur Anreicherung der CRM-Suite zu schreiben. Und klar ist auch, dass Salesforce ein Lösungsportfolio anbietet, das vom Desktop über das Tablet bis zum Smartphone reicht.

Alles das sind Leistungsversprechen, die Microsofts CEO Satya Nadella jetzt auf der Build mit Windows 10 erst in Aussicht gestellt hat. Seine Message war einfach – wenn auch nicht so schweißtreibend wie seinerzeit bei Steve Ballmer: Wir brauchen Entwickler, die uns mit wertigen, überzeugenden Apps ausstatten. Dafür liefert Microsoft endlich, endlich ein Konvertierungstool,  mit dem iOS- oder Android-Apps auf Windows 10 portiert werden können. Und ist man erst einmal da, steht die ganze Hardware-Welt offen. Vom Desktop bis zur Xbox.

Da will man es fast nicht glauben, dass ausgerechnet Microsoft der Mystery-Käufer sein sollte, der nebenan bei Salesforce ein Angebot vorgelegt hat. Satya Nadella ist gut beraten, wenn sein Wahlspruch „Cloud First, Microsoft First“ auch bedeutet: erst mal Microsofts eigene Probleme lösen, ehe man sich einen solchen Integrationsbrocken ans Bein bindet.

Auch SAP hat bereits abgewinkt. Zwar gab es schon Gespräche zwischen den beiden Unternehmen, zwar ließ Marc Benioff lange Zeit keine Gelegenheit aus, die Überlegenheit von Salesforce gegenüber der SAP-Architektur zu betonen. Aber deshalb jetzt ein weiteres Milliarden-Abenteuer eingehen?

Oder IBM. Die Company setzt gerade alles auf Watson und arbeitet an ihrer eigenen Reorganisation. Der Kauf von Salesforce wäre eine Verzweiflungstat. Und nur, weil man das Geld hat, klingt das nicht wirklich plausibel.

Bleibt Oracle, um die es in den vergangenen Monaten verdächtig ruhig geworden ist. Der Weggang Marc Benioffs aus dem direkten Umfeld von Firmenchef Larry Ellison könnte eine schwärende Wunde hinterlassen haben, die mit einem Wahnsinnskauf geheilt werden könnte. Und in der Tat würde Salesforce und die erschütternd gut gelaunte Führungscrew zur Oracle-Kultur passen.

Fest steht, dass Benioff Nadella die Show gestohlen hat. Ob das mehr war als ein Feuerwerk am Himmel über San Francisco werden uns die Banken und Berater erzählen. Fassen wir uns in Geduld – und: Builden wir unsere Meinung.

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