Das Bundeswirtschaftsministerium verhält sich zum Bundesfinanzministerium wie das mögliche neue Digitalministerium zum neuen Umwelt- oder Klimaministerium. Will sagen: Wirtschaftsförderung steigert die Steuereinnahmen, mehr Digitalisierung befördert den Kampf gegen den Klimawandel. Es könnte eine der Erfolgsformeln sein, die die gerade im Entstehen begriffene Ampel-Koalition zu einem Selbstläufer machen könnte. Und auch eine Kreuzbeziehung zwischen diesen vier Ressorts könnte zum Durchbruch bei der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft beitragen: die Digitalisierung führt nicht nur zu mehr Kundennähe bei Unternehmen, sondern auch zu mehr Bürgernähe bei den Behörden. Was will man mehr? Nun da wären noch die Evergreens der Unternehmensberatung: Kosteneinsparung und Flexibilitätsgewinn.
Seit Jahren sagen die Protagonisten der Digitalisierung dem Mittelstand Einsparungen in Milliardenhöhe und – wichtiger noch – Umsatzzuwächse durch digitale Produkte und verbesserte Customer Experience voraus, wenn er nur die Millionen in die Hand nähme, um die digitale Transformation im eigenen Betrieb umzusetzen. Das ist bislang aus einem entscheidenden Grund gescheitert. Die digitale Transformation in den Köpfen der Entscheider und Gesellschafter im Mittelstand hat noch nicht stattgefunden. Dort wird der digitale Wandel lediglich als eine weitere Form der Effektivitätssteigerung verstanden, die nach der guten alten Rechnung funktioniert: Je mehr Maschinen ungestört durcharbeiten und je reibungsloser die Logistik in den Wertschöpfungsbeziehungen abläuft, desto geringer die Stückkosten – vor allem, wenn dies mit Personalabbau verbunden werden kann. Die Rechnung ist unverändert valide. Sie wird aber ergänzt um einen Multiplikationsfaktor: Je weniger CO2-Emissionen dabei anfallen, desto weniger Zertifikate müssen hinzugekauft werden.
Denn darauf wird es hinauslaufen: In dieser Zusatzkomponente stecken die Milliarden, die künftig für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft investiert werden sollen. Wer in Effizienz durch Digitalisierung investiert, vermeidet CO2. Wer dies nicht tut, muss dafür bezahlen. Die Rechnung geht in jedem Fall auf. Dass am Ende – so oder so – der Verbraucher, der Kunde die Zeche zahlt, diese Erkenntnis stört doch nur die Zukunftseuphorie, die die Ampelaner zur Zeit verbreiten. Wir werden in eine kalte Inflation hineinschlittern, weil alles teurer wird – vor allem Produkte, die nicht nachhaltig sind. Dass das so ist, kann man jeden Tag an der Tankstelle ablesen.
Die Grundlagen für diese Logik hat jetzt der Hightech-Verband Bitkom in einer Studie belegt, in der der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit nachgewiesen wird. So können im Jahr 2030 bei einem beschleunigten Einsatz digitaler Technologien allein in Deutschland bis zu 25 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, rechnet der Verband in seiner Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ vor, in der das Einsparpotenzial durch den Einsatz von digitalen Technologien zum Beispiel im Bereich Mobilität untersucht wurde. Allein in der Mobilität könne Deutschland bis 2030 bei beschleunigter Digitalisierung sieben Prozent der geplanten CO2-Einsparung erreichen. Die größte Wirkung habe dabei eine intelligente Verkehrssteuerung, durch die in Deutschland bis zu 13 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden könnten. Dadurch würden einzelne Fahrten nicht nur schneller und sicherer, sondern reduziere auch Staus und Stop-and-Go-Verkehr.
Die gleiche Wirkung ließe sich noch erzielen, indem die Glieder der Wertschöpfungsketten besser aufeinander abgestimmt werden und damit unnötiger Frachtverkehr von der Straße genommen würde. Und mit einer Infrastruktur an Packstationen lässt sich der Aufwand auf der letzten Meile reduzieren – oder natürlich durch elektrisch gestützte Lastfahrräder, Drohnen und Lieferroboter. Aber wir wollen die Kirche im Dorf lassen.
„Digitale Maßnahmen sollten von der neuen Bundesregierung viel stärker berücksichtigt werden“, sagt dazu der alte und neue Bitkom-Präsident Achim Berg. „Im Bereich Mobilität können wir unseren CO2-Fußabdruck stark reduzieren, indem wir nicht nur in Asphalt und Beton, sondern ebenso in Bits und Bytes investieren. Nur so können wir die Klimaziele 2030 erreichen.“ Er betont damit ein Beispiel für die Innovationskraft der Digitalisierung. Die Transformation der mittelständischen Wirtschaft ist ein zweites. Ein drittes Beispiel ist eine ernstgemeinte Entbürokratisierung, in der schlechte Prozesse auch digitalisiert weiterhin schlecht sind, sondern völlig neu gedacht werden müssen. Und ein viertes Beispiel wäre der Wegfall von Subventionen, die nur dazu dienen, Innovationen zu verhindern.
Das alles ist so herausfordernd, dass der Bitkom seinen Präsidenten gebeten hat, in diesen schwierigen Zeiten des Übergangs eine dritte Amtszeit anzutreten. Dazu hat er sogar seine Satzung geändert. Achim Berg wird also für eine weitere Periode als Bitkom-Präsident die Ampel-Koalition begleiten. Dazu können wir uns nur gratulieren.