Über die Seifenoper rund um den Rausschmiss von Sam Altman als CEO von OpenAI und seine Wiedereinsetzung als Vorstandsvorsitzender noch am gleichen Wochenende ist schon vieles gesagt worden – nur noch nicht von mir… Das versuche ich, mir auch jetzt zu verkneifen. Aber einen Aspekt möchte ich doch herausgreifen: Je komplexer KI-Systeme werden, desto wichtiger wird das Team, das sie trainiert. Auch das ist eine Lehre aus der OpenAI-Oper.
Ich nenne es das KI-Paradox: Während künstliche Intelligenz dazu beiträgt, Arbeitsplätze abzubauen, indem sie immer mehr Routinearbeiten übernimmt, sorgt sie gleichzeitig dafür, dass immer mehr Anforderungen an Hochqualifizierte entstehen. Teams werden durch KI nicht kleiner, sondern teurer. Ablösesummen für KI-Spezialisten in der Größenordnung von 100 Millionen Euro sind nicht aus der Luft gegriffen. Jeder und jede im Team von OpenAI ist bereits jetzt 100 Millionen Dollar wert – also genau so viel wie Harry Kane, der Top-Scorer von Bayern München.
Es wird nicht überraschen, wenn es künftig (wenn nicht schon jetzt) einen Transfermarkt für Top-Qualifizierte gibt. Im Milliarden-Geschäft rund um künstliche Intelligenz ist es nämlich offensichtlich nicht nur entscheidend, die richtige „zündende“ Idee zu haben. Es muss auch ein Team geben, das den langen Weg vom Entwurf zum Produkt zu gehen versteht. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei OpenAI sind sich offensichtlich ihrer Fähigkeiten bewusst – und der Macht die sie mit der Androhung ihrer Kündigung ausüben können. Sie haben Sam Altman quasi „zurückgepresst“ und damit jenen Machtkampf zwischen den Fraktionen jener entschieden, die einerseits zu der Gründungsidee einer ethischen Non-Profit-Gesellschaft zurückkehren wollten, und jenen, die weiter den Weg der schnellen Markteinführung und des größtmöglichen Profits verfolgen wollen.
Denn ausgestattet mit Mitarbeiter-Aktien in signifikanten Stückzahlen wäre jedes Teammitglied bei einem Börsengang 100 Millionen Dollar wert, nimmt man die jüngsten Finanzierungsrunden bei KI-Startups als Maßstab. Und umgekehrt wusste das Team rund um Sam Altman auch, dass es nur so viel wert bleiben würde, wenn es erstens zusammenbleibt, zweitens den einmal eingeschlagenen Weg vorangeht und sich drittens keinen Zeitverlust bei der Weiterentwicklung von ChatGPT und jetzt auch Q* leistet.
Eine Auffanggesellschaft, wie sie Microsofts CEO Satya Nadella am Altman-Wochenende aus dem Hut zauberte, wäre demzufolge sehr, sehr teuer geworden. Sie hätte nicht notleidende Mitarbeitende aufgefangen, sondern ein Team mit Hochleistungspotenzial „einkassiert“. Die Causa Altman ist insofern kein Fall, der sich um den CEO dreht, sondern ein Lehrstück über die Marktmacht der Hochqualifizierten und Hochbegabten.
Der Transfermarkt um diese Spezialisten wird sich noch heißer entwickeln als die nächste Spieler-Rochade im Fußball. Aber wie dort, wo jetzt Multimilliardäre den Ton und den Wechselkurs angeben, werden auch in den Hightech-Branchen die Herrschaften mit den tiefen Taschen und der Staatsknete den Kampf ums Knowhow dominieren. Geld schießt nicht nur Tore, es produziert auch Ideen.
Wenn KI Routinearbeiten übernimmt und damit Teams von lästigen und ressourcenfressenden Aufgaben befreit, werden vor allem diejenigen, die ihre Qualifikation vorantreiben, Anschubideen produzieren und sich in komplexen, vernetzten Systemwelten wohlfühlen, das Rennen machen. Ihre Humanintelligenz ist der eigentliche Mehrwert, der durch künstliche Intelligenz gefördert wird.
Was das für Auswirkungen auf unser Bildungsverständnis, auf die Befähigung von Menschen zur Höchstleistung haben wird liegt auf der Hand. PISA, dieser Warnhinweis muss jetzt erfolgen, hat gezeigt, wie sehr die deutsche Bildungsgesellschaft inzwischen in Schieflage geraten ist. Die 15jährigen von heute, die historisch schlechte Ergebnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen abliefern, sind die schlecht bezahlten Teams von morgen, die kaum Chancen haben, im globalen Wettbewerb der klugen Köpfe aufzusteigen. Niemand erwartet, dass sie alle Sam Altman oder Harry Kane gleichkommen – aber ein bisschen mehr Leistungsbereitschaft ist schon nötig. Unsere Bildungsmisere ist wahrscheinlich im Vergleich mit der Schuldenlast und der maroden Infrastruktur das größere Defizit, das wir an die nachfolgende Generation weitergeben. Kein Kane ist dann unser Schicksal.