Rettet den Euro, stärkt die Cloud

Am Ende wird es ein kleiner Button auf einer Webseite sein, der die Revolution in der Cloud symbolisieren wird. „Download all“ könnte da draufstehen oder vielleicht „Data Back“.

Die EU-Kommissarinnen Neelie Kroes (Digitale Agenda) und Viviane Reding (Justiz) haben jetzt eine europäische Cloud-Initiative ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, Verbraucher- oder Kundenstandards zu setzen, Anbietern wie Anwendern Rechtssicherheit zu vermitteln und zugleich das Vertrauen in die Cloud-Technologie zu stärken. Das niederländisch-luxemburgische Gespann ist davon überzeugt, dass Cloud Computing unter verlässlichen datenschutzrechtlichen und webwirtschaftlichen Usancen eine gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme darstellen könnte.

Nicht weniger als 2,5 Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze erwartet die EU-Kommission, wenn bis zum Jahre 2020 einheitliche Standards innerhalb der Europäischen Union zum Cloud Computing durchgesetzt werden. Die Cloud, sozusagen „IT 3.0“, wäre damit auch ein Wirtschaftsmotor ganz besonderer Provenienz: 160 Milliarden Euro Umsatz stellten die beiden Kommissarinnen in Aussicht, wenn ihre Vorstellungen von einer sicheren, transparenten und wirtschaftlich zuverlässigen Cloud in die Tat umgesetzt werden – und das jährlich.

Und in der Tat hat die Industrie ein großes Interesse daran, diesem Verhaltens-Codex aus juristischen und IT-technischen Handlungsaufforderungen nachzukommen. Die EU-Kommission hat im Vorfeld der Ankündigung offensichtlich eng mit SAP zusammengearbeitet. Allerdings offensichtlich mehr oder weniger nur mit SAP. Ein runder Tisch zur Cloud oder – zeitgemäßer – ein Webmeeting zum Thema hat es dann nicht mehr geben. Zwar wird in Brüssel regelmäßig oder gar kontinuierlich über Maßnahmen zur Standardisierung von IT- und Sicherheitstechnologien verhandelt – diese Aktion aber hatte etwas von einem Handstreich zwischen Kommission und SAP.

Das zeigt sich auch in der Abstufung, mit der andere Beteiligten der Initiative nun zustimmen. Microsoft beispielsweise bekundet Interesse – durch seinen Justiziar. Das mag damit zusammenhängen, dass die Beziehungen zwischen Microsoft und der EU nie ganz ungetrübt von Antitrust-Verfahren sind und außerdem amerikanische Cloud-Anbieter sich immer wieder schwer tun, europäisches und insbesondere deutsches Datenschutzrecht in die Tat umzusetzen. US-Anbieter sehen Europa mitunter weniger als einen Kontinent an? als einen zusätzlichen Absatzmarkt östlich der Ostküste.

Aber Neelie Kroes und Viviane Reding sehen indes gute Chancen, dass die Standards, die ihre Initiative bis Ende 2013 formuliert und dann in die Abstimmung gebracht haben soll, eine schnelle Umsetzung in der Cloud-Economy erfahren werden. Immerhin, so rechneten die beiden vor, gebe es ein Potenzial von elf Milliarden Euro Auftragsvolumen durch die Öffentliche Hand in der Europäischen Union. Der Standard, wenn denn verabschiedet, wäre damit so etwas wie eine Presidential Executive Order. Die bahnt sich in den USA noch vor dem Urnengang zur Präsidentenwahl an. Nach dem Willen von Barack Obama soll dann der im Parlament gescheiterte Security Act auf dem Dienstweg umgesetzt werden.

Dazu soll es in Europa nicht kommen, denn die Kommission weiß sich auf wunderbare Weise eins mit den nationalen Regierungen und der Wirtschaft. Ein Europäischer Sicherheitsstandard für die Cloud könnte so etwas wie ein weltweites Gütesiegel für immaterielle Wirtschaftsgüter sein. Und die boomen in der Industrialisierten Welt, während die Produktion abzuwandern droht. Wir retten den Euro, wenn wir die Cloud stärken.

Du und Deine Anwendung

Im dunklen Anzug, immer souverän und den Kunden fest im Griff – das ist das Urbild des taffen Vertriebsbeauftragten, wie ihn vor allem Thomas J. Watson für IBM durchgesetzt hatte. Der Verkaufs-Archetyp wurde praktisch überall übernommen, wo erklärungsbedürftige Produkte und Investitionsgüter vermittelt werden sollen. Der Account Manager war geboren…

Der Vertriebsbeauftragte lebt in einem eigenen Biotop – Channel genannt. Dort arbeitet er in seinem Territory, seinem Vertical, seiner Business Unit – alles Begriffe, die bereits beim Urvater des Account Managers zu Watsons seligen Zeiten eingeführt wurden. Das Vertriebsbild war die erste globale Berufsbeschreibung.

