Die heutige Zeit dürfte einmal als ideales Demonstrationsobjekt für volkswirtschaftliche Zusammenhänge und betriebswirtschaftliche Zwänge herhalten können. Denn noch nie seit den 1970er Jahren war die Herausforderung so groß, einerseits die privaten Haushalte zu fördern, andererseits aber die Wirtschaft zu stützen. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) hatte im Bundestagswahlkampf vor ziemlich genau 50 Jahren mit dem Slogan plakatiert: „Preise runter, Mieten runter, Löhne rauf!“ Und für viele in der heutigen Wirtschaftsdebatte stehen genau diese drei Forderungen wieder ganz oben auf der Agenda – ohne dass sie auch nur im Entferntesten dem Verdacht ausgesetzt wären, mit kommunistischem Gedankengut zu sympathisieren. Von den Gewerkschaften bis in die Arbeitgeberverbände zieht sich hier ein gemeinsamer „roter“ Faden, der nun auch von Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Neuauflage der Schillerschen „Konzertierten Aktion“ (Bild) aufgerollt wird. Alle drei Forderungen bergen schließlich gehöriges wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Sprengpotenzial.
Denn tatsächlich – genau um diese drei Forderungen geht es derzeit:
„Preise runter“ – das ist angesichts einer Inflation von annähernd acht Prozent nicht nur wichtig, um die Lebenshaltungskosten in den Griff zu bekommen. Die Wirtschaft braucht auch den privaten Konsum, der gerade jetzt durch die ausufernden Energiekosten gekappt wird.
„Mieten runter“ – die Debatte um einen Mietpreisdeckel läuft seit Jahren und wird vor Gerichten verhandelt. Aber der geplante Bau von günstigen Wohnungen, der einen Ausweg aus dem Teufelskreis bieten würde, gerät ins Stocken weil sowohl Handwerker als auch Baumaterialien fehlen. Schuld daran ist nicht allein Putins-Krieg, sondern auch die an den großen Seehäfen unterbrochenen Lieferketten.
Und „Löhne rauf“? Gerade hier geht der nervöse Blick auf die kommenden Tarifabschlüsse, die der mittelständischen Wirtschaft neben Energiekosten, Transformationskosten und steigenden Rohstoffpreisen einen zusätzlichen Kostenklotz ans Bein binden könnten.
Doch was ist mit denen, die keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben? Es ist deshalb durchaus folgerichtig, dass das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil verfolgte Bürgergeld und die mit der Arbeitsmarktreform verbundenen Regelungen im Mittelstand auf ein gemäßigtes „Ja, aber“ stoßen. Denn grundsätzlich, so sagt es der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft in Person ihres Verbandsvorsitzenden Markus Jerger, kann man mit den vorgestellten Plänen leben. Doch mehr Fordern statt fördern sei angesichts der notwendigen Wiederbelebung des Arbeitsmarkts dringend geboten. Die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt sollte der Königsweg sein, das „Hartzen“ dagegen immer schwieriger werden.
Bei all dem lässt sich ein Blick in die Querdenker-Szene kaum vermeiden, in denen Menschen zu finden sind, die von Corona, über Putins-Angriffskrieg bis zum 5G-Ausbau alles bestreiten – nur nicht den eigenen Lebensunterhalt. Für sie ist das geplante Bürgergeld auch ein gemachtes Bett, auf dem man weiterhin gut chillen könnte, wenn man nicht so aufgebracht über „die da oben“ wäre. Viele dieser bisher „Hartzer“ genannten Sozialschmarotzer haben nie wirklich dem Arbeitsmarktpotential zur Verfügung gestanden. Ihr Anspruchsdenken richtet sich immer nur an die Leistungen anderer, nie aber an die eigene Person. Auch Jerger muss konstatieren: „Zwei Drittel der Arbeitssuchenden haben keinen Abschluss.“
Doch von diesem Typus sollten wir unser Arbeitsmarktbild nicht verderben lassen. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitssuchenden will zurück in die sozialversicherungspflichtige Anstellung und ist bereit, dafür Qualifizierungsmaßnahmen zu durchlaufen, die langfristig mehr bringen als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Helferjobs, zu denen Langzeitarbeitslose bislang herangezogen werden. Die Förderung nachgeholter Bildungsabschlüsse muss deshalb ein zentrales Element der Arbeitsmarkt- und Sozialstaatsreform sein. Und sie muss auch mit den notwendigen Forderungen untermauert sein.
Nun ist Fördern und Fordern auch ein Thema, das den Mittelstand selbst betrifft und trifft, wenn es um die gewünschten kostengünstigen Fördergelder aus der Kreditanstalt für Wiederaufbau geht. Denn dort sollte mehr digitales Engagement gefordert werden, wenn mittelständische Projekte gefördert werden sollen. Das ist ein inzwischen seit einem Jahrzehnt anhängiges Thema. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes hängt eben auch von der Attraktivität des Unternehmens ab, das sich modernen Geschäftsmodellen verschrieben und Routineaufgaben ans Cloud Computing übergeben hat. Wer dies geschafft hat – also fördert und mit Recht fordert – kommt nachweislich besser durch die Krise.
Allerdings: Je höher qualifiziert die Mitarbeitenden angesichts einer fortschreitenden Digitalisierung sein sollten, desto schwieriger wird es, die Arbeitskräfte aus dem Pool der Arbeitssuchenden zu rekrutieren. Sie zu qualifizieren – und nicht mit vergangenheitsorientierten Scheinmaßnahmen wie PowerPoint-Lehrgängen völlig fehlzuqualifizieren – ist die wichtigste Aufgabe rund um das Bürgergeld. Im Vergleich dazu rutscht die Frage, wie hoch dieses Bürgergeld ab dem 1. Januar des kommenden Jahres nun tatsächlich ausfallen wird, fast ins Nebensächliche. Fördern ist das Gebot der Stunde. Fordern kann man freilich immer.