Cloudeamus igitur

Neue Technologien sind teuer und – solange noch unerprobt – auch risikobehaftet. Erst mit ihrer Praxiserprobung kommen Sicherheit und Ergonomie. Mit dem Volumengeschäft kommt die Preissenkung – und dann, aber erst dann kommt der technologische Durchbruch im Mittelstand. So sagt es das Marketing-Lehrbuch.

Der Mittelstand gilt als zögerlich bei der Einführung von technischen Innovationen. Dafür hat er gute Gründe: Er wartet ab, bis neue Technologien ihre Kinderkrankheiten überwunden haben, bis Kosten und Risiken kalkulierbar sind und die Rendite gewiss. Seit Jahrzehnten kommen Mittelstandstudien zu dem immer wieder gleichen Ergebnis: Ob Mainframes, Personal Computer oder eBusiness – die Analyse lautet stets: „Der Mittelstand zögert noch bei der Einführung von…“

Hier auf der CeBIT in Hannover findet derzeit die aktuelle Neuauflage dieser Analyse statt. Sie lautet: „Der Mittelstand zögert noch bei der Einführung von Cloud Computing.“ Und auch die Gründe sind die gleichen: Noch sind die finanziellen und technischen Risiken nicht bekannt. Und vor allem: die Sicherheitsbedenken bei Daten und Anwendungen in der Wolke sind für den mittelständischen Anwender noch nicht ausgeräumt.

Hier will der Verband der Cloud-Service-Industrie, Eurocloud Deutschland, jetzt mehr Sicherhit oder zumindest Vertrauen verbreiten. Mit dem Eurocloud Star Audit SaaS sollen die Angebote unter technischen und vertragstechnischen Gesichtspunkten geprüft und mit null bis fünf Sternen versehen werden. Microsoft hat sich bereits mit seinem Cloud-Produkt BPOS zur Auditierung angesagt und erwartet ein Fünf-Sterne-Zertifikat in den Kategorien Anbieterprofil, Vertrag und Compliance, Sicherheit, Betrieb und Infrastruktur, Betriebsprozesse, Anwendung und Implementierung. Pieronet NDH hat das Prüfungsverfahren schon absolviert – Testergebnis: fünf Sterne.

Die Prüfungsfächer zeigen, dass Cloud Computing weniger eine neue Technologie ist, sondern vor allem ein neues Bereitstellungsmodell und damit um Prozesse der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Anwender. Das begreiflich zu machen dürfte ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Akzeptanz der Wolke im Mittelstand bedeuten. Es geht nicht um ein technisches Produkt, sondern vor allem um die Modalitäten einer Dienstleistung, die transparenter gemacht werden müssen. Ganz allmählich hat sich auf der CeBIT diese Erkenntnis durchgesetzt.

Dabei ist Cloud Computing ohnehin exakt auf die Herausforderungen des Mittelstands zugeschnitten. Allerdings zunächst einmal aus Sicht der Anbieter: Denn die Cloud bietet nicht nur Software as a Service, sondern auch Sales und Support as a Service. Das ist gerade im Softwaregeschäft interessant, wo die Kosten der Anwenderunterstützung schon so manche mutig gestartete Mittelstandsoffensive kaputtgerechnet haben.

Das „Lied von der Wolke“ wurde schon deshalb unisono von der gesamten Ausstellergemeinschaft auf der CeBIT angestimmt. Es ist die einzig wahre Mittelstandsoffensive. Lasst uns also fröhlich sein: Cloudeamus igitur.

Wolken über der CeBIT

Gäbe es für den weltgrößten Event der Informationswirtschaft und Telekommunikation ein größeres Kompliment als zugleich Plattform für die Weltpolitik zu werden? Kanzlerin Angela Merkel betonte den Beitrag der Branche an den gegenwärtigen Umstürzen in Nordafrika, die ohne soziale Netzwerke, ohne mobiles Computing und, ja: ohne die Cloud nicht möglich, oder zumindest nicht so möglich geworden wären. Und irgendwie klang es auch wie ein freundlicher Hinweis an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der offenbar noch vollends unter dem Eindruck seiner Düsseldorfer Montagspredigt stand, in der er in Deutschland lebende Türken vor einer kulturellen Verschmelzung mit der westlichen Zivilisation warnte. Denn in der Tat findet die Assimilation längst nicht nur in Schulen und auf den Straßen statt, sondern vor allem auch in den sozialen Medien.

