An Q* scheiden sich die Geister

Es ist erst ein Jahr her, dass das kalifornische Startup OpenAI mit der Veröffentlichung des KI-gestützten Sprachassistenten ChatGPT einen weltweiten Diskurs über Ethik, Effizienz und Ermächtigung von Künstlicher Intelligenz ausgelöst hat. Und nur wenige Unternehmen waren in diesen zwölf Monaten in der Lage, die Möglichkeiten, die diese Generative AI eröffnet, tatsächlich auch schon auszuschöpfen.

Aber zum Jahrestag von ChatGPT erscheint schon Q* am Horizont. Die neue KI sammelt nicht länger Wahrscheinlichkeiten über den menschlichen Sprachgebrauch und plappert dem Internet-Content wie ein sprachbegabter Papagei sinnvoll, aber ohne Sinn und Verstand nach. Q* aus der Schmiede von Sam Altman ist bereits die nächste Generation an KI-Algorithmen, deren Quantensprung diesmal darin besteht, dass die Schlussfolgerungen aus diesen Algorithmen nicht auf Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnungen basieren, sondern auf Logik.

Der Unterschied wird dadurch deutlich, dass Q* mathematische Aufgaben dadurch lösen kann, dass es logische Überlegungen anstellt – und nicht in der Internet-Kakophonie nach möglichst sinnvollen Antworten nachschlägt. Es kommt damit unserem menschlichen Denken deutlich näher – jedenfalls, wenn wir unseren Verstand gebrauchen und nicht auf ein Bauchgefühl und Erfahrungswerte setzen. Das aber tun wir oft genug. Deshalb sollte ein rein durch Logik getriebener Algorithmus uns fremd und unheimlich vorkommen. Denn er tut das, worauf wir selbst allzu oft verzichten – logisch Denken!

Deshalb entbrannte in der vergangenen Woche ein Richtungsstreit zwischen den eher altruistisch gefärbten Ur-Gründern und Verwaltungsräten der Non-Profit-Gesellschaft namens Open AI und der auf Gewinnmaximierung und Wettbewerbsvorteile ausgelegten Gesellschaft des gleichen Namens, aber mit anderer Rechtsgrundlage. Die Inc. will Gewinn machen, die LLC sucht das „größere Ganze zur Verbreitung des größeren Guten“.

Das ist genau der ethische Zielkonflikt, den wir seit einem Jahr – spät genug, angesichts der über 40 Jahren währenden Entwicklungsgeschichte von Künstlicher Intelligenz – führen. Und genau dieser Zielkonflikt kulminierte in der vergangenen Woche in der Seifenoper, die OpenAI rund um den Rauswurf von CEO Sam Altman, der zwischenzeitlichen Anstellung bei Microsoft und dann der Restitution als CEO bei OpenAI veranstaltet hat. Es geht um die Frage, wie schnell (und wie ungeschützt) lassen wir neue KI-Entwicklungen auf die Menschheit los. – Als wenn schon jemals eine Neuentwicklung hätte zurückgehalten werden können!

Es geht schließlich um Geld – und zwar um sehr viel Geld. Allen voran Microsoft und Google, gefolgt von chinesischen halbstaatlichen Anbietern, wollen den Markt möglichst schnell und zu ihren Gunsten aufteilen. Dazu braucht es Schnelligkeit – und möglichst wenig Regularien. Und das Tempo, das die US-amerikanischen und chinesischen Tech-Giganten in Sachen Künstlicher Intelligenz an den Tag legen, lässt kaum Zeit, die Dinge zu hinterfragen. Wenn man sich überhaupt mit dem Thema auseinandersetzen will.

Laut Hightech-Verband Bitkom haben lediglich 19 Prozent der mittelständischen Unternehmen KI-Systeme bisher in die eigenen Projekte zur Digitalisierung einbezogen. Viel weiter sind da die Kinder der mittelständischen Entscheider, die längst verstanden haben, wie sich ChatGPT und andere Sprachassistenten zur Erledigung der Hausarbeiten nutzen lassen. Nach einer Bitkom-Umfrage hatten schon im Mai 2023 – also ein halbes Jahr nach der Erstveröffentlichung von ChatGPT – lediglich acht Prozent der repräsentativ befragten Schüler und Schülerinnen noch nichts von diesem KI-gestützten Sprachassistenten gehört. Die Unwissenheit ihrer Eltern im mittelständischen Management war da noch weitaus größer.

