Aus der Krise in die Wolke

Krisen sind immer Chancen – das tröstet jedermann, solange die Krise anhält, und beflügelt die Besten, wenn das Schlimmste überstanden ist. Während die IT-Branche weltweit gar nicht so schlecht durch die schwierigen Monate seit dem Niedergang der Lehman Brothers lavierte, zeigen die Prognosen für das laufende Jahr, dass sich der Veränderungsprozess im Anwenderverhalten auch im unterschiedlichen Tempo niederschlägt, das jetzt für die verschiedenen Branchensegmente  im Jahr 2010 zu beobachten ist. Danach wird nach der Krise nicht mehr unbedingt alles so sein wie zuvor.

Offensichtlich kehren Anwender nämlich nicht zum Business as Usual zurück und investieren wie vor der Krise gewohnt in die eigene Server-Farm. Denn nach wie stehen insbesondere die Hardware-Verkäufe unter Druck. Wer unter den Hardware-Lieferanten in der Lieferkette vom Chip über das Dystem bis zur Infrastruktur vor 2009 nicht optimal aufgestellt war, den riss die Krise mit in den Abgrund. Die Fittesten aber müssen jetzt noch eine eher schleppende Erholung überstehen Die Analysten von IDC sehen für PCs, Server und Speichermedien weiterhin rückläufige Umsatzzahlen – und das weniger gemessen an der Stückzahl als vielmehr aufgrund von weiter sinkenden Preisen. Nach IDC werden die Hardware-Umsätze in diesem Jahr noch einmal um zwei Prozent sinken, nachdem das Krisenjahr 2009 bereits einen Rückgang um zwölf Prozent gebracht hatte. Die Talsohle ist also noch nicht durchschritten. Dabei dürfte manchem auch 2010 noch auf der Zielgeraden die Luft ausgehen.

Stattdessen werden Outsourcing-Konzepte und hier insbesondere Projekte unter dem STochwort Cloud Computing aus Sicht der Anwender immer interessanter: Zwar soll der Umsatz mit Outsourcing-Projekten weltweit nur um ein knappes Prozent ansteigen, dies ist aber im wesentlich dem erheblichen Konkurrenz- und damit Preisdruck der Anbieter geschuldet. Substanziell dürfte die Anzahl der Outsourcing-Projekte, zu denen auch Software-as-a-Service und Cloud Computing zählen deutlich ansteigen. Die Anwender haben in den zurückliegenden 24 Monaten offensichtlich über ihre IT-Strategie nachgedacht. Und der neue Drang zum ausgelagerten Rechenzentrum ist ein Ergebnis.

Dafür wird wieder in Software und Services investiert. Auch hier ist ein klarer Trend in die Wolke zu beobachten. Lösungen für mobile Endgeräte sind im Kommen, Infrastrukturen für verteilte, weltweite Anwendungen treiben das Software-Projektgeschäft voran. Derweil melden Anbieter wie Salesforce weiterhin massive Zuwächse bei Neukunden. Und auch SAP will den Erfolg mit Business by Design nicht zunächst am Umsatz festmachen, sondern am Zugewinn an Neukunden aus dem Mittelstand. Um hier die Schwelle weiter zu senken, hat SAP bereits vor Neueinführung der OnDemand-Software die Einstiegsgröße von 25 User auf zehn User reduziert. Das dürfte die Anzahl der potenziellen Neukunden mehr als verdoppeln.

Aber Software und Outsourcing werden den anhaltenden Einbruch im Hardwarebereich  leider nur ausgleichen können. IDC rechnet deshalb mit einer Nullrunde. Doch in Wahrheit bricht sich ein massiver Paradigmenwechsel Bahn: Von den fest installierten OnPremise-Lösungen in die Wolke. Darauf weisen auch die Verschiebungen im Hardwaresektor hin: Während im insgesamt rückläufigen Markt vor allem Server und Speichermedien abbauen, investieren die Anwender in mobile Endgeräte wie Smartphones. Sie sind der neue Zugang in die Wolke.

Die Zahlen zeigen: Der Anwender hat aus der Krise die Konsequenzen gezogen. Raus aus der Hardware, rein in die Lösung. Der nächste Trend dürfte sein: Raus aus dem Kauf, rein in die Miete. Und schließlich: Raus aus dem Arbeitsplatz, rein ins mobile Leben.

Links fürs Recht

Zwei wichtige Termine für Ihren Kalender – nicht dass irgendjemandem damit etwas unterstellt würde:

  1. Derzeit überlegt die Bundesregierung, den strafmildernden Effekt der Selbstanklage bei Steuerhiterziehern zu verringern. Der sanfte Druck, den allein die Nachricht von angebotenen Daten-CDs auf das Gewissen der Schwarzsparer ausgeübt hat, soll nicht zum Kuschelkissen missbraucht werden, denn bislang gilt: Wer sich meldet, solange die Tat nicht entdeckt, kann auf Milde hoffen. Das gilt auch dann noch, wenn die Betriebsprüfung bereits angekündigt ist.
  2. Erhöhten Druck auf das Gewissen säumiger Zahler übt nun auch Georg Hermleben aus, der als Direktor Zentral-, Osteuropa sowie den Mittleren Osten und Afrika die Interessen der Business Software Alliance in diesen Regionen wahrt. Bis Ende Mai sollten sich Unternehmen bei der Interessensvereinigung von rund zweiDutzend Softwareherstellern melden, die im Betrieb Raubkopien einsetzen. Danach folgen juristische Mittel. Hermleben hat zwar keine Daten-CD, angeblich aber rund 10.000 Hinweise auf Piraterie.

Die Allianz für Unternehmenssoftware, zu der Softwareriesen wie Microsoft, aber  auch Mischkonzerne wie Siemens gehören, ruft mit einem Fernsehspot in den Nachrichtensendern zur Anzeige auf. Das Motiv, das der Spot anmutet, ist allerdings nicht Rechtsbewusstsein, sondern Rachsucht. Egal – das Motiv für die Erstellung von Daten-CDs war ja auch nicht Rechtsbewusstsein, sondern Geldgier.

Tatsächlich aber schätzen Softwareanbieter, dass weltweit rund die Hälfte der eingesetzten Software raubkopiert ist. Anders ausgedrückt: der weltweite Softwareumsatz wäre – ginge alles mit rechten Dingen zu – doppelt so hoch. Die Branche ist nicht nur ein schlafender Riese, sie ist auch ein betrogener Gigant. Allein in Deutschland, sagt die BSA hat sich der Anteil auf mehr als ein Viertel eingependelt. Und selbst in Ländern mit guter Antikopier-Reaktion liegt die Quote noch bei 20 Prozent. Die Wirtschaftskrise, so die Beobachtung, hat die Neigung zur Piraterie weltweit noch verschärft.

Das gilt nicht nur in Betrieben, sondern schlimmer noch bei privaten Verbrauchern. Während Firmen während der Wirtschaftskrise Investitionen in die IT zurückgeschraubt hatten, haben Verbraucher weiter Computer gekauft – gerne auch ohne Software, denn die hat ja der freundliche Nachbar: Betriebssysteme und Office-Produkte gelten als Grundausstattung, für die man keine Gebühren bezahlen muss. Und die Reue ist weit – denn im privaten Sektor kommt die Fahndung nur sehr langsam in Gang.

Wo das Recht schweigt, hilft künftig ein Link: Online-Downloads, -Registrierung und –Updates helfen den Anbietern, schwarze Schafe zu identifizieren – auch wenn das an sich noch nicht unbedingt eine rechtlich Handhabe bietet. Noch einen Schritt weiter sind die OnDemand-Anbieter, die ihre Software nicht nach Lizenzen verkaufen, sondern nach dem Nutzungsgrad Gebühren einfordern. Ob gemietet oder gekauft – die Softwareanbieter werden ihre Kunden an die On-Leine nehmen, um ihre Umsätze zu sichern. Das Modell heißt dann nicht SaaS (Software as a Service), sondern SaP(Software after Payment) – und das ist nicht nur legal, sondern auch legitim.

Here and now: On Premise, On Demand, On Device

Der Grund, warum die SAP-Feier irgendwann den Namen Sapphire erhielt, liegt im Dunkeln der IT-Historie – zumindest für den Autor (aufklärende Kommentare sind willkommen). Vielleicht war das SAP-Logo ja schon immer durch die kristalline Struktur des Aluminiumoxyds (Al2O3) inspiriert, die dem Saphir seine Härte verleiht und seinen strahlenden blauen Glanz (obwohl das Rubinrot, wie es zum Beispiel im Oracle-Logo zu finden ist, auf der gleichen Kristallstruktur aufbaut).

Warum aber die soeben zeitgleich in Orlando und Frankfurt zu Ende gegangene diesjährige Sapphire mit dem Anhängsel NOW versehen wurde (man hat angeblich Oracle-Agenten bei dem Versuch erwischt, das „W“ aus dem Veranstaltungslogo zu entfernen), wird vielleicht immer im Dunkel der Geschichte verbleiben – denn das alles dominierende Thema der Sapphire war nicht unbedingt das „Jetzt“, sondern das „Hier“. In diesem Raum/Zeit-Kontinuum verortet SAP seine Produktwelt neu.

Ob zuhause oder unterwegs, ob gekauft oder gemietet – SAPs ERP-Angebote sollen künftig nicht nur bessere Informationen bieten, sondern sie dorthin bringen, wo der Manager sitzt, der aus den Informationen Entscheidungen gewinnt. Er hält die ganze Welt in seiner Hand. Die ganze Welt als Endgerät.

Nur mit einer Doppelspitze konnte der transatlantische Event adäquat bestückt werden: Bill McDermott (Orlando, Florida) und Jim Hagemann Snabe (Frankfurt, Hessen) verkündeten zeit- und raumversetzt, die neue SAP-Anywhere-Strategie, die auf den Überall-Kunden zielt: Der Erfolg und das Vertrauen jedes einzelnen Kunden ist die Messlatte für den Erfolg des Weltmarktführers für Unternehmenslösungen. Jeder Kunde hat in dieser global vernetzten Welt eine mächtige Stimme, mit der er  unmittelbar Millionen Zuhörer findet, beobachtet Snabe. Und umgekehrt kann jeder an jedem Punkt der Erde eine Million Stimmen abrufen: „Mobility is the new desktop“, meint McDermott.

Nach ziemlich genau 100 Tagen im Amt (also, genau genommen sind es ja 200 Tage) vermitteln die SAP-Kapitäne, dass der Saphir umgeschliffen und neu gefasst ist. Sein Glanz, so konnte man auf der Leinwand und im Auditorium an beiden Standorten sehen, spiegelt sich bereits wieder in den Augen der Anwender. Die Mattigkeit der zurückliegenden 18 Monate scheint wegpoliert.

Dabei ist es faszinierend mitzuerleben, wie auf allen Hierarchieebenen das Hohe Lied der Partnerschaft gesungen wird. Es sind die vertikalen Addons, die den Markterfolg von Business by Design bewirken. Es sind die Implementierungspartner für die OnPremise-Lösungen, die den Value Add bringen. Es sind Cisco, EMC und VMware, an deren Virtual Computing Environment (VCE) SAP nun aktiv  teilhaben will, um Kunden eine Infrastruktur zur Virtualisierung anzubieten. Und nicht zuletzt ist es der Langzeitpartner Sybase, mit dessen geplanter Übernahme die Versäumnisse der vergangenen 15 Jahre nachgeholt werden sollen.

Denn es ist geradezu ein Treppenwitz der Datenbank-Geschichte, dass es die Weigerung von Sybase war, zeilenorientiertes Locking in seine RDBMS einzubauen, die Mitte der neunziger Jahre SAP dazu nötigte, Oracles Datenbankangebote für die eigenen Unternehmenslösungen zu favorisieren. Und es war der unglaubliche Marketing-Deal von Sybase, dem Konkurrenten Microsoft sowohl Brandname als auch Technology für ein eigenes Datenbank-Angebot zu verkaufen, das MS SQL Server zur anderen großen Datenbankbasis der SAP machte. Jetzt, muss sich Hasso Plattner gedacht haben, zwingen wir sie mit einem 5-Milliarden-Dollar-Scheck und befeuern nebenher unsere eigene On-Device-Strategie. Denn Sybase bietet in der Tat genug Technologie, um aus dem „Now und Here“ ein „Anytime und Everywhere“ zu machen – On Premise, On Demand und On Device.

Yourbase, Mybase, Sybase

„Solange ich den Gegner nicht niedergeworfen habe, muss ich fürchten, dass er mich niederwirft“ – formulierte Carl von Clausewitz die sich selbst verstärkende Wechselwirkung des Krieges. Man muss sich jetzt nicht dafür entschuldigen, dass die Rivalität zwischen SAP und Oracle Kriegsassoziationen weckt. Die Sprache bietet genug Martialisches zur Untermauerung: Da werden ganze Breitseiten an Sottisen verschossen, geht man vor Gericht in den Clinch, führt Produktschlachten und nicht zuletzt geht es um die Eroberung gegnerischen Terrains – zwischen den beiden Flaggschiffen der Unternehmenssoftware wird sobald kein Waffenstillstand herrschen.

Seit sich Oracle zum Datenbankgeschäft eine Anwendungssuite erst hinzugekauft und später auch entwickelt hat, bemüht sich SAP eine offene Flanke (sic!) im eigenen Produktangebot zu schließen – zu oft musste und muss SAP eigene Kunden mit Oracle teilen, weil diese zur SAP-Lösung eine Oracle-Datenbank einsetzen. Der Wunsch nach Unabhängigkeit, wenn nicht Unangreifbarkeit hat schon zu Partnerschaften mit IBM (DB2) geführt und ist auch – neben Performancegründen – eine treibende Kraft hinter den Plänen zur In-Memory-Database.

Jetzt hat SAP einen Milliardengriff angekündigt, um durch ein integriertes Angebot aus Anwendung und Datenbasis mit Oracle gleichzuziehen. Mit Sybase kommen SQL Anywhere für mobile Anwendungen und IQ als spaltenorientierte relationale Datenbank ins Portfolio. Man wird sehen, wie lange es braucht, bis ein erstes integriertes und vor allem optimiertes Komplettangebot auf den Anwendertisch kommt – natürlich vorausgesetzt, die Anteilseigner und die Kartellbehörde stimmen zu.

Ebenso wichtig aber ist der innovative Schwung, der durch I- Anywhere in die Weiterentwicklung des Lösungsportfolios gebracht wird. Denn die Middleware hilft SAP künftig, mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PC zu integrieren und damit Dashboards und Informationssysteme dem Management nicht nur an die Hand geben, sondern im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand zu legen.

SAP äußerte sich erst auf der Sapphire offiziell zu den Beweggründen für diesen Deal und stellt in der Tat In-Memory-Technology, Integration und mobile Anwendungen in den Vordergrund. Das Signal dahinter soll lauten: schaut her, wir sind innovativ, kommen mit neuen Technologien auf den Markt und sind darüber hinaus auch aufgeschlossen gegenüber neuen Geschäftsmodellen. Denn Business by Design, die Software zum Mieten, ist kurz vor der breiten Marktverfügbarkeit. Spät, aber deutlich vor anderen.

Der Sybase-Deal hat aber auch eine dunkle Seite. Wenn Innovation eingekauft werden muss, fehlt die innovative Kraft dann im eigenen Haus. Wenn I-Anywhere so attraktiv ist, ist das dann ein Eingeständnis, dass mobile Netweaver nicht den Durchbruch verspricht. Oder ist alles zusammen der Grund, warum man in Walldorf mit Sybase einfach nur – was durchaus legitim wäre – Zeit einkaufen will?

Doch neben der Zeit gibt es eine weitere Dimension, die mit Sybase gewonnen werden dürfte – auch wenn keiner darüber sprechen mag: den Raum. Mit der Kundenbasis erhöht SAP seine Präsenz in den USA ganz erheblich und greift Oracle damit im doppelten Sinne auf dem Home-Turf an: dem Markt der Datenbankkunden in Nordamerika. Und wer hat gesagt, dass harmonisches Wachstum gut und der Zukauf von Umsatz schlecht ist? Oracle nutzt diesen Kniff seit Jahren – und wird jetzt selbst gekniffen.