HANAnanana – life is life

1,5 Milliarden Diagnosefälle pro Jahr in rund 370 ambulante Behandlungsfälle will die AOK künftig mit HANA, SAPs In-Memory-Datenbanksystem, verwalten. Bei 24 Millionen Versicherten kann man schon mal den Überblick verlieren, der jetzt im zwei Terabyte großen Datenraum der High-Performance Analytics Appliance geordnet werden soll. Und mit bis zu 100.000 (in Worten: Hunderttausend) mal schnellerer Geschwindigkeit sollen nun Krankheitstrends aufgespürt werden.

Die AOK ist einer der renommiertesten Kunden, die SAP bislang für die neue HANA-Datenbank gewinnen konnte. Auch in der Berliner Charité und dem österreichischen Red Bull verleiht HANA bereits Flügel. Weltweit sollen es schon 150 Unternehmen sein, die sich mit dem zeilen- und spaltenorientierten Number Cruncher ausgestattet haben. Damit wäre HANA nach einem Jahr schon mal erfolgreicher als die andere Innovation aus Walldorf. Business by Design flog nach einem Jahr auf dem Markt erst mal eine Ehrenrunde in der Werkstatt, ehe die ersten Hundert Anwender begeistert werden konnten.

Die Going-Life-Berichte aus dem erlauchten HANA-Kundenkreis waren die wichtigsten Nachrichten auf der Sapphire in Madrid. Die zweitwichtigste Nachricht war die Ankündigung von SAP CTO Vishal Sikka, die In-Memory-Technologie künftig in alle Produkte einfließen zu lassen – allen voran Netweaver. Zudem werden allgemein interessante Synergieeffekte durch den Zusammenschluss von Sybase ASE Datenbanken und HANA erwartet. Erste Migrationsumgebungen sind bereits installiert – und als Partner im Bunde wird ausgerechnet HP auf die Bühne geholt.

HPs Itanium-Rechnern hatte Oracle bereits die Unterstützung versagt. Der Frontenverlauf ist inzwischen klar erkennbar – er liegt weniger bei ERP-Anwendungen als vielmehr auf der Hardware-optimierten Datenbank. Zwar laufen nach wie vor die meisten SAP-Anwendungen auf Oracle-Datenbanken – doch da ruht nun schon lange kein Segen drauf. Die Konfrontation beider Unternehmen wird nun auch in die HANA-Welt hineingetragen. Bei acht seiner Kunden hat Oracle inzwischen Testversionen seiner Exalytics, die aus der rein zeilenorientierten In-Memory-Datenbank TimesTen und dem Essbase Data Warehouse besteht. Oracles Rollout kommt in Gang – die ersten Life-Berichte – zum Beispiel von der dänischen Bank NyKredit.

Hausbesuche von SAP und Oracle dürften bei den „Targets“, der typischen Zielgruppe für Big-Data-Appliances, jetzt im Monatsrhythmus folgen. Banken, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen – Organisationen mit hohem mathematischem Analysebedarf sind jetzt die ersten Adressen für In-Memory-Installationen. Für SAP ist die Marschroute klar: HANA soll die großen Kunden dazu verleiten, die alten Oracle-Lizenzen über die Mauer zu werfen. Das dürfte eine harte Nuss werden. Denn zwar klagen die Anwender stets über die saftigen Wartungsgebühren bei Oracle (während SAP seine Preiserhöhung unter dem Druck der erbosten Anwender letztes Jahr zurücknehmen musste). Aber ein Wechsel der Datenbank kommt einer Elefantenschwangerschaft gleich: Und ein Projekt in dieser Größenordnung muss schon einen satten Effektivitätsgewinn abwerfen, wenn sich der Return on Invest in vertretbarer Zeit einstellen soll.

Der Kampf um die Lufthoheit im Datenraum ist jedenfalls eröffnet. Gestützt wird der Konflikt durch die mit großem Datendrang agierenden Hardwarehersteller von HP über Fujitsu bis IBM, die in Big Data eine der Prämium-Anwendungen für ihre Cloud-Services sehen. SAP hat bereits seine Allianzen geschmiedet. Oracle hingegen setzt auf die eigenen Zukäufe. Einer wird das Nachsehen haben – in Memoriam.

