Wende unterm Weihnachtsbaum

2013 ist ein Wendejahr – obwohl es am Ende doch ziemlich knapp wurde. Aber tatsächlich dürften zum Jahresende erstmals mehr Tablet-PCs verkauft worden sein als herkömmliche Consumer-PCs. Tablets und Smartphones zusammen kommen nach Marktschätzungen im zurückliegenden Jahr auf sagenhafte 1,25 Milliarden verkaufte Stück weltweit – PCs dagegen nur auf 0,25 Milliarden Stück.

Es ist, als hätte es keinen Snowden und keine NSA gegeben. Der Siegeszug des Mobile Computings war 2013 durch nichts zu stoppen. Nicht durch den weltweiten Schrecken über das globale Belauschen von Mails und Calls und auch nicht durch spektakuläre Marktflops wie sie durch den geglückten Verkauf von Nokia an Microsoft und den missglückten Notverkauf von Blackberry an Wenauchimmer gekennzeichnet sind. Blackberry beschert uns zum Jahresende einen Riesenverlust von 4,4 Milliarden Dollar, der Umsatz hat sich mit 1,2 Milliarden Dollar gegenüber dem Vorjahr gnadenlos mehr als halbiert?

2013 war in der Tat ein gnadenloses Jahr für die Unbeweglichen im Markt für Mobile Computing. Microsofts Versuche, mit Surface-Tablets, Lumia-Smartphones und Windows 8.1 in diesem Segment Tritt zu fassen, war vielleicht nicht direkt ein Flop. Immerhin konnte Microsoft im zurückliegenden Jahr den schleichenden Trend des wachsenden Bedeutungsverlustes zumindest anhalten. Nur noch jedes vierte neue Gerät mit Internet-Anschluss wird durch Microsoft-Produkte gesteuert – vor vier Jahren waren es noch neun von zehn Geräten. Aber ein Durchbruch ist Microsoft 2013 auch nicht gerade gelungen.

Und dass sich dies 2014 ändern wird, ist nicht zu erwarten. Der mobile Markt ist dynamisch Android – und stabil Apple. Der Rest ist Schweigen.

2013 ist das Jahr des Mobile Computings – und in seinem Schlepptau auch das Jahr des Cloud Computings. Denn ohne die Anwendungen und Services aus der Datenwolke ist das ganze mobile Geschäft statisch und unattraktiv. Deshalb misst man den Markt für Mobile Computing gar nicht mehr in Stückzahlen – sondern in App-Downloads. Mitte 2013 wurden erstmals annähernd so viele App-Downloads auf Android-Systemen gezählt wie auf Apples iOS (iPhone und iPad) – kumulierte 45 Milliarden. Beide dürften zum Jahresende die 60-Milliarden-Grenze angekratzt haben. Langfristig spricht die Demographie wohl für die Android-Welt: Zwar lädt der typische Apple-User mehr Apps pro Monat – aber es gibt einfach mehr Androids.

Mobile Computing bedeutet große Userzahlen bei kleinen Preisen – das ist das offene Geschäftsgeheimnis der App-Stores. Cloud Computing ist dagegen das Geschäft der (vergleichsweise) kleinen Userzahlen bei hohen Preisen und langjährigen Laufzeiten. Dies richtet sich vor allem an Unternehmen, die ihre Geschäftsanwendungen und großen Datenvolumina in die Cloud verlagern könnten. Hier- und eigentlich nur hier – hat der Abhörskandal 2013 wirklich Schaden im Markt angerichtet. Das Geschäft mit der Corporate Cloud ging nicht recht voran. SAP beispielsweise hat auf der Suche nach dem richtigen Geschäftsmodell mit der Cloud für Business by Design 2013 eine erneute Kehrtwende vollzogen. Oracle vertröstet enttäuschte Analysten mit dem erhofften Cloud-Geschäft im kommenden Jahr. Und IBM will mit ihren Cloud Services rund um Big Data im kommenden Jahr so richtig durchstarten.

Wenn 2013 die Wende im mobilen Consumer-Geschäft brachte, bringt dann 2014 den Durchbruch im Corporate-Cloud-Business? Gut möglich. Aber vielleicht werden wir das gar nicht mehr merken. Denn jeder Mitarbeiter ist auch Consumer. Um am wahrscheinlichsten ist, dass Mobile Computing auch 2014 alle in Atem halten wird. Nicht nur die Anbieter, sondern auch den CIO. Der hat mit „Mobile“ künftig ein Moving Target vor sich. Mehr als aus der Hüfte Schießen ist da wohl 2014 nicht möglich.