Aber der Account Manager ist vom Aussterben bedroht. Sein Lebensraum, der Channel, wandelt sich unter dem Einfluss der Cloud. Denn die Cloud ist der Channel. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen der Vertriebskollege sich mit seinem Mittelklassewagen einem Industriezentrum nähert, den Wagen abstellt und dann bei der Adresse Industriestraße 1 die Klinken zu putzen beginnt.

Cloud Computing setzt ein neues Paradigma im Softwareverkauf frei. Einer der ersten, der dies erkannte, war Marc Bennioff, der mit Salesforce.com den Wettbewerb bei CRM-Systemen heftig durcheinanderwirbelte. Während die großen ERP-Anbieter noch Klinken putzten, putzte Salesforce Klicks. Als SAP dieses Vertriebsmodell mit Business by Design nachzuahmen versuchte, kam heraus, was herauskommen musste: eine Cloud-Lösung, die von einem klassisch Klinken putzenden Account Manager vertrieben wurde. Kein Wunder, dass die vollmundig angekündigten 100.000 Neukunden für die SAP noch nicht einmal annähernd in erreichbare Nähe gerückt sind.

Doch es tut sich was im Staate. SAPs Co-CEO Jim Hagemann-Snabe kündigte jetzt SAP-Lösungen für Einzelpersonen, für Handwerker und Kleinunternehmen an. Das wäre in der Tat die Überwindung des althergebrachten Weltbildes, in dem komplexe Lösungen durch einen komplizierten Einführungsprozess für Small and Medium Businesses praktisch nicht finanzierbar waren.

Möglich macht die unglaubliche Verschlankung des SAP Geschäftsmodells nur die Cloud. Verzicht auf Account Manager, Automatisierung des Anpassungsprozesses und Virtualisierung des Betriebs sind die Alternativen zum guten alten Server im Keller. Ob SAP und andere Software-Riesen diesen Wandlungsprozess tatsächlich vollziehen können und wie schnell sie das können, wird über die internationalen Marktanteile entscheiden. Nach MySAP soll „Du und Deine Anwendung“ im Selbstbedienungsverfahren erworben, eingeführt und modifiziert werden.

Die Ankündigung ist nichts weniger als der zweite Anlauf, 100.000 Kunden zu erreichen. Sollte es gelingen, wäre die nächste Zehnerpotenz nur einige Mausklicks entfernt. Es wird einsam werden um den taffen Vertriebsbeauftragten. Aber werden wir ihn vermissen?

Executive Order

Für Jack Ryan wäre es einfach nur eine weitere unfassbare Katastrophe. Tom Clancys fiktiver US-Präsident, der nach der Vernichtung des kompletten Kabinetts und des Kongresses, allein gegen den nationalen Feind steht und per Executive Order regieren muss, wäre der richtige Mann für einen künftigen Cyberkrieg. Vor dem sehen sich die Vereinigten Staaten nur unzureichend geschützt. Doch Maßnahmen, die zu mehr Schutz führen könnten, versinken derzeit im Schlamm des US-Wahlkampfs.

Die USA – und viele andere Nationen auch – sehen ihre Infrastruktur gefährdet: das ohnehin überlastete Stromnetz, die Gas- und Ölleitungen, die Telefonverbindungen oder die New Yorker Börse – alles das könnte Ziel eines Hackerangriffs sein. Vielleicht, so die Sorgen der amerikanischen Heimatschutzbehörde, sind die Vorbereitungen schon im Gange. Die Sicherheitsmaßnahmen hingegen stecken in der Vergangenheit fest. Beklagt wird, dass Behörden nach technischen Vorgaben arbeiten und Produkte spezifizieren, deren Sicherheitsstand deutlich hinter den Möglichkeiten der modernen Hacker-Terroristen liegen dürfte. So werden beispielsweise Firewalls als Sicherheitsstandard gepriesen, während Hacker heute die geschützten Ports mit ein paar Fingerübungen umgehen können.

Abhilfe schaffen sollte der Cybersecurity Act, der Unternehmen und Organisationen auf ein neues Sicherheitsniveau einschwören sollte. Doch die Obama-Initiative scheiterte letzte Woche an der republikanischen Mehrheit im Senat. Die Sicherheitsnovelle geriet in der Tat von allen Seiten unter Beschuss: den Republikanern waren die Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen zu hoch, den Liberalen gingen die Angriffe auf die persönliche Privatsphäre zu weit.

Jetzt will US-Präsident Obama die ultimative Trumpfkarte ziehen und das Sicherheitsgesetz per „Executive Order“ durchsetzen. Damit könnte er zumindest die amerikanischen Behörden auf eine neue Verteidigungslinie im Krieg der Computerwelten einschwören. Einen Einfluss auf Corporate America hätte ein solches Machtwort freilich nicht.

Anders als in Tom Clancys Roman sind Executive Orders kein ganz großes Ding. Es steht weniger für einsame Entscheidungen als für ein Machtmittel, mit dem unmittelbar durchregiert werden kann. Der wohl bekannteste Ukas erschien nach dem 11. September 2011, um den Umgang mit ausländischen Terroristen zu verschärfen.

