ERP: Dirigent für Industrie 4.0

Industrie 4.0 ist eine Herausforderung für Politik und Wirtschaft. Auf der politischen Seite müssen die Anstrengungen verstärkt werden, eine flächendeckende Versorgung mit schnellen und sicheren Internetverbindungen bereitzustellen. Denn die Milliarden Akteure im Fertigungsprozess – wenige Menschen, aber viele Maschinen – müssen jederzeit Nachricht geben können über ihren Status und neue Nachrichten über die nächsten Schritte empfangen. Das geht nur, wenn das Netz zwischen diesen Akteuren schnell und sicher funktioniert.

Die Unternehmen aber müssen ebenfalls ihre Infrastruktur aufbohren – sie muss nicht nur schnell und sicher sein, um das immense Aufkommen an Daten zu verkraften. Sie muss auch die Voraussetzung dafür liefern, dass die Daten analysiert und zusammengefast werden können. Dabei ist in den meisten Unternehmen die Grundvoraussetzung für diese Infrastruktur schon gegeben. Es ist das ERP-System, das als Rückgrat in der Lieferkette nicht nur die eigenen Firmengrenzen überwindet und Lieferanten und Kunden mit einbezieht. Es soll als Dirigent Menschen, Maschinen, Waren und Werte orchestrieren.

So jedenfalls sieht es der Arbeitskreis ERP-Systeme im Bitkom, der von Dirk Bingler, dem Geschäftsführer der Kölner GUS Deutschland, sowie von Dr. Karsten Sontow, Vorstand des ERP-Analysten Trovarit, und Sven Frenzel von Sycor geleitet wird. Denn Enterprise Resource Planning wird künftig sowohl das Internet der Dinge, als auch die selbststeuernde Produktion und die auf der Fertigungsebene angesiedelten Manufacturing Execution Systeme miteinander verbinden müssen.

Die ERP-Experten sehen Enterprise Resource Planning als Integrationshub, als Brücke zwischen den Welten, deren Bausteine wiederum die Daten sind. ERP-Systeme filtern, klassifizieren und geben Daten an die entsprechenden Systeme weiter. Weiterhin liefern sie zusätzliche (semantische) Informationen, um Daten richtig interpretieren zu können. Als verbindendes Element wird eine neue Logistik der Daten benötigt, um alle Ressourcen wie Maschinen, Werkzeuge, Personal, Arbeitspläne, Parameter, Hilfsmittel, Prüfpläne rechtzeitig verfügbar zu machen und optimal auszulasten.

Und hier kommt die Infrastruktur des Webs ins Spiel: Denn schließlich spielt der kontinuierliche Datenfluss bei Industrie-4.0-Szenarien eine wichtige Rolle und erfordert eine Vernetzung über die Cloud z.B. durch IoT-Plattformen. Diese für den Datenaustausch im Internet of Things spezialisierten Plattformen sind eine zwingende Voraussetzung für die neue Rolle der ERP-Systeme als Integrationshub. Zur Zeit ist abzusehen, dass sowohl in den USA, wo Industrie 4.0 als „Industrial Web“ gehandelt wird, als auch hierzulande die dafür notwendigen Standards entwickelt und einander angeglichen werden.

Hinzu kommt: die durch Industrie 4.0 vernetzten Systeme sind nicht länger nur stationär zu sehen wie feststehende Maschinen. Sie nutzen vielmehr die Einsatzmöglichkeiten des mobilen Internets. So kann zum Beispiel durch Geo-Fencing mittels GPS sichergestellt werden, dass das richtige Werkstück oder das richtige Werkzeug am richtigen Arbeitsplatz im Einsatz ist. Gleichzeitig werden auch die Mitarbeiter in der Fertigungshalle mobiler. Sie betreuen nicht mehr notwendigerweise eine Maschine oder eine Linie, sondern wandern im Fertigungsprozess mit, so dass auch sie mit mobil verfügbaren Daten ausgestattet werden müssen.

Nur wenige ERP-Systeme sind freilich heute schon auf die zukünftigen Aufgaben ausgerichtet. Deshalb sind nicht nur Anwender, sondern auch Anbieter gefordert. Sie müssen in einen ERP-Dirigenten investieren, der aus MES (Manufacturing Execution) MIS, also Manufacturing Information, macht. Das wären dann quasi die Noten, die das Fertigungsorchester im Gleichtakt erklingen lässt.

 

 

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