 

Hum? War was?

1913 wird ja unter führenden Feuilletonisten als das Wunderjahr bezeichnet, in dem praktisch auf allen Gebieten der Kunst und Wissenschaft Bahnbrechendes geleistet wurde. Nur auf dem diplomatischen Parkett war das Jahr bedauerlicherweise eine politische Tiefschlafphase, was sich aber erst ein Jahr später so richtig negativ auswirkte.

Ganz anders steht dagegen das Jahr 2013 da: Auf diplomatischer Ebene wurde uns gerade noch mit der Freilassung Michail Chodorkowskijs vorgeführt, was der altliberale „Genschman“ noch so alles drauf hat. Das Feuilleton in diesem Jahr jedoch beherrscht ein Mann, der ebenfalls ganz gern ein Visum für Deutschland hätte: Edward Snowden. Seine Enthüllungen dominierten die geisteswissenschaftliche Debatte ebenso wie die politischen Auseinandersetzungen des Jahres 2013. Wenn es in der Rückschau einen Titel für das zu Ende gehende Jahr gibt, dann der: „2013 – das Jahr, in dem wir aufwachten“.

Ohne die wirklichen menschlichen Tragödien (Bürgerkrieg in Syrien, Flutkatastrophe auf den Philippinen) verniedlichen zu wollen – die Erkenntnis, dass auch unter Freunden auf Vertraulichkeit kein Verlass ist, dass Privatsphäre eine Utopie ist, dass das technisch Machbare längst das Undenkbare überholt hat, diese Erkenntnis hat uns aus einem naiven Dämmerschlaf der Ahnungs- und Sorglosigkeit gerissen.

Dabei hätten wir es wissen müssen – hätten wir nur unseren Tom Clancy richtig gelesen…

In vielen seiner Bücher beschreibt der in diesem Oktober verstorbene US-Schriftsteller Geheimdienstaktivitäten. In seinem 2000 erschienen Buch „Im Zeichen des Drachen“ (englisch: The Bear and The Dragon) beschrieb er die Abhörmethoden der NSA, die allerdings aus heutiger Sicht geradezu harmlos wirken. Aber 2000 – da waren wir ja noch mit dem Jahrtausendfehler („Y2K“) beschäftigt.

Jetzt leiden wir unter dem Jahrtausendfehler mangelnder Sicherheit im Web – und mit uns zahllose vielversprechende Konzepte. Cloud Computing gehört ebenso zu den Kollateralschäden wie möglicherweise Industrie 4.0. Das muss aber nicht so sein. Es ist schon Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet hinter diesen Visionen einer vernetzten Wirtschaftswelt sich auch der Wille erhebt, auf deutscher und europäischer Ebene Gegenstandards für mehr Datenschutz, Datensicherheit und Privatsphäre im Web zu etablieren. Der europäische Tiger will auch beißen können.

Es passt irgendwie ins Bild, dass das IT-Jahr 2013 neben Edward Snowden einen zweiten Dauerhelden hervorbrachte: Steve Ballmer. Sein Ringen, mit Microsoft in der dynamisch sich entwickelnden Welt des Mobile Computing Anschluss zu finden, hatte in den letzten zwölf Monaten die Züge einer klassischen Tragödie, an deren Ende der Held abdankt, die Welt aber gerettet wird.

Demnach wäre hier Nokia der Kollateralschaden. Oder war es doch eher eine Rettung in letzter Minute? Das freilich wäre ein Element der Komödie. Und in der Tat: Microsofts Ringen um eine Migrationsstrategie vom Personal Computing zum Mobile Computing oszilliert zwischen Tragödie und Komödie. Wir werden erst 2014 wissen, wie die Geschichte ausgeht – und unter wessen Führung.

Ansonsten: Twitter ist an der Börse.

War da was?

Kabinettstückchen

Nach dem Ja  der sozialdemokratischen Basis zum schwarzroten Koalitionsvertrag ging es richtig schnell – und alle Ämter wurden mit Köpfen ver-sehen. Ob es sich möglicherweise hier und da um ein Ver-sehen handelt, wollen wir frühestens nach 100 Tagen erstmalig beurteilen. Aber es stimmt doch nachdenklich, dass sämtliche Ressorts, in deren Zuständigkeit Aufgaben mit der Vorsilbe „Ver“ vorgesehen sind, für Überraschungen gesorgt haben.

