Ressource Mensch

Wer hätte das gedacht: Die deutschen Startups scheinen sich erstaunlich gut in der Corona-Krise zu behaupten. Zwar haben sie – wie alle anderen Unternehmen im Lockdown auch – mit deutlichen Umsatzeinbußen zu kämpfen. Aber Gesundschrumpfen ist für sie keine Option. Nur 12,8 Prozent – also jedes achte Startup – denken an Personalabbau. Die Aufträge bei Dienstleistern zu stornieren, ist auch nur für 14,9 Prozent im Gespräch. Das ergab der jetzt vorgestellte achte Deutsche Startup Monitor, der auf einer Befragung im Frühsommer beruht. Die Studie wurde vom Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship der Universität Duisburg-Essen wissenschaftlich begleitet und durch PricewaterhouseCoopers unterstützt. Danach hat jeder vierte Gründer darüber nachgedacht, für seine Mitarbeiter Kurzarbeitergeld zu beantragen. Zum Vergleich: in der Gesamtwirtschaft sind es mehr als 70 Prozent der Unternehmen, die Kurzarbeit beantragt haben.

Dabei ist die durchschnittliche Teamgröße der deutschen Startups inzwischen auf 14 Mitarbeiter angestiegen. Damit kann die deutsche Startupszene mit geschätzten 50.000 Mitarbeitern inzwischen ein nennenswertes Segment am Arbeitsmarkt für sich beanspruchen. Allerdings handelt es sich dabei um besonders hoch qualifizierte Mitarbeiter, die nicht nur die digitalen Tugenden beherrschen, sondern in disruptiven Geschäftsmodellen denken. Da liegt es nahe, dass diese hochgeschätzte Ressource Mensch möglichst ans Unternehmen gebunden bleibt. Ja, mehr noch: nach der Krise wollen 90 Prozent der Startups heftig Personal rekrutieren. Im Durchschnitt planen sie mit weiteren sechs Mitarbeitern in den kommenden zwölf Monaten. Allein bei den im Deutschen Startup Monitor befragten Unternehmen wäre das ein Zuwachs von mehr als 11.000 Arbeitsplätzen.

Deshalb sparen Startups lieber in anderen Bereichen. So wollen zwei von drei Gründern die eigene Produktentwicklung stärker auf sichere Umsatzbringer fokussieren. Interessant ist dabei, dass die Startups die Corona-Krise auch als Marktchance sehen und zusätzliche digitale Angebote entwickeln wollen – das reicht vom Lieferdienst bis zu Gesundheits-Trackern. Aber gut die Hälfte denkt darüber nach, geplante Investitionen zu verschieben.

Davon ausgenommen sind allerdings weitgehend Globalisierungsbestrebungen: Nahezu zwei Drittel planen trotz aktueller Unsicherheiten eine weitere Internationalisierung. Dabei sind es vor allem die Länder der Europäischen Union, in die es die Startups zieht. Nordamerika und die europäischen Nicht-EU-Länder sind zu je 30 Prozent das Ziel der Internationalisierung. Startups planen also eine zügige Marktausweitung.

Auch dabei setzen Startups auf die Ressource Mensch. Schon jetzt haben 26,6 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Migrationshintergrund. Und auch bei den Gründerinnen und Gründern ist der Anteil der Menschen mit ausländischen Wurzeln höher als in der Gesamtwirtschaft. Interessantes Aperçu dazu: ihr Anteil ist in der Metropolregion Rhein/Ruhr besonders hoch, dort ist aber der Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund besonders niedrig.

Die Angst, wertvolle Mitarbeiter an Mittelständler und globale Konzerne zu verlieren, hat lange Zeit Kooperationen zwischen etablierten Unternehmen und Startups behindert. Doch die Krise schmiedet neue Bettgesellen: die Mehrheit der Startups hat im vergangenen Jahr die Partnerschaft mit mittelständischen Champions gesucht – mehr noch als mit Startups aus dem eigenen Ökosystem. Die Zusammenarbeit zwischen „Unternehmen mit Vergangenheit“ und „Unternehmen mit Zukunft“ ist aus mehreren Gründen sinnvoll: die einen haben Kunden und Märkte, die anderen Produktinnovationen und disruptive Geschäftsmodelle. Und beiden fehlt es an Fachkräften. Wo sie fehlt, ist die Ressource Mensch der größte Wachstumshemmer. Das gilt für die Etablierten ebenso wie für die Newcomer. Co-Working und Co-Innovation ist deshalb nicht nur in Krisenzeiten für beide Seiten ein Gewinn. Denn angesichts des demographischen Wandels und neuen Qualifikationen wird die Ressource Mensch immer ein knappes Gut bleiben.

