Don´t worry, be HaPee

In grauer Vorzeit war es cool, einen Taschenrechner von Texas Instruments zu haben. Noch cooler allerdings war es, einen von Hewlett-Packard vorweisen zu können – programmierbar, versteht sich. Die kleinen Rechenknechte waren der finale Todesstoß für den langweiligen Rechenschieber, auch weil man deren Speicherfähigkeit als Spickzettel in schwierigen Klausuren verwenden konnte.

Taschenrechner haben längst ihren Todesstoß durch Apps im Internet erhalten (web2.0rechner.de), die einfach noch angesagter sind. HPs Consumer-Image hingegen ist auf die Wertschätzung von Commodities wie Drucker und PCs gesunken. Das soll sich ändern. Ein klein wenig am 9. Februar, wenn HPs neuer CEO die neuen Produkte aus der Palm-Reihe vorstellen wird. Und ganz groß will HP am 14. März starten, wenn Léo Apotheker seine Vision (und wohl auch erste Produkte) der zukünftigen HP-Strategie präsentieren will. Die Marschrichtung ist klar: cool, cooler, HP.

Anfang Februar wird dabei webOS, die Software für Smartphones, die HP mit der Palm-Übernahme erworben hat, im Zentrum stehen. Es dürfte nicht überraschen, wenn HP hier einen Neustart im Rennen gegen Google Android und Windows Phone7 initiieren würde. Dabei muss webOS nicht zwangsläufig auf Mobiltelefone beschränkt bleiben: HP könnte die Reichweite auf Druckerservices und Webservices ausdehnen und damit einen ersten Blick auf integrierte Cloud-Produkte erlauben.

Doch den großen Aufschlag behält sich Léo Apotheker für das March Summit Meeting in San Francisco vor. Nachdem sein Vorgänger Mark Hurd vor allem die HP-internen Geschäftsprozesse gestrafft und erste große Akquisitionen eingeleitet hatte. Dann wird sich zeigen, wie HP das Enterprise-Geschäft nicht nur durch Storage und Network – zwei durchaus profitable Geschäftsbereiche – angehen will, sondern durch Software, Cloud-Services und Mobilität.

Da mag es durchaus als einen ersten Hinweis auf Akquisitionspläne dienen, dass jetzt die BIT-Lösung von HP, Neovision, aus der aktiven Vermarktung zurückgenommen wurde. Kaum 100 Kunden habe man dem Vernehmen nach für die Lösung begeistern können, der die Integration mit der Anwendungssoftware fehle. Nachdem hier alle namhaften Anbieter durch Oracle, IBM und SAP aufgekauft worden waren, bliebe noch MicroStrategy und Informatica oder der Ausbau der Partnerschaft mit Microsoft. Und natürlich steht auch immer noch die ganz große Lösung mit der Übernahme von SAP im Raum – aber das dürfte kaum der Gegenstand einer Ankündigung im März sein. Kaum anzunehmen, dass Gerüchte um einen solchen Deal während der CeBIT Anfang März unter dem Messeteppich gehalten werden könnten.

Dass HP durch weitere Akquisitionen zur guten alten Coolness zurückkehren will, ist offenkundig. Die Kontakte des neuen Board of Directors zu Private Equity Unternehmen haben in den letzten sechs Monaten noch deutlich zugenommen. Und mit der Expertise durch Meg Whitmann (ehemals eBay) und Patricia Russo (ehemals Lucent) zeigt sich auch bereits das neue Profil aus Mobile und Cloud, das HP herausarbeiten wird. Die dritte im Bunde dürfte die schon zuvor für das Enterprise Business bei HP zuständige Ann Livermore sein. Eine starke Frauenquote im Board ist ja heutzutage auch irgendwie cool.

MyGoogle, MySAP, MyCrosoft

Das alles gibt es schon: mymuesli, myparfum, mybeans, mymelade und natürlich myphotobook. Wer  diese Webseiten anklickt, kann sich sein Produkt selbst gestalten – Mass Customization heißt das und optimal umgesetzt wird das Konzept in Passau, wo drei Studentenfreunde die Webseite für das individuelle Cerealienfrühstück entwickelt haben. Aus einer Auswahl von Basismischungen können individuell Extras zugeladen werden: Körner, Früchte, Nüsse und – ja, sogar Gummibärchen. Das Ergebnis ist eine optimale Balance zwischen Standardprodukt und Individualkunde.

