Die erste Amtshandlung des neuen Bitkom-Präsidenten Ralf Wintergerst bestand in einem Hanseatischen Händedruck. Der frisch Gewählte reichte dem Gast auf dem Bitkom-Sommerfest in Berlin, dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die Hand, um einen Pakt auf Augenhöhe zu besiegeln: Wir brauchen kein Geld, wir brauchen nur die Planungssicherheit und ein offenes Ohr für unsere Belange, sagte der neue erste Mann des Hightech-Verbands Bitkom, der immerhin mehr als 2000 Unternehmen der Informationstechnik und Telekommunikation, Unterhaltungsindustrie und mehr und mehr der Angewandten Künstliche Intelligenz vertritt.
Die Aussage ist durchaus brisant – angesichts einer soeben beschlossenen knapp zehn Milliarden Euro schweren Subventionsspritze, mit der dem Chiphersteller Intel die Ansiedlung in Magdeburg schmackhaft gemacht wurde. Doch immerhin ist damit ein langfristig angelegtes Konjunkturprogramm und die Hoffnung verbunden, dass die Sachsen-Anhaltinische Region nun zur „Silicon Börde“ werden könnte. Doch Wintergerst schielt nicht auf Subventionspolitik, sondern auf Innovationspolitik, die in Deutschland endlich die digitale Transformation auf breiter Front – und das bedeutet vor allem im Mittelstand – lostreten soll.
Denn Deutschland fällt in Sachen IT-Ausstattung und Innovationsfähigkeit immer weiter im internationalen Vergleich zurück. Das zeigt auch die Grenzen auf, die ein Hghtech-Verband und sein Präsident immer wieder erfahren müssen. Der scheidende Bitkom-Präsident Achim Berg hat in seinen sechs Amtsjahren in Tausenden Terminen die Notwendigkeit zur digitalen Transformation von Behörden, mittelständischen Unternehmen, Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt in der Infrastruktur bei Telekom, Bahn, im Verkehr, der Städteplanung oder des Energiemanagements angemahnt. Doch das Beharrungsvermögen – um nicht zu sagen: die Trägheit – in Politik, Wirtschaft und der öffentlichen Hand waren größer. Es war eine bewunderungswürdige Sisyphos-Aufgabe, die Achim Berg hier in Angriff genommen hatte.
Jetzt ruht die Aufgabe, die digitale Verweigerung in Deutschland zu überwinden, beim CEO des Banknotendruckers und IT-Security-Spezialisten Giesecke und Devrient, Ralf Wintergerst. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass er die Berg-Arbeit mit Erfolg weiterführen wird. Er hat es angekündigt und sich zugleich drei Monate Zeit erbeten, die Ziele mit den frisch gewählten Bitkom-Mitgliedern – sämtlich aus dem Who-is-Who der deutschen IT-Wirtschaft – abzustimmen. Darin werden die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und die Erhöhung der Cyber-Sicherheit eine große Rolle spielen – ebenso wie die die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und digitaler Innovation.
Bei diesen Themen hat Wintergerst die beste Reputation. Denn nicht nur hat der 60jährige die Transformation des Banknotenherstellers zum IT-Dienstleister im Geldverkehr erfolgreich eingeleitet und angeführt, er hat auch den Vorsitz der Allianz für Cyber-Sicherheit inne, einer Organisation mit immerhin 5000 Mitgliedern, die sich der Sicherheit in deutschen Datennetzen widmet. Und als langjähriger Chef von G+D, der nicht nur in Deutschland, sondern international Staaten und Regierungen zu seinen Kunden zählt, weiß er, wie Politiker „ticken“. Dass er darüber hinaus ein kluger Kopf und belesener Philanthrop ist, beweist schon die Tatsache, dass der studierte Betriebswirt nicht nur zusätzlich Masterabschlüsse für Management und Politik/Philosophie/Wirtschaft innehat, sondern soeben – parallel zum anspruchsvollen Job als CEO – noch eine Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität zu den Themen „Corporate Gouvernment und Unternehmensführung“ hingelegt hat. Die Disziplin dazu hat der Karate-Europameister von 1990 in einer langen Sportlerkarriere erlangt. Jetzt geht es mehr ums Ringen. Denn wir brauchen einen „Leader“, der Deutschland bei der digitalen Aufholjagd antreibt.
Mir selbst wurde die Ehre zuteil, erneut in den Hauptvorstand des Bitkom berufen zu werden. Nicht nur von dort aus, werde ich den neuen Bitkom-Präsidenten mit aller Kraft unterstützen. Denn es geht um Deutschland.