In dieser Tradition könnte sich das geplante Obama-Machtwort einordnen. Denn die amerikanischen Sicherheitsbehörden fürchten einen schlafenden Löwen, den sie selbst durch ihre offenkundige Beteiligung an der Entwicklung und dem Einsatz von Stuxnet im Iran geweckt haben. Der Zentrifugen-Wurm hat der Welt nicht nur aufgezeigt, was heute technisch möglich ist. Er hat auch verdeutlicht, welche moralischen Zäune zwischen Staaten eingerissen werden. In den USA wird befürchtet, dass sich künftige Gewalt nicht vor Botschaften, sondern in Netzwerken manifestiert.

Was freilich für staatliche Einrichtungen gilt, muss auch für Unternehmen und andere Organisationen gelten: Die Sicherheitsvorkehrungen setzen in der Regel die Erkenntnisse von gestern um – doch der technische Fortschritt geht weiter. Auch Stuxnet ist längst nicht mehr der letzte Stand der Technik. Aktuelle Umfragen zeigen zudem, dass für IT-Leiter die ungeklärten Sicherheitsfragen nach wie vor das wichtigste Argument gegen ein Engagement in der Cloud darstellen. Da hilft dann auch keine Executive Order.

Ein Atlas für Smart Logistics

Deutschland hat viele Zentren – anders als beispielsweise Frankreich oder Großbritannien. Wegen des besonders stark vertretenen Mittelstands gibt es hierzulande besonders viele Marktteilnehmer. Und wegen der guten Web-Infrastruktur greifen auch immer mehr Menschen auf die Möglichkeit zurück, Waren online zu bestellen. Drei Faktoren, die Deutschland zum Logistikland Nummer 1 zumindest in Europa machen. Denn wenn viele Teilnehmer an vielen Standorten häufig beliefert werden müssen, dann ist logistische Effizienz und Planungssicherheit gefordert.

Die Mittellage in Europa hat Deutschland zur ersten Logistikadresse gemacht. Aber der Spitzenplatz ist in Gefahr. Im August beklagte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), dass der Weltmeistertitel in der Logistikdisziplin verloren geht, während Hongkong, Singapur und Finnland nun einen Podiumsplatz erobert haben. Gerade die Mängel im Güterverkehr hätten sich inzwischen zur Wachstumsbremse ausgewachsen, klagt der Interessensverband.

In diese Klage haben jetzt auch Professor Henning Kagermann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der SAP und Leiter der Nationalen Plattform Elektromobilität, sowie Prof. Michael ten Hompel, Leiter des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik, auf dem Zukunftskongress Logistik in Dortmund eingestimmt. In 13 Handlungsempfehlungen stellten beide eine Mobilitätskarte für Deutschland in den Mittelpunkt ihrer Forderungen, mit deren Hilfe Investitionen besser koordiniert und zwischen Personal- und Güterverkehr abgestimmt werden können.

Vor allem die Entwicklung des World Wide Web setzt die Logistik in praktisch allen Lebensbereichen vor immer neue Aufgaben und Massenprobleme. In der Arbeitswelt, im Konsumverhalten der privaten Verbraucher und angesichts immer stärker ausgelebter Mobilität stehen Planung und Lenkung von Verkehrsströmen unter permanentem Optimierungsdruck. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur halte damit ebenso wenig Schritt wie die Weiterentwicklung von Methoden bei der Optimierung von Waren- und Verkehrsflüssen.

In der Tat mutet es vorsintflutlich an, wenn langfristig ausgelegte Verkehrsplanungen getrennt für den Personen- und den Güterverkehr angesetzt würden. Das wäre etwa so, als würden im Internet zwei unterschiedliche Ausbaupläne für die Verbreitung privater und dienstlicher Mails existieren. Tatsächlich sorgt aber ein Anstieg auf der einen Seite zu einem Engpass auf der anderen. In der Planung aber wird dies derzeit nicht, oder zumindest kaum, berücksichtigt.

Der jetzt vorgeschlagene Logistik- und Mobilitätsatlas soll hingegen Daten liefern, die Auskunft über Qualität, Zuverlässigkeit, Effizienz und Nachhaltigkeit von Mobilitätsleistungen geben. „Die Logistik muss sich zu einer Hightech-Branche entwickeln, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können“, sagte Henning Kagermann am Rande des Zukunftskongresses Logistik in Dortmund.

Ziel der Logistikforschung muss es sein, die ständig steigende Komplexität von Lieferprozessen im Zeitalter des Internethandels beherrschbar zu machen, um daraus Effizienz- und Wettbewerbsvorteile zu generieren“, ergänzte Projektleiter ten Hompel. Er sieht die Zukunft im Einsatz kombinierter Logistik- und Business-Software, Cloud-basierter Dienste und kollaborativer Geschäftsprozesse – kurz Smart-Logistics.