Wahrscheinlich ist dies das wahre Schisma bei der Markteinführung von Künstlicher Intelligenz. Während die mittelständischen Entscheider noch darum ringen, ChatGPT zu verstehen, werden sie längst von Q* überholt. Dass damit völlig neue Effizienzpotentiale und Wachstumschancen herbeigeführt werden können, wird den Abstand der schnellen Vorreiter vor den lahmen Nachfolgern noch weiter vergrößern.

Oder sollte es doch einen Aufschrei der Autarken geben, die sich eine  Bevormundung durch eine logisch denkende Intelligenz verbitten? An Q* scheiden sich die Geister. Zuerst innerhalb der OpenAI-Organisation, dann innerhalb der Gesellschaft. Das Jahr 2024 verspricht, spannend zu werden.

Ein Digital-Problem mit zehn Nullen

Es ist ja nicht so, als würde es bei der Digitalisierung in Deutschland am Geld fehlen:

Anfang des Monats sicherte sich das Heidelberger KI-Startup Aleph-Alpha in einer Finanzierungsrunde eine halbe Milliarde Euro, mit der nun ein äußerst ehrgeiziges Ziel in Angriff genommen werden soll. Es geht um nicht weniger als darum, Deutschland in Sachen Künstlier Intelligenz voranzubringen und weltweit wettbewerbsfähig zu machen. Hinter dieses Ziel stellen sich Unternehmen wie SAP, Bosch, die Schwarz-Gruppe, zu der die Discounter Lidl und Kaufland gehören, der Unternehmer Harald Christ und der US-amerikanische HP-Konzern. Die Finanzierungsrunde wurde stark vom Bundeswirtschaftsministerium gestützt.

Doppelt so viel, nämlich eine Milliarde Euro, hat die KfW Capital, die Beteiligungsgesellschaft der staatlichen Förderbank KfW, für den „Wachstumsfonds Deutschland“ gesammelt, der insbesondere Startups unter die Arme greifen soll. Überall dort, wo klassische Venture Capitalists nicht zugreifen, oder wo ein strategisches Interesse für Deutschland besteht, soll der Fonds eingreifen, in den vor allem Versicherungsgesellschaften wie Allianz, Munich Re und Signal Iduna Investiert sind. Aber auch der US-amerikanische Vermögensverwalter Blackrock hat sich engagiert, um zwei Drittel der Kapitalausstattung zusammenzubringen. Das restliche Drittel soll vom Bundeswirtschaftsministerium kommen.

Dort liegt auch der Projektvorschlag von Siemens und SAP sowie 48 weiteren Partnern aus Wirtschaft, Forschung und Verbänden zur konkreten Umsetzung des European Data Acts, der Unternehmen dazu verpflichten will, Betriebsdaten aus ihren Produkten mit Kunden und Partnern zu teilen. Konkret bedeutet das, dass die 50 Partner nun – also bis 2026 – eine digitale Plattform für den Datenaustausch in der Fertigungsindustrie aufbauen. In Verlängerung der X-Cloud-Initiative der frühen zwanziger Jahre heißt das Projekt Factory-X. Ein vergleichbares Projekt für die besonderen Belange der Automobilindustrie ist unter dem Titel Catena-X unterwegs. Eine positive Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums für die Förderung der Projekte steht allerdings noch aus.

Das wäre bis Oktober 2023 reine Formsache gewesen. Doch jetzt, nach dem Verdikt des Bundesverfassungsgerichts, drückt ein Monster mit zehn Nullen auf den Bundeshaushalt für 2024, während möglicherweise auch der Haushalt 2023 als verfassungswidrig erkannt werden wird. Derzeit dürfen keine neuen Ausgabenzusagen gemacht werden. Wenn die Schuldenbremse nicht gekippt wird, verscherbelt Deutschland seine Zukunft.

