Jeden Tag kann man in einem Beitrag zum Wirtschaftsgeschehen lesen, dass Stillstand Rückstand bedeutet. Wer mit seiner Organisation nicht voranschreitet, wer nicht heute besser ist als gestern, der fällt zurück. Das ist unser Wirtschaftsmantra vom stetigen Wachstum, Besserwerden, Überholen.
Stillstand gilt es zu vermeiden. Doch es ist erstaunlich wie viel Aufmerksamkeit wir dem drohenden Stillstand einer Organisation widmen, und wie wenig dem jederzeit möglichen Stillstand unseres ultimativen Wachstumsmotors – unserem eigenen Herzen. Mir musste dies erst klarwerden, als ich mit Herzstillstand am Gepäckband im Flughafen Toronto zusammenbrach. Gottseidank direkt unter einem an der Wand befestigten öffentlichen Defibrillator. Und Gottseidank in Gegenwart einer sehr kundigen Stewardess, namens Miranda, die wusste, wie man das Ding einsetzt.
Man könnte natürlich – humoristisch wie Kölner nun mal sind – daraus die Lehre ziehen: „Überleg dir gut, wo du dir deinen Herzstillstand gönnst“.
Ich habe daraus die Konsequenz gezogen, in meinem Umfeld alles zu tun, dass der nächste Defibrillator nur wenige Schritte entfernt ist: in allen drei Stockwerken der Firmenzentrale der GUS Group in Köln hängen seit einer Woche Defibrillatoren. In unserer Niederlassung in Hamburg ist ebenfalls so ein gelber Lebensretter installiert. Für jeden „Defi“ sind im Hause Ersthelfer und „kundige Personen“ geschult, die sofort richtig und zielorientiert handeln können, sollte einem meiner Mitarbeiter mein Schicksal widerfahren.
Nach Schätzungen sterben hierzulande jedes Jahr rund 100.000 Menschen den plötzlichen Herztod. Für sie kam schon nach wenigen Minuten jede Hilfe zu spät. Dabei sind es nicht nur ältere Menschen, bei denen „die Pumpe“ plötzlich aussetzt. Gerade junge Menschen sterben, weil bei einer Rhythmusstörung, einem kleinen Infarkt das Herz nicht wieder anspringt. Bei Alten, so sagen Ärzte, hat das Herz durchaus eine gewisse Routine zum Selbststart.
Nur 14 von 100 Reanimationsversuche in Deutschland werden von Laien praktiziert. Die klassische Entscheidung ist, lieber Warten bis der Arzt kommt. Doch schnelle Hilfe hilft doppelt. Deshalb sind öffentliche Defibrillatoren heute mit einer Selbsthilfe-Unterstützung ausgestattet, deren Erklärungskomponenten auch in Stresssituationen klar und verständlich die Schritte der Wiederbelebung vorgeben. Lieber einmal richtig trauen als das ganze Leben Schuldkomplexe haben.
Wie viele Defibrillatoren es in Deutschland tatsächlich gibt, weiß niemand genau. Wie viele davon öffentlich zugänglich sind, versucht derzeit eine App zu ermitteln, die vom Verein Definetz entwickelt wurde. Sie zeigt anhand des Smartphone-Standortes, wo der nächste öffentlich verfügbare Defibrillator zu finden ist. Derzeit sind 24.000 Standorte erfasst. Hier der Link zu iTunes.
Jeder kann dazu beitragen, dass solche Initiativen ein Erfolg werden. Der beste Weg ist, in seinem eigenen Wirkungsbereich dafür zu sorgen, dass ein (öffentlicher) Defibrillator zur Verfügung steht. Sollte sich das Gerät in einem abgeschlossenen Büroraum befinden, kann man immerhin andere Unternehmen in der Hausgemeinschaft informieren.
In einer immer stärker vernetzten Welt, ist es eine Schande, wenn man nicht weiß oder wissen kann, wo die nächste Hilfe erreicht werden kann. Wir wollen nicht nur den nächsten Starbucks um die Ecke finden, um unserem Herzen mit einem guten Kaffee aufzuhelfen. Wir wollen auch wissen, wo der nächste Defibrillator hängt – und wie man ihn benutzt. Lasst uns gemeinsam das Netz so eng wie möglich knüpfen.