Das Marketing für erklärungsbedürftige Produkte hat sich im letzten halben Jahrhundert praktisch nicht geändert. Obwohl Service-Plattformen im Internet, Tutorials auf Youtube oder Chatbots die Kundenkommunikation automatisieren und Online-Shops und Internet-Marktplätze auch für den Verkaufsprozess stromlinienförmiger gestalten, bleibt am Ende doch immer noch das Kundengespräch bei einer Tasse dünnen Kaffees und trockenen Keksen, das den entscheidenden Kaufimpuls setzt. Der Grund: Gerade im Mittelstand sind Investitionen Vertrauenssache. Und wer sich – wie zum Beispiel bei der Entscheidung für eine Unternehmenssoftware – über Jahre an einen Lieferanten bindet, will sicher gehen, dass die Chemie zwischen Käufer und Verkäufer stimmt.
Kaum jemand würde eine Gasheizung oder Wärmepumpe direkt bei Viessmann oder Vaillant kaufen, sondern beim Heizungsinstallateur seines oder ihres Vertrauens. Das gleiche gilt beim Autokauf: Es ist der vertraute Autohändler, der einem zu besten Konditionen über eine Autobank, den nächsten Neuwagen finanziert. Es ist auch die Vertragswerkstatt um die Ecke, die dafür sorgt, dass der VW läuft und läuft und läuft. Und dieses bewährte Prinzip hat die IT-Industrie übernommen, als in den siebziger und achtziger Jahren die Globalanbieter wie Microsoft oder SAP den Mittelstand entdeckten. Die schiere Masse an potentiellen Lieferadressen ließ sich ohne Partner nicht bewältigen.
Der Partnervertrieb erwies sich als schlagkräftiger als der Direktvertrieb, wie ihn beispielsweise Heinz Nixdorf noch durchzusetzen versuchte – mit dem Ergebnis, dass die Paderborner an ihrem eigenem Wachstum implodierten. Dagegen haben SAP und Microsoft Zehntausende an Partnern allein im Mittelstands-Mutterland Deutschland aufgebaut, die in der Summe jeweils deutlich mehr Umsatz generieren als ihre Technologiepartner. Die Symbiose aus Groß und Klein, Basistechnologie und Veredelung, Innovation und Service beruht auf Geben und Nehmen im Co-Marketing: Der Technologieanbieter leistet den Hauptteil der Marktkommunikation, der Entwicklung und der Produktion, während die Partner den Markt aufbereiten – unterstützt durch Kaffee und Kekse. Der Markt brummt, weil´s der Partner schafft.
Doch in den letzten Jahren zeigt sich, dass diese Symbiose in Gefahr gerät. Die Befürchtung, die großen Technologieanbieter könnten sich mithilfe des Internets selbst an den „Endkunden“ wenden und den Mittelsmann zum Mittelstand ausschalten, hat sich als unbegründet erwiesen. Doch mit der rasanten Beschleunigung an Innovation und den neuen Geschäftsmodellen, die sich daraus ergeben, zeigt sich ein massives Qualifikationsdefizit unter den Partnern. Die kleinen und mittelständischen Organisationen können mit dem Tech-Tempo kaum noch Schritt halten. Eben noch haben sie sich unter heftigen Geburtswehen vom alten Lizenzmodell verabschiedet und die Cloud zur Conditio sine qua non erhoben, da müssen sie sich schon mit Digitalen Zwillingen, Deep Learning, Virtual Reality, Blockchain und anderen Ausgeburten der Cloud befassen. Und schon geht am IT-Himmel das Sternbild der Künstlichen Intelligenz auf, das eine völlig neue Ära einzuläuten verspricht. Es ist dieses Tempo, das den Partner schafft.
Microsoft hat jetzt auf der Inspire gezeigt, dass man in Redmond dieses Problem erkannt hat. Die weltweite Partnerkonferenz stand zwar ganz im Lichte von ChatGPT, Copilot und KI-gestützter Entwicklung – doch die Keynotes und Workshops kreisten weniger um Innovationen, sondern vielmehr um Inspiration. Nicht wie funktionieren die Systeme, sondern wie vermittelt man ihren Nutzen. Wer es jetzt schafft, mit den Partnern in die neue Welt aufzubrechen, der gewinnt auch den Mittelstand.
Am Ende helfen dabei nur Kommunikation und Qualifikation. Das ist das Marketing-Mantra bei erklärungsbedürftigen Produkten. Da ist es nur folgerichtig, dass Microsofts Deutschland-Chefin Marianne Janik jetzt betont, dass auch 40 Jahre nach Gründung der Deutschland-Niederlassung von Microsoft Partner so wichtig sind wie nie. Allerdings: Was die Bitkom-Studie über Qualifizierungsdefizite im Mittelstand offenbart, gilt – abgeschwächt – auch für den Partnerkanal. Zwei Drittel der mittelständischen Entscheider sehen ihr Unternehmen als digitale Nachzügler.
Das kann sich weder der Standort Deutschland leisten, noch die in ihm agierenden (und prosperierenden) Technologieanbieter. Der Technologiewettlauf der Jetztzeit wird über Kommunikation und Qualifikation entschieden. „ Ich wünsche mir sehr, dass möglichst viele Firmen den Diskussionen über KI bald Taten folgen lassen. Es lohnt sich!“, schreibt Marianne Janik auf LinkedIn. Wir stehen vor einem vielversprechenden Technologie-Wirtschaftswunder, das nur dann gelingen wird, weil es der Partner schafft!