Und als wäre dies nicht schlimm genug, zeigt die Halbjahresbilanz der Bundesregierung zur Digitalisierung von Verwaltungsbehörden, dass aktuell kaum mehr Engagement bei der Umsetzung von Digitalprojekten gezeigt wird, als in den Vorgänger-Regierungen unter Angela Merkel, die ihre 575 Einzelziele krachend verfehlt hatten. Die Ampel hatte sich insgesamt 334 Vorhaben in den Koalitionsvertrag geschrieben, von denen derzeit 43 Aktivitäten, also rund 13 Prozent, abgeschlossen sind. Weitaus mehr, nämlich 60 Vorhaben, sind noch nicht einmal in Angriff genommen worden.

Dabei bringt es die Natur der Zählweise mit sich, das Kleinstprojekte in der Statistik den gleichen Stellenwert haben wie Großvorhaben. Zu Letzteren – und leider auch zu den Unerledigten – gehören die Digitalisierung der Verwaltung und der Digitalpakt 2.0 für die Digitalisierung der Schulen – „also zwei Säulen, die für ein digitaleres Deutschland unerlässlich sind“, resümiert Bitkom-Präsident Ralph Wintergerst im Gespräch mit der Wirtschaftswoche.

Unter diesen Vorzeichen konnte in Jena weniger von einem Digital-Gipfel der Bundesregierung gesprochen werden, als vielmehr von einem Digital-Tal der Tränen, durch das sich Deutschland irgendwie hindurch zu fummeln versucht. Wie´s läuft und wo´s läuft zeigt in der Regel ein Blick auf Digitalprojekte unter der Führung US-amerikanischer Tech-Companies oder hinter den weitgehend verschlossenen Türen chinesischer Konzerne unter staatlicher Kontrolle. Sie operieren bei der Digitalisierung, in der Cloud und erst recht bei Künstlicher Intelligenz mit Summen in der Größenordnung des deutschen Haushaltslochs. Das ist die bittere Realität.

Deutschland drohe deshalb zu einer „digitalen Kolonie“ unter US-amerikanischer und chinesischer Führung zu verkommen, fürchtet Ralph Wintergerst. „Die Wirtschaft muss ihren Kunden selbst digitale Produkte anbieten, sonst bleibt am Ende nur die Hardware bei den Autos oder im Maschinenbau“, fürchtet er. „Damit wird künftig niemand lange wettbewerbsfähig bleiben.“ Was uns dann bleibt, sind nur noch Nullen.

Software bewegt die Welt

Es klingt wie ein Gemeinplatz: Die Welt dreht sich um Software, und die Welt dreht sich durch Software. Nie wurde das deutlicher als an diesem Wochenende angesichts der Posse, die sich beim derzeit wohl aufregendsten Startup der Welt, OpenAI, abgespielt hat und uns wohl auch die kommenden Tage noch beschäftigen wird. Am Freitag entließ der Verwaltungsrat des kalifornischen KI-Technologieführers kurzerhand den Gründer und CEO des Unternehmens, Sam Altman. Seit Sonntag laufen offensichtlich Gespräche, ihn wieder zurückzuholen.

Dabei dürften die Gründe für die Entlassung des Gründers nach wie vor fortbestehen: Altman habe sich nicht immer konsistent in seiner Kommunikation gezeigt, hieß es kryptisch in der offiziellen Verlautbarung. Das lässt Raum für Spekulationen. Entweder hat Altman gegenüber dem Verwaltungsrat die Unwahrheit gesagt oder nicht mit der vollen Wahrheit herausgerückt. Oder er hat sich inzwischen zu sehr in seinen anderen Firmengründungen engagiert. Vermutlich stimmen alle drei Vermutungen.

Doch Software bewegt die Welt – was allen voran derzeit fürs Cloud Computing, für künstliche Intelligenz und für die Automation von Geschäftsprozessen gilt. Und deshalb kann sich niemand einen Braindrain an Software-Knowhow leisten. Auch OpenAI nicht. Und selbst Microsoft nicht. Die Führung um CEO Satya Nadella und CTO Kevin Scott, die erst vor 14 Monaten voll auf Altmans KI-Taten gesetzt hatten und das mit einem 13-Milliarden-Dollar-Investment auch unterstrichen, war wohl nur Minuten vor dem Altman-Rausschmiss informiert worden. Jetzt ist Microsoft den Gerüchten zufolge der Initiator für Gespräche über Altmans Rückkehr. Der hatte inzwischen öffentlich über weitere Neugründungen im KI-Sektor spekuliert und zahlreiche zahlungskräftige Investoren für seine Pläne interessiert. Alles an nur einem Wochenende.