Da ist zuallererst das Ver-teidigungsministerium, das mit Ursula von der Leyen nun zum ersten Mal von einer Frau ver-waltet wird. Das Lob der Kanzlerin, die Niedersächsin könne sich so ziemlich in jedes Thema hineinarbeiten, klingt allerdings durchaus ver-halten. Aber wenn man bedenkt, dass nunmehr schon ein halbes Dutzend männlicher Kollegen bei der Aufgabe ver-sagt haben, die Bundeswehr zu reformieren, sollte man es durchaus mal mit einer Frau ver-suchen.

Da ist zweitens das Ver-braucherministerium, das vom Landwirtschaftsministerium ins Justizministerium wechselt und nun in der Ver-antwortung des Saarländers Heiko Maas liegt. Das ist nun durchaus ein Signal, denn Ver-braucherschutz hört nicht bei Fleischgammlern und Weinpanschern auf, sondern ist – gerade im Zeitalter des eCommerce – eine heikle juristische Ver-anstaltung.

Und da ist drittens das Ver-kehrsministerium, das unter dem Seehofer-Ver-trauten Alexander Dobrindt nunmehr auch die digitale Infrastruktur  im Ressortzuschnitt ver-ordnet bekommen hat. Die Resonanz in der ver-netzten Welt war ver-halten. Zum einen scheint der Ver-bund von Ver-kehr und Ver-netzung falsche Signale zu ver-mitteln. Zum anderen hat der neue Amtsinhaber bislang nicht unbedingt auf sich ver-wiesen, wenn es um das Ver-ständnis für die Internetwirtschaft geht.

Schnell machte das ver-unglückte Wort von der Datenautobahn wieder die Runde. Und Witzchen wie die Sorge um eine Ausländermaut auf deutschen Internet-Trassen fanden am Sonntag schnelle Ver-breitung. Dabei ist es natürlich bedenklich, wenn das Internet auf den Ausbau von Trassen reduziert bliebe. Aber der Ausbau der Infrastruktur mit Asphalt und Glasfaser ist für den Logistikstandort Deutschland alles andere als ver-zichtbar.

(Und haben wir nicht selber vor wenigen Bonnblogs einen Infrastrukturminister gefordert? Bei Wünschen, heißt es, soll man vorsichtig sein. Sie könnten in Erfüllung gehen – nur anders als erhofft.)

Die juristische, die soziale und die wirtschaftliche Komponente des Internets ist im Justizministerium keinesfalls schlecht ver-ortet. Denn nun können Verbraucher- und Anbietersichten intellektuell ver-knüpft werden. Was wir hier brauchen, ist ein Ver-trauensministerium, das dabei hilft, die Ängste um das Aushorchen durch Dritte, um das Aus-Phishen von Zugangsdaten, um das Abzocken durch Nepper zu ver-ringern.

Dieses Kabinett, dem wir mit seiner Ver-eidigung am Dienstag bestes Gelingen wünschen und gute Ver-richtung in der Umsetzung der Ver-einbarungen im Koalitions-Ver-trag, weist so manches Kabinettstückchen auf. Dazu zählt sicher auch die Rückkehr von Jörg Asmussen von der EZB in die Bundespolitik – als ver-beamteter Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.

Jetzt geht es nach der Ver-eidigung erstmal in die ver-diente (?) Weihnachtspause, ehe dann im Januar ver-stärkt und mit ver-einten Kräften regiert wird. Sozusagen mit Ver-ve!

Wer diese Acht überwacht, hat wirklich die Macht

Ein halbes Jahr musste ins Land ziehen, seit Edward Snowden die erste PRISM-Katze aus dem Sack zog, ehe sich die amerikanischen Plattform-Betreiber, deren Internet-Angebote angezapft und abgespeichert wurden, zu einer konzertierten Aktion zusammenfanden. Aber immerhin jetzt treten Apple, AOL, Facebook, Google, LinkedIn, Microsoft, Twitter und Yahoo gemeinsam an die Öffentlichkeit und mahnen eine deutliche Reform der Ausspähgesetze an.