Don´t Panic!

Dies ist, was der Hitchhicker´s Guide to the Galaxy zum Thema Cloud zu sagen hat:

“Eines Tages waren es die Marketiers der großen IT-Firmen leid, jedes Jahr ein neues Buzzword zu erfinden und begnügten sich damit, alles nur noch Wolke zu nennen, ohne jemandem zu erklären, was damit gemeint sein soll. Da aber in der IT nichts ohne tieferen Sinn geschehen kann, haben sich Anbieter und Anwender jeweils ihren Reim auf die Cloud gemacht. Nicht dass dadurch die Begriffskonfusion beendet gewesen wäre, aber irgendwie haben sich nachher alle besser gefühlt:

Fragt man die Anwender, so ist Cloud-Computing eine gute Sache, um die Anbieter übers Ohr zu hauen, weil sie keine Hardware und Softwarelizenzen in Rechnung stellen können, bevor auch nur irgendein Vorteil aus der ganzen Sache gezogen werden kann. Aus Sicht der Anbieter ist Cloud Computing eine nette Idee, um die Anwender übers Ohr zu hauen. Während sie zwar am Anfang keine großen Einstiegskosten mehr haben, zahlen sie auf lange Sicht viel mehr. Nach Ansicht von Beratern und Analysten ist Cloud Computing ein guter Kompromiss, weil jetzt Anwender wie Anbieter der Ansicht sind, sie würden jeweils die andere Seite übers Ohr hauen.“

So würde vielleicht der große Douglas Adams mit dem Thema Cloud Computing umgegangen sein. Gartner-Analyst Dennis Gaughan sieht den Stand des Cloud Computings ganz ähnlich. In Australien stellte er jetzt seine Interpretation der Cloud-Motivation vor:  Jeder tappt in seinem eigenen Nebel. Die Anwender haben die Wahl:

Microsoft Hauptmotiv fürs Cloud Computing ist die Migration der eigenen Software-Plattformen – Windows und Office – in die nächste OnDemand-Generation. Deshalb pusht Redmond die Produktlinien in die Cloud, arrondiert Collaboration und Social Media um diese Lösungspalette und etabliert sich als erste Adresse für alle Cloudianer – von der Studentenbude bis zum Vorstandsbüro.

Oracles Cloud Strategie (“Fusion”) ist eher diffus. Die zusammengekaufte Softwarepalette bedarf noch jeder Menge “Infusion” an integrierenden Middleware-Komponenten, um tatsächlich als Plattform für die Cloud zu fungieren. In Einzellösungen (wie die Oracle-Datenbank) lässt die Company noch den holistischen Ansatz vermissen. Aber den wird sich Larry Ellison schon noch zusammenkaufen.

SAPs größtes Problem auf dem Weg in die Cloud – beziehungsweise auf dem Weg seiner Kunden in die Cloud – ist die Transition des alten Geschäftsmodells auf der Basis von Lizenzen zu einem neuen Usage-getriebenen Bezahlmodell. Während Business by Design nach und nach Laufen lernt, sind die auslaufenden Großpakete über feste Lizenz- und Wartungsdübel bei nahezu jedem Fortune-500-Unternehmen eingedübelt. Jetzt geht es darum, diesen Bestand in die Wolke zu verschieben – koste es (wen auch immer) was es wolle.

Apple und Google zielen vorerst nicht auf Corporate-IT, sondern auf den privaten Anwender. Diese Taktik dürfte auf lange Sicht erfolgreicher sein. Denn die Digital Natives werden ihre einstudierte Cloud-Umgebung auch ins Unternehmen mitnehmen wollen – und die Etablierten rausschmeißen.

Für IBM hat Cloud Computing etwas von einem Rücksturz in die goldenen /360er Jahre, als Big Blue mit Big Iron die „ADV“-Abteilungen von Mittelstand aufwärts dominierte. Jetzt startet Armonk eine Beraterinitiative, die Anwendern die Vorteile einer wiederum zentralisierten Rechenzentrumslösung in einer von Big Blue betriebenen Cloud schmackhaft macht. Es ist das Szenario, in dem IBM wirklich unschlagbar gut ist – und am Ende wäre der Planet vielleicht tatsächlich ein wenig smarter.