So schnell dreht sich die Software-Welt. Kein Wunder angesichts eines Marktes für Künstliche Intelligenz, der mehrere hundert Milliarden Dollar schwer sein dürfte. Und auch angesichts eines gigantischen Bedarfs an Cloud Computing nicht nur für KI, der diesen ohnehin schon riesigen Markt weiter explodieren lassen wird. Allein OpenAI benötigt so viel Rechenpower aus der Cloud, dass das Unternehmen trotz komfortabler Finanzausstattung diese Infrastruktur kaum wirtschaftlich errichten kann. OpenAI setzt deshalb auf Microsofts Cloud-Plattform Azure.

Auch Siemens nutzt diese Kombination aus ChatGPT von OpenAI und Azure von Microsoft, um mit dem Siemens Industrial Copilot einen KI-Assistenten für die Verbesserung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln und um branchenbezogene Copiloten für die Logistik, die Automobilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau und das Gesundheitswesen zu entwickeln. Ziel ist es, mit dem Copiloten schneller und sicherer – Sie ahnen es! – Software zu entwickeln, die Maschinen steuert, Roboter auf Sprachbefehle reagieren lässt und das Zusammenspiel zwischen Planungs- und Produktionsebene verbessert.

Bei seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden brachte Microsofts CEO Satya Nadella es auf den Punkt: Wir haben endlich Maschinen, die uns verstehen. Bisher mussten die Menschen die Maschinen verstehen. Dieser Paradigmenwechsel ist signifikant für mittelständische Unternehmen, die vor allem branchenspezifisches Knowhow besitzen und nun beschleunigt – sie erraten es wieder! – Software für die weitere Automatisierung ihrer Geschäftsprozesse entwickeln können, ohne dass dabei jedes Unternehmen für sich gigantische Investitionen in die dafür benötigten Infrastrukturen aus Rechenpower und KI-Grundlagen tätigen muss. Es ist das ideale Zukunftskonzept nicht nur für die 1500 Hidden Champions aus Deutschland, sondern für jedes der rund drei Millionen mittelständischen Unternehmen hierzulande.

Da mutet es geradezu anachronistisch an, dass SAPs Kunden gerade gegen die Pläne des einzigen europäischen Unternehmens von Weltrang aufbegehren, künftige Neuentwicklungen nur noch in der Cloud voranzutreiben. „Wir müssten in die SAP-Cloud wechseln, was aber viel teurer wäre“, beklagt ein IT-Manager die Situation gegenüber der Wirtschaftswoche. Das stimmt – und stimmt auch wieder nicht. Denn einerseits bezahlen SAP-Kunden einen Preis dafür, dass sie sich jahrelang in einen goldenen Software-Käfig haben einsperren lassen, ohne mit dem Mainstream zu gehen. Andererseits muss SAP jetzt die Debatte mit ihren Kunden über den Wechsel von „OnPremises“ zu „OnDemand“ austragen, die die Walldorfer ebenso lange gescheut haben. Doch wenn schon fraglich ist, wie SAP eine Cloud-gestützte KI-Infrastruktur für einen sprunghaft wachsenden Bedarf errichten soll – wie sollen es dann die Kunden können?

„Geld schießt Tore“, heißt es im Fußball, und „Geld generiert Code“ gilt für die ganze Welt. Vor der Corona-Krise wurden weltweit fünf Prozent des globalen Bruttosozialprodukts für HighTech – vornehmlich IT-Infrastrukturen – ausgegeben. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird sich dieser Anteil auf zehn Prozent ausgeweitet haben. Und wofür? Sie erraten es: für Software. Jede Company wird dann in irgendeiner Form eine Tech-Company sein, die ihre Geschäftsprozesse durch Software steuert. Dazu ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen. Sonst geht man mit der Zeit. Und auch Zeit ist eine Software, um die sich die Welt dreht.

 

Euer Ohr, nicht euer Geld!

„Ich will, dass wir das Potenzial der Digitalisierung und der Daten in vollem Umfang nutzen – für einen modernen, bürgernahen Staat.“ Das sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zur Eröffnung der Smart Country Convention in Berlin in der vergangenen Woche. Doch auf das Wollen müssen auch das Können und schließlich das Tun folgen – und da hapert es Deutschland. Allen hinterher hinken insbesondere die deutschen Behörden, die weit davon entfernt sind, die „Super-App“ für alle staatlichen und kommunalen Dienstleistungen bereitzustellen. Wie auch, wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner die Mittel für Digitalprojekte zusammengestrichen hat.