Et hätt noch immer jot jejange…

Der Paragraph 3 des Kölner Grundgesetzes – „Et hätt noch immer jot jejange“ – soll so viel bedeuten wie: Wird schon gutgehen. Oder: Was bisher geklappt hat, klappt auch weiterhin. Die Kölner Nonchalance lässt sich nur vollends verstehen, wenn man auch die beiden vorhergehenden Paragraphen verinnerlicht. Erstens: „Et es wie et es“ (Es ist, wie es ist), Zweitens: „Et kütt wie et kütt“ (Es kommt, wie´s kommt). Wichtig für das Verständnis der Rheinischen Frohnatur ist auch Paragraph 4: „Watt fott es, es fott“, (Weg ist weg!). Der kurze Einblick in die Kölsche Seele – sie muss aus Platzgründen so kurz ausfallen – erklärt unter anderem auch, warum es in Köln weniger Corona-Tote gibt als beispielsweise in Düsseldorf. Ja, er lässt sich überhaupt ganz allgemein als Empfehlung für den Umgang mit der Corona-Pandemie verwenden.

Hans-Toni Junius steht als Westfale nicht unbedingt im Verdacht des Rheinischen Leichtsinns. Aber auch dem Sprecher der Geschäftsführung des Hagener Familienunternehmens C.D. Wälzholz GmbH und Co. KG kommen zum Thema Corona-Lockdown so leichte Sätze über die Lippen wie: „Es ist zum Glück nicht so schlimm gekommen, wie im Frühjahr befürchtet.“ Das liege zum einen an dem „gestaffelten und gut bestückten Instrumentenkasten“, den die Bundesregierung geöffnet hat, zum anderen daran, dass man in den vergangenen Jahren „das Geld möglichst beieinander gehalten“ hat.

Junius, der zugleich Vorsitzender des BDI/BDA-Mittelstandsausschusses ist, spricht nicht nur für das Hagener Unternehmen, wenn er betont, dass die Mehrheit im Mittelstand eigenes unternehmerisches Krisenmanagement gegenüber staatlichen Fördermaßnahmen bevorzugt. 62 Prozent der im BDI-Herbstgutachten zu Corona-Brennpunkten befragten industriellen Mittelständler wollen keine staatlichen Fördergelder in Anspruch nehmen. Einer der Gründe: die Förderbedingungen schränkten zum Teil unternehmerische Freiheiten zu stark ein. Davon aber nehmen Mittelständler und Familienunternehmen so weit wie möglich Abstand. Sie halten es mit dem sechsten Kölschen Grundsatz: „Kenne mer net, bruche mer net, fott damet.“ – (Also in Hochsprache: Kennen wir nicht, brauchen wir nicht, weg damit.)

 

 

Tatsächlich, so ergab eine Analyse von rund 300.000 Bilanzen von Unternehmen mit einem Umsatz zwischen zwei und 50 Millionen Euro, die der Sparkassen- und Giroverband jetzt veröffentlich hat, sind 95 Prozent der untersuchten Unternehmen auch im Corona-Jahr in der Gewinnzone. Zwar liegt die durchschnittliche Umsatzrendite nur noch bei 3,5 Prozent und damit halb so hoch wie im Vorjahr, doch von einer Insolvenzwelle ist der Mittelstand offensichtlich weit entfernt: nur jedes 50. Unternehmen sieht tatsächlich die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Aus in den nächsten sechs Monaten. Also: „Et hätt noch immer jot jejange.“