Man kann dem Oktett zugutehalten, dass es immerhin zunächst einer richterlichen Erlaubnis bedurfte, um sich überhaupt inhaltlich – und dann lediglich in zusammenfassenden Äußerungen – über die Datensammlung der NSA und anderer Geheimdienstaktivitäten äußern zu können. Aber was jetzt in offenen Briefen an US-Präsident Barack Obama und ausgewählte Kongressmitglieder sowie in großformatigen Zeitungsanzeigen formuliert wird, ist weniger von der Sorge um massenhafte Menschenrechtsverstöße geprägt als vielmehr von Angst um einbrechende Marktanteile. Denn nichts schadet dem Internet-Geschäft mehr als eine Vertrauenskrise.

Aber sei´s drum – erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, wusste schon Bert Brecht. Wenn das Motiv auch anstößig sein mag, ist die Aktion doch begrüßenswert.  Die „Großen Acht des Internets“ mahnen zur Umkehr, zur Wahrung der Datensicherheit und zu mehr Respekt vor der Privatsphäre des Einzelnen.

Dabei sind ihre Formulierungen diplomatische Meisterleistungen im Weißwaschen einer heftigen Kritik an den Praktiken des US-amerikanischen Staates: „Die Enthüllungen dieses Sommers“, so beginnt der gemeinsame Wortlaut, „unterstreichen die dringende Notwendigkeit, die Überwachungsmethoden weltweit zu reformieren.“  Die Regierung möge „handeln, um das Vertrauen der Bürger überall auf der Welt wiederherzustellen“, ergänzt beispielsweise Marissa Mayer von Yahoo. Und Microsofts Chefjustiziar Brad Smith fügt hinzu: „Regierungen haben das Vertrauen riskiert – Regierungen müssen helfen, es wiederherzustellen.“

Denn eines ist den achtbaren Acht klar: „Die Menschen werden keine Technologie nutzen, der sie nicht vertrauen.“ Ja, mehr noch – die Menschen werden sich alternativen Technologien zuwenden, denen sie vertrauen. Dass dies eintreten sollte, ist das Ziel einer immer größer werdenden Initiative der Europäischen Union. Noch im Oktober klagte EU-Rechtskommissarin Viviane Reding, dass sie sich fühle wie ein zahnloser Tiger, der nur knurren könne. „Ich möchte aber auch beißen können“, sagte sie damals.

Seitdem tut sich einiges. Zwar hat Neelie Kroes, die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, den Plan der Deutschen, mit einer eigenen Sicherheitscloud neue Qualitätsstandards zu setzen, zunächst einmal abgelehnt. Ihre Zurückweisung bezog sich aber nicht auf die Idee selbst, sondern auf den nationalen Alleingang der Deutschen. „Dann hätten wir 28 nationale Clouds“, beschwor sie die Einigkeit bei den Wolkenstandards.

Bis Mitte 2014 soll eine europaweite Sicherheitsrichtlinie stehen, durch die die EU als eine „vertrauenswürdige Cloud-Region“ in der Ära nach PRISM ausgewiesen wird – also quasi zur abhörfreien Zone. Neelie Kroes hatte da bei der Ankündigung auch zum ersten Mal Tigerzähne blitzen lassen und angedeutet, dies könnte schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für US-Anbieter nach sich ziehen. Umgekehrt sollten europäische Anbieter die auf dem Alten Kontinent üblichen Sicherheitsstandards befolgen und damit zu einem Wettbewerbsvorteil nutzen.

Unterdessen nannte es der scheidende Telekom-Chef René Obermann gegenüber dem Handelsblatt „fahrlässig“, dass EU-Kommission und Bundesregierung so wenig tun, um die Abhöraffäre aufzuklären und die Konsequenzen für mehr Sicherheit im Netzverkehr zu ziehen. Es sei Sache der Politik und nicht der Wirtschaft, die Einhaltung der notwendigen Sicherheitsstandards gegenüber den Vereinigten Staaten einzufordern. Das sehen die „Großen Acht“ jetzt leicht anders. Sie sehen zwar auch die Politik in der Pflicht. Die Aufgabe der Wirtschaft aber muss es sein, für ihre Interessen einzustehen. Das haben die Acht jetzt gemacht. Ihr Motto: Es kracht, wenn ihr uns Acht weiter überwacht.