Als sich SAP für Léo Apotheker als (alleinigen) Vorstandschef entschied, ging das Unternehmen ein hohes Risiko ein: es brach mit seiner Tradition. Nach gut drei Jahrzehnten unter einer produktzentrischen Führung saß nun der langjährige Vertriebschef auf dem Topposten in Walldorf. Sein Credo: Markt ist Macht lautet die Kunde des Kunden – und das ging prompt schief. Apotheker musste gehen und der technologieorientierte Aufsichtsrat Hasso Plattner mischte wieder mit. Mit der Doppelspitze aus Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe holt SAP seit einem Jahr nach, was eigentlich hätte der Vorlauf sein sollen: Die Doppelspitze aus kundenorientiertem und produktorientiertem Ressort bereitet den Übergang von einer Company vor, in deren Mittelpunkt einst das Produkt und die Technologie stand und in dem künftig der Kunde und seine Bedarfe stehen sollen.

„Wir müssen dringend handeln“ – der aus dem Zusammenhang einer internen Präsentation geklaubte Satz wirkt wie ein Weckruf, mit dem sich SAP eine neue, stärker auf den Kunden ausgerichtete Identität geben will. Neu aufgestellt in die Sparten „Produkt“ und „Kunde“ will SAP eigentlich das erreichen, was sie marketingtechnisch mit dem Begriff mySAP schon vor einem knappen Jahrzehnt vorweggenommen hatte: Nicht das Produkt gestaltet seinen Markt, sondern der Markt gestaltet sein Produkt. Statt ByDesign künftig eher MyDesign.

Es ist abzusehen, dass Apotheker seine Mission nun bei HP, das eine ähnliche technologiezentrierte Vergangenheit hat, wiederholen soll. Hier geht es allerdings um die Schaffung eines Produktportfolios aus Software und Infrastruktur, ehe der Kunde wieder in den Mittelpunkt rücken kann.

Ähnlich, wenn auch mit scheinbar umgekehrtem Vorzeichen, ist zu verstehen, warum die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin jetzt ihren „Elder Statesman“ Eric Schmidt mit Dank aufs Altenteil verschieben und die Geschicke des Internet-Giganten selbst in die Hand nehmen wollen. Was bislang richtig war, nämlich einen erfahrenen Firmenlenker an die Spitze eines dramatisch wachsenden Konzerns zu stellen, passt nicht mehr in die Gemengelage aus Produkt hier und Kunde dort. Google muss sein Produkt wieder stärker positionieren – insbesondere gegen seinen Herausforderer Facebook. Wie in den Anfangstagen von Google geht es jetzt darum, dem Produkt – diesem Web-Müsli aus Suchmaschine/Geoinformationssystem/Mailservcer/Newsdesk/Einkaufsführer/Cloud Services – wieder klarere Konturen zu geben. Kundenorientierung ist dort gefordert, wo Google komplette Cloud-Infrastrukturen für Großkunden aus dem Öffentlichen Dienst anbieten will. Und genau das wird künftig Eric Schmidts Schwerpunktaufgabe. Googles Wachstumsstrategie heißt Mass Customization: Aus dem Angebot an Internettools soll sich der Surfer die eigene Welle zusammensuchen. (Und im Hintergrund zimmert Google dann ungehindert an den Anwenderprofilen.)

Nirgendwo klappt Mass Customization so gut wie im Internet, wo die Masse – im Falle von Facebook immerhin eine halbe Milliarde Nutzer – mit einem Standardpaket ausgestattet werden, dass sie zu ihrer individuellen Erfahrungswelt im Web auf-, um- und ausbauen können. Es kann nicht überraschen, dass Steve Ballmer für Microsoft ähnliches im Sinn hat. Er hat erkannt, dass die Software aus Redmond sowohl für die Cloud als auch für mobile Endgeräte – also für beide Seiten der Web-Infrastruktur – optimiert werden müssen. Auf der einen Seite steht das Standardprodukt mit seinem Fokus auf einen weltweiten unendlich großen Markt. Auf der anderen Seite der Individualkunde mit seinen differenzierten, individuellen Vorstellungen von der Welt. Dazwischen MyCrosoft, MyGoogle, MySAP und irgendwie auch MyMuesli.