So wird sich auch kaum in Zukunft etwas ändern. Wenig hoffnungsfroh ist da auch Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst, der die Rückständigkeit deutscher Behörden im „Global Innovation Index“ festgeschrieben sieht. Darin rangiert Deutschland inzwischen auf einem peinlichen 59. Platz – mit wenig Aussicht darauf, die Position in naher Zukunft zu verbessern. Denn die digitale Verweigerung der deutschen Behörden hat bereits traurige Tradition, die weit in die Merkel-Ära und davor zurückreicht. Dabei ist die Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen in der deutschen  Bevölkerung groß, wie eine repräsentative Umfrage von Bitkom-Research zeigt.

Danach wollen neun von zehn Bundesbürgern über 18 mehr digitale Dienstleistungen in ihrer Stadt und Gemeinde. 70 Prozent der Befragten sind dabei davon überzeugt, dass sie durch digitalisierte Dienstleistungen der Behörden Zeit und Geld sparen werden, und in etwa die gleiche Gruppe zeigt sich überzeugt, dass die meisten Behördengänge problemlos digitalisiert werden könnten. Wenn man nur wollte.

Ralf Wintergerst weiß, woran es hapert: „Uns fehlt es oft an Disziplin!“ Es fehle nicht unbedingt an finanziellen Mitteln oder dem technischen Knowhow. Vielmehr ist die deutsche digitale Rückständigkeit eine indirekte Folge des föderalen Prinzips. Es fehlt an Koordination zwischen den Ländern – und im Bund fehlt die ordnende und durchsetzende Hand eines Digitalministeriums, das der Bitkom schon lange fordert. Als Anhängsel des Verkehrsministeriums aber ist das Digitale ein zahnloser Tiger. Dabei lebt die Informationstechnik von der Skalierung: Wo Lösungen mehrfach eingesetzt werden können, reduzieren sich die Aufwände. Das erfährt man schon in betriebswirtschaftlichen Proseminaren.

Und genau hier will der Hightech-Verband Bitkom künftig verstärkt ansetzen, verspricht der neue Präsident Wintergerst. „Digitalisierung ist eine Querschnittsdisziplin“, die nicht nur die Behörden voranbringt, sondern auch die deutschen Schwerpunktindustrien wie Automobilbau, Maschinen- und Anlagenbau, die Chemie und nicht zuletzt den Dienstleistungssektor weiter voranbringen wird. Das gilt auch für die fundamentalen Innovationsprojekte zur Energiewende, zur Nachhaltigkeit oder zur Verbesserung der sozialen Teilhabe und damit zur Stärkung der Demokratie.

Entsprechend selbstbewusst zeigt sich der Bitkom unter der neuen Führung. Zwar ächzen auch die Hightech-Unternehmen unter dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel. Doch gleichzeitig sorgen Künstliche Intelligenz, Cloud Computing und Team-Lösungen für enorme Effizienzgewinne  nicht nur für die Kunden, sondern auch in der Entwicklung und der Beratung. Trotz immer komplexeren Projekten und Programmen, reduzieren sich die Zeiten, in denen neue Lösungen entwickelt, vermarktet und eingesetzt werden.

Mit anderen Worten: Die IT-Industrie ist – anders als andere Branchen – nicht im Krisenmodus. Das gilt auch für mittelständische und kleine Unternehmen. Wenn Behörden mehr Tempo bei der Digitalisierung aufnehmen, wenn mittelständische Unternehmen ihre Innovationskraft in die Modernisierung ihrer Anlagen stecken und wenn im Büro, im Handwerk und in der Produktion mehr Automatisierung durch KI-Systeme möglich gemacht wird, dann läuft es auch mit der Wirtschaftsleistung. Die IT-Industrie hält den Schlüssel für einen „modernen, bürgernahen Staat“, von dem die Bundesinnenministerin sprach, in der Hand. Für Ralf Wintergerst ist es deshalb ein wichtiges Signal an die Politik, wenn er sagt: „Wir brauchen nicht euer Geld, sondern euer Ohr!“