Gegen die Pandemie-Folgen hatte der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz die – wie er es selbst nannte – „Bazooka“ herausgeholt. Wer im ersten Lockdown 2020 als kleines Unternehmen oder Selbstständiger Liquiditätsengpässe hatte, sollte mit bis zu 15.000 Euro vom Bund schnell Hilfe bekommen. Die Soforthilfe verzögerte sich allerdings im Dschungel der Bürokratie und hat jetzt – da viele Empfänger ihre Hilfe nun zurückzahlen sollen – einen üblen Nachgeschmack.
Seitdem hat es eine Reihe weiterer Bazookas gegeben: Allen voran die „Bundeswehr-Bazooka“, mit der das deutsche Militär eher ausgerüstet als aufgerüstet werden soll. Von warmer Unterwäsche bis zu waffenfähigen Drohnen ist die Bestellliste umfangreich. Gleichzeitig soll eine Reform des Bestellwesens sicherstellen, dass neues Gerät nicht nur zeitnah eingekauft werden kann, sondern Gelder nicht in den Mühlen der Bürokratie des Bundeswehrbeschaffungsamtes in Koblenz versickern. Und inwieweit die ausgelobten 100 Milliarden Euro der „Bundeswehr-Bazooka“ zusätzlich zu den Rüstungsaufwendungen von mindestens zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts gesehen werden oder doch in ihnen aufgehen, bleibt im nebulösen Politsprech verborgen.
Kurz darauf sollte mit dem Energiekosten-Entlastungspaket die nächste Bazooka gezündet werden, die vor allem privaten Verbrauchern finanziell unter die Arme greifen soll. Zu den Maßnahmen gehören neben der einmaligen Energiepauschale von 300 Euro ein verbilligtes ÖPNV-Ticket, weitere 2100 Euro pro Kind für Familien und weitere Einmalzahlungen für „Empfangende von Sozialleistungen“, wie es gendergerecht im Bundesfinanzministerium heißt. Der Nachteil: bisher sind diese Entlastungen noch nicht auf den Weg gebracht.
Auch die Bazooka namens Steuerentlastungsgesetz 2022 wirkt erst später – auch wenn das Gesetz rückwirkend ab dem 1. Januar gilt und den Arbeitnehmerpauschbetrag auf 20 Prozent auf 1200 Euro sowie den Grundfreibetrag auf 10347 Euro anhebt, während die Entfernungspauschale ab dem einundzwanzigsten Kilometer auf 37 festgesetzt wird, wovon also nur Fernpendler profitieren.
In beiden Fällen fühlt sich der Mittelstand durch die Bazookas schlecht unterstützt, weil der Geldregen nicht sofort, wenn überhaupt, fließt und bei den vorgesehenen Einmalzahlungen, die über die Lohntüte ausgezahlt werden sollen, die Arbeitgeber in Vorleistung treten müssten. Deshalb ist auch bei der zuletzt gezündeten Bazooka – dem Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine – die Skepsis im Mittelstand groß. Denn erstens werden die Maßnahmen wohl kaum vor dem 1. Juni die Gesetzgebungsverfahren passiert haben und zweitens befürchtet der BDI, dass die Hilfsmaßnahmen an restriktive Bedingungen wie zum Beispiel Effizienzvorgaben geknüpft sein könnten. Doch wenn der Mittelstand aus dem Würgegriff zu hohen Energiekosten befreit werden soll, muss „schnell und unbürokratisch“ wie es immer wieder gebetsmühlenartig heißt, geholfen werden.
Die „Bazooka Boys“ im Bundeswirtschafts- und -finanzministerium haben zwar das „große Besteck“ herausgeholt, doch ist es zu befürchten, dass der Mittelstand nicht mehr an die Fleischtöpfe gelangen kann, weil er vorher an den Folgen von Corona, Krieg und Kostenexplosion ersticken wird. Tatsächlich hat jeder dritte mittelständische Unternehmer nach einer – allerdings vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs durchgeführten – Studie der Wochenzeitung „Die Zeit“ schon einmal darüber nachgedacht, die eigene Firma aufzugeben. Und aktuell unzufrieden mit den von der Bundesregierung gesetzten Rahmenbedingungen ist jeder Sechste.
Umgekehrt sieht sich der Mittelstand der Studie zufolge auch mit den eigenen Leistungen durchaus selbstkritisch. Zwar sind 95 Prozent der befragten Mittelständler überzeugt, dass ihr Unternehmen großen und positiven Einfluss auf die jeweilige Region hat und 90 Prozent sehen sich als wirtschaftliches Rückgrat der Gesellschaft. Aber fast die Hälfte (genau: 45 Prozent) gesteht ein, zu langsam auf neue Trends wie zum Beispiel die Digitalisierung zu reagieren. Und zugleich sieht sich der Mittelstand als zu introvertiert: Drei Viertel (genau: 77 Prozent) nehmen sich als in gesellschaftlichen Debatten zu leise wahr. Und 21 Prozent – also etwa jeder Fünfte – erkennt auch die unmittelbaren Folgen: Sie finden, dass dem Mittelstand die angemessene gesellschaftliche Anerkennung verweigert wird.
Letzteres sollte uns zu mehr Aktivitäten in der öffentlichen Debatte anregen. Man braucht keine „Bazooka“, um sich Gehör zu verschaffen. Und ein Beitrag in den sozialen Medien ist auch nicht so teuer, als dass hier ein „Sondervermögen“ bereitgestellt werden müsste. Es reicht, seine Meinung als Mittelständler regelmäßig zu äußern, um dem ganz persönlichen Lobbyismus zu genügen. Das Rückgrat der Gesellschaft sollte sich halt nicht nur melden, wenn es schmerzt – oder man unzufrieden ist mit den „Bazooka Boys“.