Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Am Pfingstwochenende überschlugen sich die Gerüchte um den angestrebten Verkauf von Salesforce.com. Kaum war Microsoft aus der Rolle des Mystery-Shoppers in die des offiziellen Verhandlungspartners gewechselt, da waren die Gespräche auch schon wieder vorbei – vorerst. Wegen läppischer 15 Milliarden Dollar Unterschied in der Preisvorstellung. Denn während Microsoft bei einem Angebot von 55 Milliarden Dollar immerhin einen Aufschlag von zehn Prozent auf den aktuellen Börsenwert zu geben bereit war, schwebte Salesforce-Boss Marc Benioff wohl eine Verzehnfachung des für dieses Jahr prognostizierten Umsatzwertes von sieben Milliarden Dollar – also 70 Milliarden Dollar – als Kaufpreis vor.
Microsofts CEO Satya Nadella muss da aber doch die Erleuchtung überkommen haben, dass dieser Preis nur von jemandem gefordert werden konnte, der entweder überhaupt gar nicht verkaufen will. Oder die bankengestützte Käufersuche hätte doch einen Preis in dieser Größenordnung für wahrscheinlich klingen lassen – das wären dann wieder die üblichen Verdächtigen: Oracle, IBM, SAP. Auch wenn SAPs CEO Bill MacDermott für seine Company längst abgelehnt hat, halten sich auch hier die Gerüchte. Immerhin sieht sich Salesforce mit seiner CRM-Lösung aus der Cloud den SAP-Angeboten weit überlegen. Aber ob der Unterschied gleich 55 oder gar 70 Milliarden Dollar ausmacht? So heiß wird noch nicht einmal in der Gerüchteküche gekocht.
Dafür aber werden Gerüchte, Gerede und Geraune in zahlreichen Töpfchen warm gehalten. Etwa durch die Gartner Group, die in diesem Tagen ihre neueste Vier-Quadranten-Darstellung zum Spezialangebot Infrastructure-as-a-Service verbreitet. Danach ist unverändert Amazons Web Service (AWS) die Nummer 1 im IaaS-Feld. Und zwar mit einem weitest denkbaren Abstand: Der AWS-Umsatz, so rechnet Gartner vor, sei zehnmal so hoch wie der der 14 nächsten Verfolger. Im letzten Jahr war Amazon „nur“ fünfmal so groß. Lediglich Microsoft kann sich neben Amazon halbwegs im oberen rechten Quadranten behaupten. IBM, HP und andere rangieren dagegen unter „ferner liefen“.
Das sieht so aus, als wäre das Rennen um die IaaS-Cloud schon entschieden. Und die SaaS-Cloud sollte möglicherweise mit dem Kauf von Salesforce als Spezialisten für Software-as-a-Service entschieden oder zumindest noch einmal deutlich durchgeschüttelt werden. Aber würde diesen „Also-Runnern“ ein Salesforce-Kauf nutzen? Wohl kaum.
Zudem schafft die Cloud merkwürdige Bettgesellen, glaubt man einem Gerücht, das wiederum die Computerwoche ausposaunte (ohne ihre Quelle offenzulegen): Demnach ist Amazon Microsofts größter SPLA-Kunde. Stützt also Amazon sein Wachstum in der Cloud auf das Service Provider Licence Agreement mit Microsoft? – Sachen gibt’s!
Das offenbart eine völlig neue Form der Coopetition in der Cloud. Im Wettbewerb zueinander Services aus der Cloud anbieten, aber gemeinsam Service-Rechenzentren nutzen. Man muss noch nicht einmal gemeinsam planen, bauen oder den Betrieb übernehmen. Einfach Cloud-Space beim Konkurrenten mieten und weitervermarkten. Das Geschäftsmodell empfiehlt sich für eine Kurzfrist-Strategie, wenn zusätzlicher Umsatz aus Mangel an eigenen Ressourcen nicht realisiert werden kann. Klingt aber auch wie eine Langzeit-Strategie: Wer hat eigentlich wen in der Hand – der größte Kunde den Anbieter oder umgekehrt. In jedem Fall gilt: Genug Dampf im Kessel für das nächste Gerücht.
Microsoft jedenfalls ist nicht notwendigerweise aus dem Bieterrennen um Salesforce raus. Man zieht sich höchstens für eine Weile zurück, um die Preisvorstellungen etwas zu dämpfen, – und spielt zwischenzeitlich mit dem Gedanken, den kränkelnden Smartphone-Anbieter Blackberry zu erwerben. Gerüchten zufolge steht ein Angebot über sieben Milliarden Dollar im Raum. Das könnte durchaus in Microsofts „Cloud first, Mobile first“-Strategie passen. Und 55 Milliarden Dollar für Salesforce säßen dann vielleicht immer noch drin. Aber keine 70 Milliarden – besagt zumindest das jüngste Gerücht.