Hannover ist jetzt nicht unbedingt als das Zentrum bekannt, wo der Bär steppt – aber dieses Jahr dürfte die CeBIT zu einem der spannendsten Events an der Leine werden. Dazu trägt vielleicht weniger die etablierte IT-Wirtschaft bei als vielmehr CeBIT-Fremdlinge wie zum Beispiel die Automobilindustrie. Deren CIOs treffen sich bereits zum neunten Mal auf der automotiveIT. Der Kongress zur CeBIT hat durchaus Krisencharakter, denn die Herausforderungen, vor die der digitale Wandel gerade die Automotive-Industrie stellt, sind gewaltig: Elektromobilität, neue Mobilitätsdienstleistungen, autonomes Fahren, Industrie 4.0.
Das zeigt sich auch bei den Ausstellern: Nach der CES in Las Vegas, der Mobile World in Barcelona und dem Genfer Autosalon sind die Autobauer jetzt auch als Aussteller in Niedersachsens Hauptstadt aufgefahren. Nissan zum Beispiel hat sich von der IAA in Frankfurt vorerst abgewandt, dem Mekka der blanken Karossen, um seine Innovationen auf der CeBIT zu präsentieren. „Seamless Autonomous Mobility“ ist die aus einzelnen „Mobilitätsmanagern“ bestehende Vorstufe zum vollautonomen Fahren. Und damit will Nissan die CeBIT „bespielen“, wie es Nissan-Geschäftsführer Thomas Hausch so nett formuliert.
So werden aus Anwendern Aussteller. Volkswagen hatte schon im letzten Jahr zusammen mit SAP ein Hackathon veranstaltet, um junge und/oder talentierte Entwickler für die gemeinsamen Architekturen zu interessieren. Seit VW mit Moia eine 13. Marke für Mobiltätsdienstleistungen aufgemacht hat und damit nicht nur in direkter Konkurrenz zu Car2Go (Daimler) und DriveNow (BMW) steht, sondern auch gegen den Taxi-Wettbewerber Uber, ist die CeBIT ein interessantes Heimspiel für die Wolfsburger.
In der Tat: Die CeBIT geht bei der Digitalisierung raus aus dem „Labormodus“, wie es CeBIT-Vorstand Oliver Frese nennt, und zeigt auf dem ganzen Messegelände Anwendungsbeispiele. Neben den Wachstumsthemen Künstliche Intelligenz, Robotik oder Industrie 4.0 werden wie beim Branchenthema Automotive vor allem Kongresse das Geschehen begleiten. Die Deutsche Messe folgt damit an ihrem Heimatort einem Konzept, das die CeBIT bereits exportfähig gemacht hat: Messe, Meetings, Menschen.
Zur Konkretisierung des Digitalen tragen übrigens auch die rund 120 erwarteten Aussteller aus dem Partnerland Japan bei. Dabei ist noch nicht sicher, ob Nippons Premierminister Shinzo Abe neben Bundeskanzlerin Angela Merkel die Messe eröffnen wird. Das von ihm ins Leben gerufene Regierungsprogramm „Society 5.0“ ist jedoch überall in konkreten Beispielen zu sehen. Dabei geht es um nicht weniger als um die großen Herausforderungen, mit denen die japanische Gesellschaft zu kämpfen hat: Überalterung der Bevölkerung, Umweltverschmutzung, Schutz vor Naturkatastrophen, technologischer Wandel und damit Umwertung der Werte. Der japanische Industrieverband Keidanren hat dazu ein Thesenpapier formuliert, auf das die gesamte japanische Gesellschaft eingeschworen werden soll: die Erneuerung des Rechtssystems, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, das Schließen von Bildungslücken in Sachen Digitalisierung, die Behebung des Fachkräftemangels und die Schaffung einer verbesserten Akzeptanz der Modernisierungsanstrengungen in der Bevölkerung.
Es ist ja nicht so, als wäre nicht auch hierzulande ein digitaler Ruck nötig. Mit dem Konzept, die Digitalisierung erlebbar zu machen, Anwender als Aussteller zu gewinnen und aus Technologiethemen einen gesellschaftlichen Diskurs anzuregen, könnte sich die CeBIT wieder stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit bewegen. Diesem Konzept folgt auch der Hightech-Verband Bitkom, der mit seinem „hub@cebit“ einen bunten Katalog an digitalen Produkten zeigt – vom Auskunftsroboter Paul bis zum Arbeitshandschuh Proglove, der für Gestensteuerung, Scannen und Feedback gut sein soll – also im besten Sinne „für alles“.
Den einen Trend jedenfalls gibt es nicht auf der CeBIT. Die CeBIT-Pizza ist reich belegt mit Anwendungsbeispielen und Umsetzungsvorschlägen für den digitalen Wandel. Das macht doch Appetit auf eine CeBIT-Pizza „einmal mit alles“.