On Demand macht Arbeit

War das nicht herrlich damals, vor der Jahrtausendwende, als unzeitgemäße Zeitgenossen staunend eine Nachricht von uns in der Mailbox vorfanden mit sagen wir: der Agenda für den Termin gleich um Zehn und einem kurzen Abstract über die wichtigsten Besprechungspunkte? Und dabei wussten die Zeitgenossen doch, dass wir im Stau festsaßen. Ja, aber wir hatten ja kurzerhand unseren Laptop mit dem Handy verknüpft und das ganze bei 56K in den Äther gepustet. Das war nicht nur modern, das war modem, das war mobil. – Aber man musste wirklich schon schwer im Stau stecken und echt nichts besseres mehr zu tun haben als diesen kruden Verbindungsaufbau durchzuführen, um beim fünften, sechsten Versuch endlich die komplette Datei fehlerfrei transferiert zu haben. Das war schon eine Zeitverschwendung damals…

Aber warum brauchen wir heute, wo die Smartphones jeden Kommunikationswunsch auf Fingerdruck erfüllen, zigmal so viel Zeit für Mails und Messages? Statt enormer Zeitersparnis, Zeitverschwendung! Es klingt paradox: Je weniger Zeit wir verbrauchen, umso mehr Zeit brauchen wir.

Eines der gängigen Vorteilsargumente für Cloud Computing ist die Prognose, dass immer weniger IT-Fachleute benötigt werden, um routinemäßige Jobs zur Sicherung des laufenden Betriebs zu erledigen. In der Tat ist es eines der attraktivsten Argumente für den Mittelstand, durch OnDemand-Lösungen nicht nur der Investitionen in Hardware, sondern auch noch der laufenden Kosten in Wartung und Support ledig zu sein. Cloud Computing ist also ein Gewinn für den Mittelstand.

Tatsächlich, so besagen gesamtwirtschaftliche Rechnungen für die Auswirkungen von Cloud Computing auf den Arbeitsmarkt, kommt es keineswegs zu Massenentlassungen durch die Wolke. Im Gegenteil, sagt das Centre for Economic and Business Research. Zwar können in den nächsten fünf Jahren  durch Cloud Computing Einsparungen von fast 750 Milliarden €uro (zufällig der Umfang des €uro-Rettungsschirms) in den fünf größten Wirtschaftsregionen der EU erzielt werden. Gleichzeitig aber sollen den Marktforschern zufolge bei Anwendern und Anbietern mehr als zwei Millionen neue Jobs entstehen – bedeutend mehr als durch OnDemand wegfallen. Die Cloud als Jobwunder, weil weniger Jobs gebraucht werden. Das klingt paradox.

Es klingt nicht nur wie ein Paradox, es ist auch eins – und zwar ein klassisches. Der britische Ökonom William Stanley Jevons hat es als erster beschrieben, als er 1865 den Kohleverbrauch in der englischen Schwerindustrie untersuchte. Ein Jahrhundert zuvor, 1765, hatte James Watt die Dampfmaschine, nein: nicht erfunden, sondern nur verbessert. Im Einsatz waren Dampfmaschinen in England bereits seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, aber sie hatten einen erbärmlichen Wirkungsgrad. Die Folgen von Watts Verbesserungen aber waren verblüffend: Es wurde nicht weniger Kohle verbraucht, sondern mehr. Die industrielle Revolution brach sich Bahn.

Bricht sich nunmehr die informationelle Revolution Bahn? Waren der Großrechner, der PC, das Netzwerk quasi nur der Dampf, aus dem sich nun die Wolke mit höchstem Wirkungsgrad bildet? Mag sein – allerdings hat die CEBR-Prognose auch eine ganze Reihe optimistischer Annahmen zur Grundlage: Wenn Unternehmen stärker in ihr Kerngeschäft investieren können, ist der gesamtwirtschaftliche Nutzen deutlich höher als durch Joberhalt in nicht-produktiven Wartungsaktivitäten. Und außerdem, so die Annahme, wird Cloud Computing neue Formen der Administration nach sich ziehen – den „App-o-theker“ beispielsweise, der das Web nach neuen hilfreichen Minianwendungen durchforstet und für das Unternehmen konfiguriert; oder den „Viralogen“, der das soziale Netzwerk nach neuen Möglichkeiten des viralen Marketings durchmisst; der „Facist“, der das individuelle Profil in Facebook und anderen sozialen Medien optimiert; auch der „Chief Transaction Officer“ wird in der neuen Arbeitswelt gebraucht, weil er dafür sorgt, dass der Datenstrom zwischen Nutzer und Carrier möglichst gleichmäßig fließt.