Doch wahrscheinlich stehen uns noch in der Corona-Zeit, mehr aber noch in den Monaten danach Veränderungen ins Haus, die weit über die Leitplanken Kölscher Weisheiten hinausgehen: Die weltweit voranschreitende Digitalisierung einerseits und globale Klimaveränderung andererseits verlangen nach innovativen, wenn nicht gar disruptiven Ansätzen, die weiter gehen als die bisher bewährten mittelständischen Tugenden des „Geld-Zusammenhaltens“. Das sieht auch Junius so: Zur Stärkung der Widerstandskraft empfiehlt er ein „Dreigestirn“ aus Produktinnovationen, gezielter Digitalisierung und Weiterbildung. Ein schulterzuckendes „Et kütt wie et kütt“ könnte da eindeutig zu wenig sein.

Die gegenwärtige Krise ist auch eine Chance zum Neuanfang – zum Beispiel beim Wiederanlauf von gestörten Lieferketten, die durch eine bessere integrative Vernetzung leistungsfähiger und ressourcenschonender gestaltet werden können. Auch die Möglichkeit, hybride Strukturen aus Firmenarbeitsplatz und Homeoffice zu gestalten, könnte mehr Flexibilität schaffen. Und nicht zuletzt schlummern in vielen Unternehmen ungehobene Datenschätze, die gehoben, ausgewertet und verstanden werden müssen.

Da ist vor allem der Mittelstand als Anwender gefordert, der die Krise zur Gestaltung einer Digitalisierungsstrategie nutzen muss. Da sind aber auch die IT-Anbieter gefordert, die sich jetzt darauf einstellen müssen, dass die Nachfrage nach IT-Services in den kommenden Monaten rapide ansteigen wird. Egal, ob Amazon, Microsoft, SAP oder Deutsche Telekom – ohne ihre mittelständischen Partner haben sie nicht einmal die Chance, den anstehenden Bedarf zu decken. Deshalb kommt den Software- und Servicehäusern eine überdimensionale Bedeutung, aber auch Verantwortung beim Wiederanlauf der Wirtschaft zu. In Deutschland ist der IT-Sektor mit einem branchenweiten Umsatzminus von 1,2 Prozent bislang relativ glimpflich davongekommen.

Das ist kein Anlass, sich zurückzulehnen. Denn jetzt muss er eindeutig mehr Initiative zeigen. Es wäre absurd, wenn der Innovationswille im industriellen Mittelstand durch den langsamen IT-Mittelstand ausgebremst würde. Dann wäre „et hätt noch immer jot jejange“ nur noch ein Nachhall versäumter Chancen.

Raus aus der Corona-Komfortzone

Nichts sei älter, so sagt man, als die Zeitung von gestern. Der Satz aus der guten alten analogen Welt dürfte noch mehr auf die neue digitale Welt zutreffen. Aber in beiden Fällen gilt auch: Je älter Zeitungen werden, desto spannender werden sie auch wieder. Nehmen wir zum Beispiel die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 4. Januar 2020, in der unter „Vermischte Meldungen“ folgendes zu lesen ist:

„Eine bisher nicht identifizierte Lungenkrankheit ist in der zentralchinesischen Metropole Wuhan ausgebrochen. Bislang seien 44 Menschen erkrankt…“ Und dann der letzte Satz: „Die Weltgesundheitskommission setzte ein Untersuchungsteam ein.“

Was da unter „Vermischtes“ erstmals auftrat, hat die Weltwirtschaft und die globale Gesellschaft ins Mark getroffen. Aber es lohnt sich, daran zu erinnern, dass Wirtschaft und Gesellschaft zu Beginn des Jahres 2020 bereits ins Mark getroffen waren – vom Ende der boomenden Konjunktur, vom Greta-Menetekel, von zunehmendem Nationalismus und Populismus. Die Lufthansa warnte vor einem schwierigen Jahr im Flugverkehr, die Automobilindustrie erkannte eine weltweite Absatzkrise, der Export sah seine Möglichkeiten durch Handelskriege eingeschränkt, Behörden riefen Infrastrukturzuschüsse aus Mangel an Planungskapazitäten nicht ab, Bildungsexperten sahen von der Kita bis zur Uni einen Investitions- und Innovationsrückstau – und der Mittelstand warnte erstens vor den Kosten der Klimaneutralität und zweitens davor, dass für die überfällige Digitalisierung in Zeiten starker Konjunktur die Zeit gefehlt habe, in der beginnenden Rezession aber das Geld für die digitale Runderneuerung fehle.

Corona hat die Weltwirtschaft in eine nie dagewesene Krise geworfen. Aber das Virus traf bereits auf eine angeschlagene Wirtschaft, die – zumindest in Deutschland – die milliardenschweren Soforthilfen dankbar angenommen hat, weil sie auch die eigenen Versäumnisse damit zudecken konnte. Der Schwenk ins Homeoffice und der damit verbundene Digitalisierungsschub war keine Meisterleistung, sondern eine längst überfällige Aktion von digitalen Nachzüglern. Und nur 40 Prozent der von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände befragten Mitarbeiter trauen ihrem Unternehmen überhaupt zu, dass sie die dabei gewonnene Flexibilität auch in die Zeit nach Corona hinüberretten werden.

Jetzt fordert Mittelstandspräsident Mario Ohoven von der Politik eine „Agenda 2025“, damit Deutschland „besser aus der Corona-Krise kommt“. Die Forderung ist so richtig wie trivial, so überfällig wie überflüssig. Denn es ist eine Sache, nach staatlicher Förderung für Neustrukturierungen, nach verbesserten Rahmenbedingungen für Wagniskapital, nach noch mehr Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu rufen. Die andere Sache aber ist, auch endlich zu handeln. Viele Unternehmer haben sich in der Zeit der guten Konjunktur und anschließend in der Corona-Krise als Unterlasser gezeigt. Natürlich gibt es die existenzbedrohenden Umsatzeinbrüche, das Wegbrechen von Lieferketten und Märkten im Lockdown – aber mit Kurzarbeit und Soforthilfen ließen sich auch so manche hausgemachten Probleme übertünchen. Corona ist – auch – eine intellektuelle Komfortzone, in der es sich leicht begründen lässt, keine Zukunftsvisionen zu haben.

Die Politik und die sie beratenden Wirtschaftsweisen rechnen damit, dass sich die deutsche Wirtschaft erst im Jahr 2022 vollständig von der Krise erholt haben wird – und auch das nur dann, wenn es nicht zu einem erneuten Lockdown in einer zweiten pandemischen Welle kommt. Dabei wird so getan, als sei der Wettbewerb mit den USA und China ganz naturgegeben schon verloren. Chinas Agenda für 2025 wurde erstmals vor zehn Jahren formuliert und wird seitdem kontinuierlich fortgeschrieben. Sie umfasst so kritische Technologietrends wie das Internet of Things und Smart Factories, Machine Learning und künstliche Intelligenz, Biotechnologie und Gentechnik, Smart Home und Smart Cities, Blockchain und Fintech, Security und Cybercrime.

Und wir? Wir haben eine KI-Enquete-Kommission, die nach langem kreißen eine Kommuniqué-Maus gebiert, Initiativen, denen die Initiative fehlt, und Unternehmen in der Corona-Komfortzone. Raus da, aber schnell!

 

 

Initiativen ohne Initiative

Eigentlich müsste man dem Hochleistungsrechnen mit Supercomputern die Meriten für den Erfolg von Cloud Computing zusprechen. Denn deren Anschaffung und Betrieb waren schon immer so teuer, dass jede Rechnersekunde Tag und Nacht genutzt werden musste, um annähernd rentabel zu operieren. Deshalb sind Netzwerke für High Performance Computing nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In den Supercomputern hat die alte Idee des Time Sharing zu Zeiten des heiligen Hollerith überlebt. Zum Time Sharing kommen Skill Sharing und Shared Services wie Platform, Software oder Infrastructure as a Service – alles Dienstleistungen, die die heutige Cloud zum “neuen Normal” machen.

Jetzt soll mit EuroCC, dem Europäischen Supercomputer-Kompetenznetz eine Initiative entstehen, die die bereits vorhandenen Netzwerke – darunter das Unternehmen EuroHPC, die Europäische Prozessor-Initiative, das Exzellenzzentrum für HPC-Anwendungen oder die Initiative PRACE, die Anwendern Hochrechenressourcen zuteilt – zusammenfasst und unter eine einheitliche Strategie stellt. Daran hat es nämlich bislang gefehlt.