Noch ist alles im Fluss. Bis die Cloud-Strategien tatsächlich life sind – und die Anwender reif sind – dürften noch Jahre vergehen. Derzeit werden lediglich die Startlöcher ausgehoben. Überlassen wir das Fazit einem der großen Philosophen des Hitchhiker´s Guide to the Galaxy, dem paranoiden Androiden Marvin: „Life – don´t talk to me about life.“

Wacko? Wacker!

Es ist, als ob Microsoft darauf gewartet hätte, dass sich der Nebel um SAPs Cloud-Angebot, Business by Design, lichtet, um dann selbst auf Kurs Richtung Wolken zu gehen. Gerade freute sich SAPs Co-CEO Jim Hagemann-Snabe über den 700sten Kunden (auf dem Weg zum Tausendsten Kunden bis zum Jahresende – das wären dann so um die zehn Neukunden pro verbleibendem Werktag!!), da kündigte Microsoft die eigene Cloud-Strategie für seine Business Solutions an.

Microsofts Business Solution Division steht nach Schätzungen der Analysten für einen Jahresumsatz von rund 1,2 Milliarden Dollar. Der Löwenanteil geht dabei an die Office-Komponenten, die inzwischen Bit für Bit in die Cloud verlagert werden – mit Azure und Office365. Demnächst soll der ERP-Produktbereich folgen, wenn der Navision-Zukauf von Microsoft Dynamics ab 2012 in die Cloud verlagert wird. Gleichzeitig soll das Highend-Lösung (ex Axapta) für Großkunden optimiert werden. SAP hingegen zielt mit Business by Design nicht mehr nur auf das Lowend seiner Klientel, sondern freut sich über zweistellige Kundenzahlen aus Konzernkreisen, wo die OnDemand-Lösung jetzt auch kleinere Konzerntöchter bedient.

Der Zweikampf um den Cloud-Erfolg wird nicht bei den Small and Medium Companies entschieden, sondern bei den globalen Kunden, die in der weltumspannenden Wolkendecke die Infrastruktur der Zukunft erkennen.

Und schon zeichnet sich der nächste Wettlauf in den Wolken zwischen Microsoft und SAP ab: Einerseits puscht Steve Ballmer die Performance der hauseigenen Datenbank SQL Server immer weiter in Richtung Cloud-Services. Andererseits promotet SAP seine InMemory-Datenbank HANA, um für künftige Schwerlast-Anwender auch onDemand satisfaktionsfähig zu bleiben. Mehrere Millionen Datensätze bleiben dann im Hauptspeicher verfügbar und erlauben nicht nur die Online-Analyse der Daten, sondern geben den mächtigen ERP-Systemen auch die nötige Top-Speed bei der Massendatenverarbeitung.

Ganze zehn HANAlysten gibt es derzeit im SAP-Kundenkreis. Aber Business by Design kam ja auch erst ganz allmählich aus dem Quark. SAP hält sich jedenfalls „wacker“.

Für Oracles Larry Ellison ist das alles nur „wacko“ – Irre, Irrsinn. Er bleibt mit seinem von Sun zugekauften Big Iron und der Oracle Datenbank auf dem Boden. Fusion, Oracles Plattform für die Anwendungsintegration, ist Cloud-ready – aber noch fehlen die groß angelegten Kundenprojekte für eine Success Story in der Wolke. Es ist wohl nicht genug, die bisherigen Outsourcing-Angebote in Cloud Services umzubenennen. Auch die zugekauften Lösungen – JD Edwards, Peoplesoft – werden eher lustlos in der Cloud offeriert. Und Oracle Fusion Middleware als Basis für eine eigene Platform-as-a-Service scheint der Aufwind zu fehlen – der Bodennebel lässt Anwender über den richtigen Weg orakeln.

Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Spätestens wenn Cloud und Mobile als Synonym für „Management Information in der Anzugjacke“ stehen, wird Oracle durchstarten (müssen). Die jungen, mit dem Internet aufgewachsenen Absolventen der Business Schools werden „ihre“ ERP-Anwendungen genau so verwenden wollen wie die heutigen Apps – nämlich on the go.

Kein Wunder also, dass sich SAP Apple zum Vorbild und Partner nimmt – mit Apps aus dem Store und mit iCloud als Update- und Backup-Service. Zu dumm für Microsoft und Oracle, hier früh auf Konfrontation zur iCompany gegangen zu sein. Jetzt wäre Cloud-Expertise aus Cupertino hilfreich.

Die Cloud, die aufsteigen wird…

Die Cloud senkte sich allmählich herab auf das Fujitsu Forum in München diese Woche – in Form von erbsensuppendickem Nebel. Gut, dass wir künftig alles über die Cloud erledigen und nicht mehr reisen müssen. Eine halbe Stunde über dem Erdinger Moos zu kreisen, erinnert an das WorldWideWeb der neunziger Jahre, als die Warteschleife noch zum täglichen Geduldtraining gehörte.

Aber jetzt reshapen wir ja die IT, wie Rolf Schwirz, Fujitsus CEO, den Besuchern im Münchner Kongresszentrum versprach – und zwar, jetzt kommt der Clou: indem wir uns weiter um die Hardware kümmern! Während der Großteil der klassischen IT-Wholesaler den Schwenk weg vom alten Eisen betreibt, bleibt Fujitsu seinen Ursprüngen treu.

Und setzt noch zwei drauf: Zur Hardware gehört die Wartung wie Castrop zu Rauxel. Die nimmt Fujitsu nunmehr gesondert unter seine Fittiche – egal, wo die Hardware steht. Nach dieser Diktion gibt es zwischen OnPremise und OnDemand keinen Technologieunterschied, sondern allenfalls Varianten im Darreichungsmodell (Delivery Model).

Das ist so ziemlich das, was dieser Blog seit fetten 100 Ausgaben auch zu sagen versucht. Schön, immer mehr Mitstreiter zu bekommen!

Dabei befinden wir uns im Moment zugleich in einem Übergangsmodell. Hybride Infrastrukturen aus bewährten Installationen vor Ort und neuen, zusätzlichen Angeboten aus der Cloud weisen den Weg in eine zunehmende Vercloudulierung der IT-Landschaft. Hier hilft Fujitsu Anbietern und Anwendern durch den Business Solution-Store, einer Platform as a Service für Softwareanbieter, die ihre (Legacy-) Lösungen endlich, endlich zu einem überschaubaren Risiko saasifizieren können.

Da hat Fujitsu einiges an Gehirnschmalz hineingesteckt, um einen möglichst einfachen Übergang in die Cloud zu eröffnen. Über eine wenig komplexe Schnittstelle sind ISVs nun in der Lage, eigene Softwarelösungen in die Cloud zu heben und damit barrierefrei, also grenzüberschreitend anzubieten. Und: künftig sollen die Anwender diese Lösungsangebote auf der Plattform auch integriert genutzt werden.

Ab Frühjahr 2012 ist die Plattform für Anwender verfügbar. Anbieter können schon jetzt die Services nutzen und ihre Anwendungen bereitstellen. Das Geschäftsmodell (eben kein Technologiemodell) scheint attraktiv zu sein.

Muss es auch, wenn Fujitsu bis zum Jahr 2015 sein Engagement in der Cloud verdoppeln und hier – beflügelt wohl durch den guten Erfolg im europäischen Osten – kräftig im Umsatz zulegen will. Fujitsus Ziel ist klar: Aufsteigen in die Pole Position der internationalen Cloudianer.

Als sich der Nebel abends wieder auf München senkte, kam schließlich noch Anastasia (die aufsteigen wird) und brachte zusätzliche Wolken auf die Bühne. Der Nebel blieb dann noch eine Weile, um am nächsten Morgen den geordneten Abflug zu behindern. Dieser Blog über die Cloud entstand dann aber doch über den Wolken.