Passender konnte also der diesjährige CeBIT-Schwerpunkt gar nicht gewählt werden – und die Aussteller greifen das Thema enthusiastisch auf: Kommunikation, Collaboration und Kostensenkung durch Cloud Computing ist der Themenkanon in den Messehallen. Und mit 4200 Ausstellern sind leicht (plus 2,5 Prozent) mehr Unternehmen gemeldet als im Vorjahr. Und das, obwohl doch wegen der Cloud eigentlich niemand mehr auf die Messe kommen müsste. Die CeBIT findet inzwischen längst nicht nur auf dem Messegelände statt, sondern mehr noch in ihrem eigenen Schwerpunktthema – in der Wolke. Wenn am Ende der IT-Leitmesse die Besucherzahlen addiert werden – Zahlen zwischen 300.000 und 400.000 werden gehandelt, aber festlegen mag sich außer dem BITKOM (330.000) keiner so recht – dann werden die CeBIT-Gänger nicht mitgezählt worden sein, die ihren Marsch durch die Hallen aufs Internet verlegt haben und dort den Blogs und Podcasts von Veranstaltern, Ausstellern, Medienvertretern und Besuchern lauschen. Sie bilden in dieser ersten Märzwoche die vielleicht größte Community der Welt bilden: das soziale Netzwerk der Käufer und Verkäufer, der Ratsuchenden und Berater, der Anleger und Analysten.

Aber soziale Netzwerke bilden sich um ein Gravitationszentrum. Und die CeBIT ist längst eine Marke, die sich sowohl auf dem Hallenbeton als auch im virtuellen Raum behauptet. Die CeBIT ist selbst auf dem Weg in die Wolke, die das ganze Jahr hindurch, rund um die Uhr und rund um den Globus als Marktplatz der „eITelkeiten“ fungiert und einmal im Jahr im März zum Summit ruft – zum Blogsberg sozusagen. Im März wird ein Gastland – im aktuellen Fall die Türkei – aufgerufen, das ganze Jahr hindurch ist dann wieder die ganze Welt zu Gast auf „Wolke CeBIT“. Es wäre nicht falsch, wenn das nächste oder übernächste Gastland der CeBIT ganz einfach die Welt wäre. Die Wolke machts möglich.

Soziale Medien können Gesellschaften verändern, aber sie machen bestehende Formen des Zusammenseins nicht obsolet. Das beweist die CeBIT als klassische Messe. Das gilt aber auch für Interessensvertretungen in der klassischen Organisationsform des Verbands. Der BITKOM beispielsweise ist Europas größte IT-Interessengemeinschaft, deren 1350 organisierten Mitgliedsunternehmen immerhin einen Gemeinschaftsumsatz von 135 Milliarden Euro repräsentieren. Der Anbieterseite soll jetzt eine deutsche Anwendervereinigung gegenübergestellt werden, die aus dem Zusammenschluss mehrere fokussierter Anwendergruppen wie CIOcolloquium, CIO Circle und CIOforum entstehen soll: „Um auch künftig die Wettbewerbsfähigkeit am Wirtschaftsstandort Deutschland zu fördern, müssen wir die Zusammenarbeit der IT-Anwender mit den Lösungsanbietern optimieren. Das geht nur mit einer Stimme“, formulierte es Dr. Thomas Endres, CIO der Deutschen Lufthansa und Sprecher des CIOcolloquiums. Nur mit einer Stimme, nein, mit zwei Stimmen: BITKOM und künftiger CIO-Verband geben hier sicher ein gutes Duett.