Am Ende haben die Anwender dann nicht weniger Arbeit, sondern nur andere. Da klingt Jevons Paradox schon fast wie Parkinsons berühmtes Gesetz über die Tendenz der Arbeit, alle Ressourcen zu fressen, derer sie habhaft werden kann.

2011: CESur der Messen?

Das Auto ist schon ein ungewöhnlicher Zwitter – zumindest aus der Marketing-Perspektive. Vom Preis her eine Investition, von der Form her eine Emotion. Oder gibt es irgendeinen rationalen Grund für diese Boliden, die da links auf der Autobahn fahren? Jetzt kommen Sie mir bloß nicht mit passiver Sicherheit!  

Ganz anders der Computer. Rein rationale Gründe sprechen für die Microsoft- oder Apple-Welt, für onPremise-Server oder onDemand-Services. Es geht um Kosten, Effizienz und Nutzen, nicht wahr? Aber, mal ehrlich: War die Sitzbank vor waberndem Kühlmittel nicht das Geilste an der Cray-2? Oder war die Form eines iMac nicht der genialste Designerstreich der Computerbranche? Und sind Apps auf dem Smartphone nicht nutzlos, aber hipp?

Wie das Interesse, so die Messe – möchte man meinen. In dieser Woche läuft in Detroit die Auto-Show – und deutsche wie US-amerikanische Hersteller sind aufgeräumter denn je. Und das Fachpublikum strömt zum wichtigsten amerikanische Branchenevent – bereit, in der Autostadt wieder das Mekka der Automobilindustrie, ja der ganzen Wirtschaft zu sehen. Endlich wieder mehr Aussteller, mehr Besucher – die Begeisterung ist groß.

Dabei liegt Mekka doch längst in der Wüste Nevadas, wo eine Woche zuvor die Consumer Electronics Show, der wichtigste amerikanische Branchenevent, mit abermals neuen Besucher- und Aussteller-Rekorden aufgewartet hat. Doch im Mekka der IT-Industrie, ja der ganzen Wirtschaft mischt sich Murren in die Begeisterung. Die Unzufriedenheit ist groß – zu viele Besucher, zu viele Aussteller.

In einer Zeit, in der jeden Tag eine Produktankündigung erfolgt, sind die Messen weniger Produktschau als vielmehr Stimmungsbarometer. Das haben auch die IAA in Frankfurt und die CeBIT in Hannover schon so zu spüren bekommen. Wer einen Auftritt für seine jüngste Produktpalette sucht, wendet sich zielgruppengenau über Hausmessen, Themenshows oder Fachkonferenzen an seine Klientel. Wer Kunden- und Marktnähe beweisen will, nutzt die Möglichkeiten des Web. Wer Gemeinschaften aufbauen will, wählte Social Media.

General Motors richtet seine Rückkehr an die Börse ebenso wenig nach Messeterminen aus wie Apple die Ankündigung seines iPad. Hier regieren längst andere Kalendarien, die von Quartalsberichten dominiert werden und nicht von Messereports. Auch das Verbreiten von Gerüchten, Gerede und Geraune wird inzwischen rund ums Jahr und um den Globus von Bloggern, Chattern und Twittern übernommen. Die bevölkern, nein: übervölkern heute die Messen, weil sie auf diesen Veranstaltungen endlich mal aus ihrer Isolation treten können.

Darauf müssen sich die Veranstalter in Detroit und Frankfurt, in Las Vegas und Hannover einstellen. Die großen Messen in den industrialisierten Ländern ändern deshalb ihr Gesicht. Nicht unbedingt das, was auf den Ständen präsentiert wird, entscheidet über den Erfolg einer Veranstaltung. Nicht das Angebot, sondern die Nachfrage bestimmt über den Erfolg eines Marktes. Das gilt auch für Messen als temporäre Märkte.

Messen haben überall ihren Sinn, wo Aussteller sich messen lassen wollen. Eine Leistungsschau lebt nicht vom Release 5.3.1 oder dem Plus hinter dem Turbo, sondern vom Nachweis der Leistungsfähigkeit, von der Meinungsführerschaft, von der Idee. Der CeBIT gelingt dies seit Jahren recht gut: Mit Webciety (okay, der Begriff war nicht so doll), mit GreenIT oder mit der Cloud gewährt sie den Ausstellern nicht nur Raum, sondern vor allem Sinn. Sie adressiert damit Preis und Form. Sie ist sozusagen, die Autoshow der Informationswirtschaft.