„Wie immer!“, möchte man ausrufen. Denn egal, ob Künstliche Intelligenz, Supercomputing oder Datencloud – stets stoßen wir Europäer nach Jahren auf die Erkenntnis, dass uns eine gemeinsame Strategie fehlt, während privatwirtschaftliche US-Konzerne oder chinesische Staatsunternehmen das Terrain schon längst für sich sondiert, Geschäftsmodelle entwickelt und Gewinne eingeheimst haben. Im „Digitalen Oklahoma Land Run“ wachen wir immer erst auf, wenn die anderen schon längst ihre Claims abgesteckt haben.

Nun ist das Ergebnis von High Performance Computing in erster Linie Erkenntnis-Gewinn – lange Zeit eine Domäne der Europäer, die dann aber die konkrete Vermarktung der Grundlagenforschung gerne den Schnellen und Schlauen überlassen. Aber dass jetzt ausgerechnet eine Initiative allen bisherigen Initiativen mehr Initiative im Supercomputing bringen würde, darf doch getrost bezweifelt werden. Über Jahrzehnte habe ich meine Erfahrungen in Gremien machen müssen, deren Ziel es war, die Initiative von Initiativen zu stärken. Meist endet dies mit Sand im Getriebe, Abstimmungsmarathon und verpassten Zeitplänen und Zielen. In den Gremien kann Parkinsons Gesetz, nach dem die Erledigung einer Aufgabe immer so viele Ressourcen verschlingt, wie ihr gewährt werden, voll zur Geltung kommen.

Das liegt an einem Webfehler dieser Initiativen. Sie haben hehre Ziele, beispielsweise die „technologische Souveränität“, wie Bundesbildungsministerin Anja Karliczek bei der Vorstellung von EuroCC formulierte. Aber für Tempo im weltweiten Technologiewettlauf sorgen keine abstrakten Ziele, sondern klare kommerzielle Vorgaben aus Soll und Haben, Umsatz und Gewinn, Marktpotenzial und Marktanteil.

Das ist auch der Webfehler hinter der Europäischen Cloud-Initiative Gaia-X, deren Grundsatz, einen europäischen „Datenozean“ und „Daten-Souveränität“ (so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier) zu bieten, ja zu begrüßen wäre. Die Relevanz des Projekts, nämlich technologische Unabhängigkeit von den fünf marktbeherrschenden Cloud-Providern aus den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China zu gewinnen, ist unbestritten. Doch der Gaia-X-Foundation sind inzwischen schon 22 Unternehmen beigetreten – stellvertretend für viele Hundert kleine Cloud-Provider in Europa. Es wird schon eine Herausforderung sein, diese 22 unter einen Hut zu bringen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Markt, der in der Corona-Krise noch zusätzliche Dynamik erlangt hat, demütig warten wird, bis diese Foundation sich auf eine gemeinsame Technologie, ethische Standards, ein Geschäftsmodell, ein Vertriebsmodell und schließlich auf Umsatz- und Gewinnziele geeinigt hat. Auch diese Initiative wird früher oder später durch die Einzelinteressen paralysiert werden. Statt Tempo aufzunehmen, um zehn Jahre Rückstand aufzuholen, droht der Abstimmungsstillstand. Europas Initiativen fehlt einfach die Initiative.

Doch wo wäre die Alternative? Die Initiative dem freien Markt zu überlassen, bis sich ein Europäer aufrafft, soviel Initiative zu ergreifen, wie wir sie staunend bei Elon Musk oder Jeff Bezos beobachten, hat sich in den letzten zehn Jahren ebenfalls als Irrweg erwiesen. Sie scheitern in Europa an nationaler Eigenbrötlerei. Nur die Gründung eines Unternehmens als Kind einer europäischen Industriepolitik, das sich von Anfang an am Markt bewähren muss, kann Tempo und Zielorientierung bringen. Das gelang einmal mit Airbus. Doch das zu wiederholen, auch dazu fehlt den Europäern zurzeit die Initiative.