„Es ist schon sehr anstrengend, wenn es immer bergauf geht…“ Der Klassiker des mäkelnden Mittelstands ist offensichtlich verstummt. Das jedenfalls legt die aktuelle „Diagnose Mittelstand“ des Sparkassenverbands nahe, die ihre Analyse nicht nur auf 300.000 Geschäftsberichte (über das Jahr 2016) stützt, sondern auch aus den intensiven Kundengesprächen, die die Sparkassenorganisationen mit drei Vierteln des deutschen Mittelstands führen. Repräsentativer geht nicht.
Und positiver geht´s auch nicht: Nur 2,6 Prozent der Sparkassen sehen eine eher schlechtere Geschäftslage ihrer Kunden für das Bilanzjahr 2018. Demgegenüber schätzen gut 14 Prozent der Experten die weitere Geschäftslage des Mittelstands als eher besser ein. Die große Mehrheit der Sparkassen geht mit 83 Prozent von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Nach den schon guten Vergleichszahlen von 2016 auf 2017 lässt sich die „unverändert“-Einschätzung als „unverändert gut“ charakterisieren.
Dabei ist nicht alles Gold, was glänzt: Die Zahl der mittelständischen Unternehmen, die keinen Gewinn realisieren oder gar Verluste ausweisen, ist gegenüber dem Vorjahr leicht auf 17,1 Prozent gestiegen. Dabei sind es vor allem Kleinunternehmen, die um ihre Marge ringen: 20 Prozent der Firmen mit weniger als einer Million Euro Umsatz machen keinen Gewinn. Bei der Größenklasse bis 50 Millionen Euro Umsatz sind nur 15 Prozent der Firmen ohne Gewinn. Großunternehmen stehen im internationalen Vergleich unter erheblichem Wettbewerbsdruck, wobei hohe Kosten und niedrige Preise die Margen drücken. Insgesamt aber liegt die Umsatzrendite für das Jahr 2016 im Mittelstand bei 7,4 Prozent.
Dennoch sehen die Sparkassen eine insgesamt hervorragende Ertragslage mit gut ausgestattetem Eigenkapital im Mittelstand. Tatsächlich schafft es der Punkt „Finanzierung“ nicht einmal mehr unter die Top Ten der schwierigsten Herausforderungen im Mittelstand. Unisono sehen nahezu alle Unternehmen aller Größenklassen im Fachkräftemangel das größte Hemmnis für die weitere wirtschaftliche Prosperität. An die zweite Stelle der Herausforderungen hat es das Thema „Digitalisierung“ geschafft. Das Thema ist ohne Frage im Mittelstand angekommen.
Tatsächlich liegt die Eigenkapitalquote in allen drei Größensegmenten jeweils über den Werten der Vorjahre – bei Großunternehmen sogar über einem Drittel. Auch Kleinunternehmen sind mit einer Eigenkapitalquote von durchschnittlich 28 Prozent gut für Investitionen ausgestattet. Allerdings sind Ersatzinvestitionen unverändert der größte Anteil des finanziellen Engagements. 45 Prozent der Ausgaben gehen in den Bestand. Weitere 29 Prozent werden für Erweiterungen der Anlagen ausgegeben und noch einmal 26 Prozent werden für Rationalisierungsmaßnahmen eingesetzt.
Dabei ist wegen fehlender Trennschärfe nur zu vermuten, dass sowohl beim Ersatz, als auch bei der Rationalisierung, auf jeden Fall aber bei der Erweiterung bestehender Anlagen Digitalisierungsmaßnahmen zum Zuge kommen. Dafür ist die Zeit gerade besonders günstig, denn die Forschungsinstitute sehen erst für 2019 höhere Zinsen am Horizont.
Doch vor der Digitalisierung liegt die Digitalstrategie, die eine Vision der künftigen Geschäftsmodelle beinhaltet und zugleich eine Roadmap zur ihrem Erreichen aufzeigt. Danach fragt die Sparkassen-Studie nicht. Andere Erhebungen legen aber nahe, dass der Mittelstand dabei ist, seine Hausaufgaben zu machen. Drei von vier Unternehmen wollen demnach schon mit der Formulierung einer digitalen Zukunftsvision für ihr Unternehmen begonnen haben. Dabei haben die Gesellschafter, Geschäftsführer und Vorstände die Umsetzung der Digitalstrategie wieder aus der Chefetage in die Fachabteilungen delegiert. Dort aber fehlt es oftmals an Fachwissen. Denn wenn der Mittelstand überhaupt noch ein Klagelied anstößt, dann ist es die Sorge um künftige Fachkräfte. Die Kosten für die Rekrutierung von neuem Personal mit digitalem Hintergrund steigen deutlich.
Der mäkelnde Mittelstand ist verschwunden. Deutschlands Wirtschaft wird getragen von 3,5 Millionen Unternehmen und Unternehmern, die ans Zupacken denken, statt an Zumutungen. Das ist eine Geisteshaltung, die wir auch in Berlin erwarten sollten. Dort aber wird eine Regierungsbeteiligung als Zumutung wahrgenommen, während das Zupacken bis Ostern wohl nur durch eine Geschäftsführende Bundesregierung erledigt wird – wenn man denn mit gebundenen Händen überhaupt Zupacken kann. Es wird an der Zeit, dass in Berlin mittelständischen Tugenden nachgeeifert wird.
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr – und ich hoffe, wir hören uns dann wieder.