Ein Staubsauger, der Einbrecher filmt und die Polizei ruft? Nein, wir berichten nicht von der Scheibenwelt des seligen Terry Pratchett, sondern von der IFA in Berlin. Genauer gesagt vom Stand des chinesischen Newcomers Ecovacs, der wie viele Anbieter aus dem asiatischen Raum die Internationale Funkausstellung zum Sprungbrett nach Europa nutzen und mit vernetzen Geräten punkten will. Das gilt auch für längst etablierte, hierzulande aber noch völlig unbekannte Anbieter wie Haier, der mit 36 Milliarden Dollar Umsatz der mit Abstand größte Anbieter bei Haushaltsgeräten ist. Herde, die bei Bedarf die Dunstabzugshaube einschalten, Kühlschränke, die immerhin ein Bild von ihrem Innern liefern, und eben Haushaltsroboter für alle Zwecke, die über das Internet aktiviert werden können. Dabei geht es auch total analog – mit der Socken-Klappe von Samsung, die es erlaubt, noch schnell vergessene Kleinteile in den bereits laufenden Waschgang zu geben…
Seit genau zehn Jahren findet die IFA als Messe für Unterhaltungselektronik im jährlichen Turnus statt. Und seit einer Dekade ist auch die weiße Ware, sind die Haushaltsgeräte regelmäßiger Bestandteil des Ausstellungsportfolios. Das hat zu einer geradezu explosionsartigen Ausweitung des Aussteller-Mix geführt: Neben Unterhaltungselektronik und Haushaltgeräten kann man unter dem Funkturm in Berlin noch bis zum 7. September intelligente Gebäudetechnik, 3D-Druck, Robotik, Automobiltechnik und Internet-Technologien besichtigen. Auf der IFA kämpfen klassische Konzerne wie Siemens/Bosch mit Startups um die Aufmerksamkeit eines immer diffuser werdenden Publikums. Wer zum Beispiel Hi-Fi-Geräte präsentieren will, findet heute mit größerer Sicherheit sein Zielpublikum bei der High End Messe in München.
Ein Phänomen, das auch die Messe-Nachbarn in Hannover kennen. Sowohl die Industriemesse als auch die CeBIT müssen praktisch Jahr für Jahr ihr Profil neu schärfen, weil die Digitalisierung in allen Bereichen voranschreitet. Wo vorgestern noch Bürokommunikation das Ein und Alles war, hat sich das CeBIT-Profil von der Automation über das Home Computing bis zum Mobile Computing immer wieder neu in Richtung der privaten Konsumenten ausrichten müssen. Der Industriemesse widerfuhr das gleiche Schicksal, als sich neben die Maschinen für die Fertigung auch Roboter und Anlagen für das Smart Home gesellten. Digitalisierung ist immer und überall – das gilt für das ganz reale Leben ebenso wie für die Messewirtschaft. Und schon melden sich von der Gamescom Köln die Stimmen nach einer stärkeren Förderung und Integration der Spielewelt. Spätestens mit der Anwendungen der virtuellen Realität ist die Technik zwischen Spielerlebnis und professioneller Simulation fließend geworden.
Wo ist sie also, die alles integrierende Digitalmesse, die von ihrem Allgemeingültigkeitsanspruch her mit der Consumer Electronics Show in Las Vegas gleichziehen könnte. Zwar nennen sich Industriemesse, CeBIT, IFA und Gamescom Leitmessen für ihren jeweiligen Wahrnehmungsbereich – doch die großen Ankündigungen finden jeden Januar im US-amerikanischen Wüstenort statt. Seit auch die Automobilbauer zur CES pilgern, wird auch der fünften europäischen Leitmesse, der IAA in Frankfurt im Spielerparadies Konkurrenz gemacht.
Alle Branchen – und damit auch alle Fachmessen – stehen unter dem Einfluss der digitalen Transformation und ihrer Protagonisten. Während die etablierten Anbieter sich mit digitalen Zusatzfunktionen zu ihren bewährten Geräten in die digitale Welt vorantasten, sind es vor allem die Startups, die die tatsächliche Zeitenwende einläuten. Sie sind praktisch ausschließlich um eine innovative Geschäftsidee herum gegründet und brechen so mit einer Vergangenheit, die ohnehin nicht die ihre ist. Sie sind die eigentlichen Gestalter der neuen Messelandschaft – wenn es denn überhaupt gelingt, sie in das traditionelle und noch überwiegend analog auf Ausstellungshallen ausgelegte Messegeschäft einzubinden. Der CeBIT ist dies in diesem Jahr gelungen. Die IFA zeigt ebenfalls deutliche Anzeichen dazu. Die Automobilmesse und die Industriemesse liegen im Trend naturgemäß noch zurück. Industrielle Startups brauchen länger für die Entwicklung ihrer Innovationen als die Gründer von App-Entwicklern und Shop-Betreibern.
Aber der Trend ist da: Messen müssen sich daran messen lassen, wie sehr sie den Gründern Grund geben, sich als Aussteller in einer analogen Welt der Hallen und Schaubuden zu präsentieren, statt sich in sozialen Netzen und Communities zu „connecten“. Sonst würden Ausstellungen und Messen zu Opfern der Digitalisierung. Und das wäre doch schade.