161121-itg

Anne Will: Angela Auch

Es ist, als wäre der diesjährige IT-Gipfel so etwas wie der Bundestagswahlkampf im Kleinen gewesen. Sogar im ganz besonders Kleinen: im Saarland nämlich, wo die Ministerpräsidentin Annegret Kramm-Karrenbauer dafür ausgezeichnet wurde, dass in ihrem Bundesland ein MINT-frischer Atem durch die Schulen weht. MINT – dies sei für alle bildungsfernen Leser erklärt – fasst die Bildungsbereiche zusammen, die angeblich für unser Land so zukunftsversprechend sind: also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. – Als wenn Wirtschaftswissenschaften, Ethik, Geschichte, Sprachen und Soziologie nicht ebenso wichtig wären für eine Gesellschaft, die auf gemeinsame Werte setzt statt auf gemeine Worte.

Nun ist dies ja kein allgemeinpolitischer Blog, sondern ein Meinungsbeitrag zur Informationswirtschaft. Und die hatte vergangene Woche mit dem Gipfeltreffen aus Digitalpolitik und IT-Wirtschaft ihr alljährliches Hochamt – zum zehnten Mal innerhalb von elf Jahren. Einmal, 2013, fiel der Gipfel, wenn man so will, ins Wasser, weil die Bundestagswahl eine komplizierte Gemengelage hinterlassen hatte und die Koalitionäre mit sich selbst beschäftigt waren statt mit der Digitalen Agenda. 2017 soll dies nicht so sein, kündigte die Bundeskanzlerin an – denn schon im Juni werde man sich bei den dann zum Digitalgipfel umgetauften „Plattform-Gesprächen“ um das Thema eHealth kümmern.

Wer es hören wollte, konnte da schon wahrnehmen, was die Kanzlerin schließlich am Sonntag um 19 Uhr vor der Bundespressekonferenz und dann ab 21:45 Uhr bei Anne Will verkündete: Sie tritt noch einmal an. Und irgendwie hegt kaum jemand Zweifel, dass es ein „Merkel 4.0“ auch tatsächlich geben wird.

Sie wäre die Kanzlerin des langen Atems, die nicht nur die Finanz-, Euro und Schuldenkrise weggeatmet hat und nun die Wertekrise der westlichen Welt beatmen soll. Sie will auch ein Lebenswerk als Digitalkanzlerin vollenden und die Deutschen in die Gigabitgesellschaft führen. Begonnen hat sie damit in Saarbrücken, wo das Thema Bildung in Schule und Beruf im Mittelpunkt stand. Angefangen beim mit fünf Milliarden Euro ausgestatteten Digitalpakt bis zum angekündigten Weißbuch zur Arbeitswelt 4.0 sollen die Deutschen auf lebenslanges Lernen ausgerichtet werden. Bildung soll digitaler werden und vor allem individueller.

Und nun also das Gesundheitswesen. Die Einführung der digitalen Patientenkarte, an der bis heute kaum etwas wirklich digital ist, sei ein Beispiel dafür, wie Digitalprojekte nicht laufen sollen, sagte Angela Merkel. Das dürfte durchaus selbstkritisch gemeint sein, denn als Kanzlerin hat sie elf Jahre der 15jährigen Leidensgeschichte der Gesundheitskarte mit verantwortet. Es sei das Vertrackte mit der Digitalisierung, dass sie eben auch mehr Transparenz schaffe, die nicht jeder wolle, erklärte die Kanzlerin die Hemmnisse.

Aber so vertrackt wird es weiter gehen: der Digitale Wandel unserer Gesellschaft wird zu mehr Transparenz, zu mehr Einsicht durch Durchsicht auf allen Ebenen, in allen Branchen und Lebensbereichen führen. Deshalb müsse man auch den Grundsatz der Datensparsamkeit überdenken. Denn allzu viel Datenschutz behindere das „Big Data Management“, wie die Kanzlerin es nannte.

Nie war ein IT-Gipfel so politisch wie dieser. Die Bundesregierung war so zahlreich vertreten, dass das Kabinett in Saarbrücken beschlussfähig gewesen wäre. Aber Beschlüsse wurden nicht gefasst – dazu ist der IT-Gipfel auch nicht da. Er ist ein großer Abstimmungsmarathon zwischen Wirtschaft und Politik. Er ist so etwas wie der Herbst-Anker zur Frühjahrs-CeBIT, ein Leistungsnachweis beim Abarbeiten der Digitalen Agenda. Und die ist lang genug. Beim Umgang mit dem Digitalen Wandel steht Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel. Dafür sind alle Anstrengungen gerade gut genug. Ein auf den Weg gebrachtes „Deutschland 4.0“ wäre der krönende Abschluss einer dann 16jährigen Kanzlerkarriere.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert