Wissen wäre Macht

In einer aktuellen – und als repräsentativ eingestuften – Umfrage des Meinungs-Portals Civey sollten am vergangenen Wochenende C-Level-Entscheider eines Unternehmens – also Manager in der Position mit irgendwas mit „Chief“ – auswählen, welche der vorgegebenen Digitaltechnologien für ihr Unternehmen in naher Zukunft richtungsweisend sein würden. Zur Auswahl standen Blockchain, Kryptowährung, NFTs, Virtual Reality, Augmented Reality – und natürlich „Keine der Genannten“ und „Weiß nicht“.  Und wenig überraschend sagten 64 Prozent der befragten Chiefs, dass keine der genannten Technologien künftig einen Einfluss aufs Geschäft haben werde. Weitere 5,5 Prozent zuckten mit den Schultern: „Weiß nicht“!

Bleiben noch 30 Prozent, die irgendwie die genannten Technologien mit ihrer eigenen Zukunft verbinden konnten. Immerhin zwölf Prozent der Befragten sahen in Augmented Reality einen nennenswerten Einfluss auf die künftige Geschäftsentwicklung, der Rest verlief im marginalen Bereich. Ausgenommen NFTs, die von den Managern ausnahmslos – also mit 0,0 Prozent – als irrelevant eingestuft wurden. Nun soll dies kein Pro-Seminar zu Digitaltechnologien werden, in dem der feine Unterschied zwischen Virtual und Augmented Reality herausgearbeitet wird oder erklärt wird, warum Blockchain-Technologie nicht zwangsläufig etwas mit Kryptowährungen zu tun haben muss.

Aber NFTs wollen wir angesichts der Tatsache, dass 100 Prozent der Befragten sie für sich als unwichtig identifizierten, nun doch kurz deuten:  NFT steht nämlich für Non-Fungible Tokens und ist ebenfalls eine Blockchain-Technologie, mit der auf digitale Objekte wie 3D-Dateien, Audios, Videos etc. verwiesen wird. Wer also beispielsweise im  Vertrieb oder im Handel originale oder einmalige digitale Objekte an Kunden, Interessenten oder in weltweiten Teams an Mitarbeiter verschicken will, kommt an NFTs eigentlich nicht vorbei. Das Auktionshaus Christie´ s hat unlängst ein originales digitales Objekt (Bild), also ein NFT, versteigert. Man kann damit also tatsächlich Geschäft machen.

Aber wenn NFTs in der Geschäftswelt keiner kennt, dann will sie dort auch keiner. Darin zeigt sich ein massives Qualifikationsproblem. Es wird – wie sich zeigt – höchste Zeit für ein deutsches Blockchain-Kompetenzzentrum. Aber Blockchains sind nicht die einzige Technologie, bei denen mittelständische Top-Manager unwissend die Schultern zucken. Es gilt bedauerlicherweise für praktisch alle Digitaltechnologien – angefangen beim Internet der Dinge und nicht enden wollend beim Homeoffice.

Das haben mittelständische Unternehmer längst als ihr massivstes Problem erkannt. Vier von fünf Unternehmern sehen im Mangel an qualifiziertem Personal den Haupt-Hinderungsgrund für die Umsetzung von Digitalprojekten, wie eine jetzt veröffentlichte Studie über das Innovations- und Investitionsgeschehen in mittelständischen Unternehmen deutlich macht. Und dieser Fachkräftemangel ist der wesentliche Grund, warum mittelständische Unternehmen keine Visionen für die digitale Transformation entwickeln, geschweige denn verwirklichen. Für sie gilt: Wissen wäre Macht.

Aber sie wollen doch, signalisiert eine jetzt von der DZ-Bank herausgegebene Sonderbefragung zu digitalen Innovationen im Mittelstand. Auf den Punkt gebracht lautet die Erkenntnis aus der Studie: Mehr als jeder zweite Mittelständler will in den nächsten Monaten mehr in Digitalisierung, neue Technologien und Künstliche Intelligenz investieren. Doch mehr als jedem Fünften fehlt das Personal, um Innovationen stärker voranzutreiben. Daher steckt jedes dritte Unternehmen Geld in die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter, um bei Innovationen am Ball zu bleiben. Denn Wissen ist doch Macht!

Die Studie klingt gut, hat aber einen wichtigen Designfehler. Zwar wurde sie jetzt erst veröffentlicht, doch die Befragung erfolgte vom 23. Februar (sic!) bis Mitte März. Das ist die Vor- und Frühphase des russischen Überfalls auf die Ukraine, in der wir erstens noch nichts über die deutsche Beteiligung an der Militärausstattung der ukrainischen Armee und zweitens noch nichts vom Energiekrieg, den Putin inzwischen gegen Europa losgetreten hatte, wussten. Wir wussten auch nichts von galoppierender Inflation und wegbrechenden Märkten in China. Wir waren doch noch so naiv.

Heute sind wir es nicht mehr – und halten unser Kapital in diesen unsicheren Zeiten beisammen. Das zu untersuchen wäre eine zweite Studie im Auftrag der DZ-Bank wert. Oder ganz schnell und repräsentativ bei Civey, denn Wissen ist und bleibt nun mal: Macht!

Software ist das neue Gas

Der Kern der digitalen Transformation ist weich. Weich wie Software. Algorithmen, Anwendungen und Apps treiben die Geschäftsmodelle der Zukunft – egal, ob es sich dabei um das vernetzte, autonome Fahrzeug handelt, um das Multifunktionsküchengerät mit eigenen Rezepturprogrammen aus dem Web oder um Dienstleistungen, die durch intensive Kundenkommunikation, remote Services und individualisierte Angebote ein einzigartiges Kundenerlebnis bieten. Und Software eröffnet auch neue Chancen angesichts der drückenden Energie-, Rohstoff- und Lieferkettenkrisen: Denn wer mit Hilfe von digitalen Lösungen flexibler auf neue Rohstoffquellen und Lieferketten zurückgreifen kann, wer mit Hilfe von smarten Steuerungsmechanismen seinen Verbrauch optimiert und zugleich durch agile Einkaufsoptionen günstig zukauft, hat am Ende die Nase vorn.

Das Dumme ist nur, dass es diese Algorithmen, Anwendungen und Apps in der Regel noch gar nicht gibt. Das ist schlecht für Anwenderunternehmen, die erst ihre Digitalstrategien festzurren müssen, ehe sie überhaupt definieren können, welche Anforderungen ihre „Next-Generation-Software“ erfüllen soll. Aber es ist gut für die IT-Branche, die sich in den kommenden Jahren einem deutlich wachsenden Software-Markt gegenübersieht. Die Treibmittel der digitalen Transformation müssen erst noch programmiert werden.

Das wird der Lackmus-Test für den deutschen Mittelstand. Denn je schneller es jedem einzelnen Unternehmen gelingt, die Anforderungen für die Anwendungen der digitalen Transformation zu definieren, desto früher entstehen die Algorithmen, die es in die „digital Economy“ katapultieren, in dem mit krisenhaften Herausforderungen virtuoser jongliert werden kann und gleichzeitig neue Wachstumspotenziale gehoben werden. Gelingt dies nicht, droht das Schicksal der „Steampunks“, die von der Dampfmaschine nicht lassen wollten, als längst eine elektrische Infrastruktur entstand. Es herrscht also Nachholbedarf.

Kein Wunder, dass Forrester Research in einer Vorhersage für die kommenden Jahre zu glänzenden Wachstumsraten für die Software-Industrie kommt. Demnach wird der Weltmarkt für Anwendungssoftware in diesem und im kommenden Jahr mehr als 400 Milliarden Dollar erreichen, wobei vor allem Lösungen für das Kundenbeziehungsmanagement gefragt sind und als Einzelmarkt 64 Milliarden Dollar erreichen sollen. Ähnlich stark zulegen soll Collaboration-Software wie Teams, Zoom und Slack, die vor allem das Homeoffice und virtuelle Meetings unterstützen. Und wie immer sind ERP-Anwendungen aus Forrester-Sicht mit einem mehr als zehnprozentigen Wachstum bei den Gewinnern. Kein Wunder – denn hier wird die Vergangenheit in die Gegenwart geholt, oder OnPremises in die Cloud verlagert.

Software ist das neue Gas – und Anwenderunternehmen begeben sich sehenden Auges in die Abhängigkeit ihrer großen Lösungs-­ und Infrastrukturlieferanten. Stockt die Pipeline an Software-Innovationen, dann stockt auch die digitale Transformation. Und dieses Szenario ist angesichts des massiven Entwicklermangels zu befürchten. Forrester sieht allerdings durchaus Chancen in diesem Nachfragemarkt. Die Preise für Lizenzen, Wartung und Cloud-Services werden drastisch steigen, lautet die Prognose.

Aber: Was Forrester übersehen hat, ist die Tatsache, dass immer mehr Anwenderunternehmen ihre dringend benötigten Algorithmen selbst entwickeln – auch, weil sie die nötige Expertise bei den Software-Anbietern nicht vorfinden. Denn beide leiden gleichermaßen unter dem drückenden Fachkräftemangel bei Entwicklern, IT-Administratoren und IoT- oder KI-Spezialisten. Sie qualifizieren deshalb ihre Fachexperten zu „Quasi-Entwicklern“ um, die mithilfe von DevOps, großen App-Bibliotheken und Entwicklungsumgebungen, die durch Drag and Drop bestehende Funktionsbausteine integrieren, die dringend benötigten Anwendungen selbst generieren. Diese Low-Code- / No-Code-Entwicklungsumgebungen sind nach der Einschätzung der Gartner Group das „nächste große Ding“, das vor allem den Flaschenhals der Entwicklerkapazitäten bei Software-Anbietern wie –Anwendern weiten könnte.

Danach wäre allerdings immer noch Software das neue Gas. Denn wer es fertig bringt, den Anwendern diese Low-Code- / No-Code-Entwicklungsumgebungen zu liefern und mit Bausteinen für künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge oder für eCommerce- und CRM-Anwendungen anzureichern, wird das neue Nordstream der Software-Lieferungen errichten. Da können wir nur hoffen, dass dann die Abhängigkeit von US-Unternehmen größer sein wird als die von chinesischen Anbietern. Das wäre dann der nächste Knebel-Hebel.

Gehen uns die Unternehmer aus?

Startups gelten in der Regel als Gradmesser für den Innovationsstandort Deutschland. Erst kürzlich hat die Ampelkoalition dazu ihr zentrales Strategiepapier vorgelegt, nach dem die Bundesregierung unter anderem ein sich selbst verstärkendes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer schaffen will und nicht zuletzt zehn Milliarden Euro in einem für Jungunternehmen ausgelegten Fördertopf der Kreditanstalt für Wiederaufbau bereitstellen will. Ob damit die Zahl der Startup-Gründungen im Jahr endlich einmal über die 3000er-Marke steigt, bleibt fraglich. Denn auch wenn die Bedingungen stimmen, fehlt oft der Mut zum Risiko, wie eine McKinsey-Studie zeigt. Die Deutschen, so heißt es lapidar, sind generell einfach eher risikoavers.

Das war mal anders – sonst gäbe es nicht die Abertausend traditionsreichen Familienunternehmen, die das Rückgrat des Mittelstands bilden. Allerdings: der Median für die Gründungsjahre der rund 30.000 mittelständischen Unternehmen im Familienbesitz liegt ungefähr bei 40, sprich: die Hälfte der Firmen ist jünger als 40 Jahre. Es brauchte also vier Jahrzehnte, um in Deutschland die Hälfte der Familienunternehmen ins Leben zu rufen. Die Zeit wäre kürzer, der Median also kleiner, würde in Deutschland eifriger gegründet.

Man könnte die hohe Zahl der offensichtlich in Überlebensstrategien versierten Traditionsunternehmen auch so interpretieren: Deutschlands Unternehmensstruktur ist überaltert. Aber das würde den bemerkenswerten Überlebens- und Erneuerungswillen in den alten Gründerfamilien ignorieren. Es ist der Innovationsgeist des Mittelstands, der dazu beiträgt, dass sich Unternehmen immer wieder neu erfinden, inhaltlich verjüngen und dabei nachhaltig wachsen. Das liegt vor allem an den beiden Königsdisziplinen im deutschen Mittelstand: Produktinnovation und Prozessinnovation. Die erste zielt auf Wachstum, die zweite auf Effizienz. Beides sind die zentralen Überlebensstrategien im Mittelstand.

Doch das wird immer schwieriger, wie eine soeben vorgelegte Studie im Auftrag des Bundesverbands Merger and Acquisitions ergab: Denn nicht nur beklagen demnach die Unternehmer eine wachsende Komplexität im Handlungsumfeld, die sich sowohl auf gesetzliche Regularien, auf Branchenspezifika wie auch auf technische Herausforderungen bezieht. Viel stärker wiegt noch die Tatsache, dass nur jeder fünfte Unternehmer in der eignen Familie einen Nachfolger entdeckt, während nur ein Drittel der Unternehmen sich überhaupt planvoll auf eine mögliche Nachfolgeregelung vorbereitet sieht.

Auch hier zeigt sich: auch die Nachfolgegeneration bleibt risikoavers – trotz täglicher Berichte über ertragreiche Börsengänge, erfolgreiche Einhörner und der positiven Erfahrungen in der eigenen Unternehmerfamilie. Neben dem sattsam bekannten Fachkräftemangel manifestiert sich hier ein kritischer Führungskräftemangel. Gehen uns die Unternehmer aus?

Nun, es ist auch kein Zuckerschlecken, angesichts von explodierenden Energiekosten, galoppierenden Rohstoffpreisen, Qualifizierungsdefiziten und Bürokratieüberschuss ein Unternehmen zu gründen oder zu führen. Doch das war es während der Wirtschaftswunderjahre auch nicht. Und dennoch war damals die Stimmung besser als heute in den Zeiten von Kriegen, Klima, Kostenexplosion und sonstigen Krisen. Da helfen dann auch die Abertausend Absolventen für Betriebswirtschaft und Entrepreneurship nicht. Da helfen nur Zuversicht und Optimismus. Weil die fehlen, denken mehr und mehr Unternehmer ausweislich der M&A-Studie über Firmenverkäufe nach.

Da lässt sich durchaus gegensteuern und besteuern. So wie Startups-Gründungen nun mit Recht gefördert werden, müssen auch die Innovationsprogramme für den Mittelstand ebenso aufgestockt werden wie die Entlastungspakete für die wirtschaftliche Mitte. Und wer bei der Reform der Erbschaftssteuer gleich den Wutbegriff von der Reichensteuer im Munde führt, verkennt, dass es sich heute kaum noch jemand leisten kann, sein Unternehmen zu vererben, weil die nachfolgende Generation ihren Einstieg ins Unternehmertum unter einer hohen Steuerlast beginnt.

Wir brauchen eine Politik, die verhindert, dass uns die Unternehmer ausgehen. Sonst gehen auch noch die Lichter aus.

Keine Innovation ohne Transpiration

Sie ist wieder da, die Mittelstands-Innovationsförderung ZIM der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Nachdem ein rundes Vierteljahr lang keine Anträge auf der Internetseite des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand des Bundes eingereicht werden konnten, läuft der Bewilligungsprozess seit letzter Woche wieder an. Ob es tatsächlich einen Antragsstau gab oder ob die ZIM-Pause ohnehin in eine Zeit der Förderflaute gefallen war, wurde bislang nicht untersucht. Tatsächlich aber hält der Mittelstand sein Portemonnaie zugeknöpft und schnallt den Gürtel enger.

Die Gründe sind sattsam bekannt: Explodierende Preise für Energie und andere Rohstoffe, die wiederum eine galoppierende Inflation befeuern; gesprengte Lieferketten und einbrechende Märkte in China und – aufgrund der Sanktionen – in Russland. Und nicht zuletzt fehlt es im Mittelstand an einem der wichtigsten Rohstoffe für den Innovationsstandort Deutschland: Köpfe, aus denen die Ideen für Morgen entspringen. Und alle diese Herausforderungen haben irgendwie irgendwas mit nachhaltigem Wirtschaften angesichts einer erschöpften Erde zu tun. Da kann man in der Tat ins Schwitzen kommen. Aber ohne Transpiration keine Inspiration.

Und darauf folgen Innovationen, die sämtlich nicht bahnbrechend und epochal sein müssen, aber jeden einzelnen mittelständischen Betrieb ein kleines Stück voranbringen. Deshalb rechnet die KfW auch mit einer deutlichen Antragsflut bei der ZIM-Förderung. Und das, obwohl die Bedingungen nach dem Pausenpfiff deutlich verschärft wurden: Die Frist zwischen zwei Anträgen pro Unternehmen wurde auf zwei Jahre verlängert.

Auch wenn der Bund die Mittel für die ZIM-Förderung 2023 ausweislich des Haushaltsentwurfs erhöhen will, erscheint die Fristverlängerung auf den ersten Blick kontraproduktiv. Denn besonders innovative Mittelständler werden so bestraft. Sie müssen sich weitere Finanzierungsquellen suchen, um ihre Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsprojekte voranzubringen. Das sind in der Regel die Hausbanken, die dann das Innovationsprojekt vorfinanzieren sollen. Aber seit die Leitzinsen steigen, wird auch dieser Weg immer schmaler. Ohnehin greift der Mittelstand längst seine Rücklagen an.

Auch die Aussicht auf Mittelkürzungen, die dann drohen, wenn die Antragswelle tatsächlich heranrollen sollte, klingt kontraproduktiv. Wäre es nicht vielmehr sinnvoll, jetzt die Bazooka für Innovationsförderung herauszuholen, um jeden Kubikmeter Gas, jede Kilowattstunde Strom, jeden Kilometer Lieferstrecke einzusparen und umgekehrt jede neue Produktidee, jede Prozessoptimierung, jedes innovative Geschäftsmodell zu fördern? Statt durch Steuersenkungen auf Energiekosten diejenigen zu belohnen, die weiter aus ihren fossilen Quellen schöpfen, sollte das Innovationstempo im Mittelstand durch mehr Anreize forciert werden und jeder Antrag im Sinne der Energiewende, der Mobilitätswende, der digitalen Transformation großzügig und positiv bewertet werden. Im Übrigen würde das auch die Binnennachfrage fördern und damit Steuergelder in den Bund zurückspülen.

Aber nun gut. Es ist ja auch nicht so, als wäre das Innovationstempo in Deutschland durch das ZIM-Moratorium ausgebremst worden. Allzu hoch war die Bereitschaft im Mittelstand, Innovationen herbeizuführen, ja auch vor Corona wegen allzu praller Auftragsbücher schon nicht. Zwar erklärten die Ampelparteien in ihrem Koalitionspapier den Mittelstand als das Rückgrat der Erneuerungskultur hierzulande. Aber wenn wir uns ehrlich machen, ist dies eine schöne Sonntagsredenfloskel. Die Defizite in der Digitalisierung, bei eingereichten Patenten, in der Elektromobilität oder bei der Mitarbeiterqualifikation muss ja seit Jahrzehnten beklagt werden.

Wenn Not, wie es im Volksmund heißt, erfinderisch macht, dann gilt womöglich auch der Umkehrschluss: Wohlstand macht denkfaul. Es ist genau das Phänomen, auf das wir derzeit in nahezu allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft stoßen. Wir sind aus unserer Komfortzone gestoßen worden und wundern uns über die raue Welt da draußen. Und wer soll helfen? Der Staat!

Das klingt hart und ungerecht? Mag sein. Aber jahrelang haben wir uns auf billiger Energie ausgeruht und dabei drastische Steuerlasten auf Öl und Gas billigend in Kauf genommen. Es ist bequem, dafür im Nachhinein die Merkel-Regierungen I bis IV allein verantwortlich zu machen. Jetzt, wo Energie zu Weltmarktpreisen bezahlt werden muss, wachen wir in der Realität auf. Natürlich ist es naheliegend, jetzt die Steuerlast auf Energie zu senken und den Unternehmen ein zumindest befristetes Steuer-Moratorium zu gewähren.

Aber wäre es nicht zugleich das falsche Signal? Wer jetzt bei der Energiewende im eigenen Heizungskeller ins Schwitzen kommt, muss im Winter nicht frieren. Denn: Ohne Transpiration keine Innovation.