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Der deutsche Handwerker und die Cloud

Wer nur einen Hammer zur Hand hat, für den, so sagt man, sieht alles nach einem Nagel aus. Und da sich Wolken bekanntlich nicht festnageln lassen, sucht der Handwerker sein Glück auf sicherem, wenn nicht sogar goldenem Boden. Von dort, so unterstellte jetzt das Fachmagazin IT-Business, betrachtet er die Cloud mit jenem Argwohn, der sogar noch das Misstrauen des buchstäblichen Mittelständlers in den (wolkenverhangenen) Schatten stellt.

Mit der Aussage, dass ein deutscher Handwerker nie Verständnis dafür haben wird, dass er sein tägliches Arbeitswerkzeug mieten soll, musste sich jetzt Microsofts neuer Channel-Chef auseinander setzen. Gregor Bieler verantwortet als General Manager das Mittelstands- und Partnergeschäft, das künftig vor allem durch Cloud-Services beflügelt werden soll. Dabei sollen vor allem die Partner – die IT-Reseller, Distributoren, System- und Softwarehäuser – den Kunden die Vorzüge der Dienste aus der Wolke schmackhaft machen.

Dabei sollen zum Beispiel Argumente wie höhere Sicherheitsmaßstäbe helfen, die für Anwendungen und Daten in der Cloud gegenüber einem mäßig geschützten Handwerks-Server gegeben sind. Auch die verbesserte Liquiditätslage, die sich bei Software-Miete gegenüber dem Kauf einstellen könnte, dient als Argument. Aber überzeugt das einen Handwerker?

Wenn man heute Handwerkern über die Schulter schaut, dann sieht man schon jede Menge Cloud-Anwendungen, die die Arbeit erleichtern. Das beginnt beim Smartphone selbst, mit dem nicht nur schnell mal Fotos von der Baustelle gemacht, Touren für den Bautrupp am nächsten Morgen geplant oder kurzerhand mit Hilfe einer smarten App Aufmaße genommen werden. Fast schon legendär ist die Wasserwaage, die jedes Smartphone bereithält.

Aber das ist längst nicht alles: Handwerker werben heute damit, dass sie auch Fachhändler sind und Baustoffe oder Sanitäranlagen online anbieten. Sie vereinbaren Termine über das Internet und koordinieren Gewerke mit Web-Kalendern. Sie sind längst in der Cloud und nutzen die Services, die ihnen nützen.

Davon aber gibt es noch nicht allzu viele – wohl auch, weil es so bequem ist, dem Handwerker Rückständigkeit und Abstinenz gegenüber modernen Technologien zu unterstellen. Aber die Zeiten sind vorbei, in denen dem Handwerk ein neues Windows-Update aufgeschwatzt werden kann. Das nächste Update kommt längst aus dem Web – von alleine und über Nacht. Wer heute mit dem Handwerk und dem deutschen Mittelstand Geschäfte machen will, muss sich zuerst einmal bemühen, die Geschäfte im Handwerk und Mittelstand zu verstehen. Das ist mühsam – aber für IT-Reseller gibt es keine Alternative.

Daran lässt Channel-Chef Bieler keinen Zweifel. Es seien „tektonische Veränderungen“ in der Art und Weise, wie Software und Services verkauft werden. „Jeder, der sich heute diesem Trend verwehrt, wird es schwieriger haben in der Zukunft“, warnt Bieler. „Es geht dann tatsächlich um IT-Beratung – IT-Lösungsberatung und IT-Wissens­beratung –, und diesen Trend, den muss man akzeptieren.“

Das Handwerk ist alles andere als beratungsresistent. Es wird nur zum größten Teil von den IT-Beratern gar nicht erreicht. Gregor Bieler schätzt, dass bislang lediglich 20 Prozent der mittelständischen Unternehmen wirklich IT-strategisch beraten werden. Denn bei vier von fünf Unternehmen wendet sich der klassische IT-Händler an den IT-Verantwortlichen im Hause. Künftig aber ist der Geschäftsführer, der Inhaber der wichtigste Gesprächspartner. Seine Ziele, seine Herausforderungen und seine Strategien gilt es zu verstehen und zu unterstützen. Dabei ist unter dem Stichwort „Digitale Transformation“ beliebig viel Beratungsbedarf vorhanden. Es bedarf aber der Kompetenz auf der Anbieterseite, diesen Bedarf auch zu decken.

Die Digitale Transformation ändert alles – sogar das Geschäftsmodell, an dem altgewordene IT-Händler und Software-Unternehmer festhalten wollen. Sie sind die wahren Bremser auf dem Weg in die Cloud – nicht ihre Kunden.

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