Ariba, ariba – Real SAP

Wenn es eines Beweises bedurfte, dass Cloud Computing der Trend der Dekade ist, dann hat ihn SAP jetzt erbracht, als das Kaufangebot an den Online-Marktplatzbetreiber Ariba auf den Tisch gelegt wurde. Nimmt man die Investments für die Entwicklung der OnDemand-Suite Business by Design, für die OnDemand Solutions für Large Enterprises, die Apps für Business One und weitere ERP-Lösungen sowie die Übernahme von SuccessFactor und jetzt Ariba zusammen, dann dürfte Walldorf in den zurückliegenden zehn Jahren annähernd 20 Milliarden Euro in die Cloud gesteckt haben.

20 Milliarden für ein Phantom? Was wäre das für ein Treppenwitz!

Aber 20 Milliarden Investition, um in einem sich soeben erst entwickelnden Markt erfolgreich zu sein? Das ist doch eigentlich eine Katastrophe!

Die Visionen, die aus der Wolke herabregnen, gehen ins Uferlose. Auf 240 Milliarden Dollar wird der Cloud-Markt geschätzt – im Jahr 2020. Heute sind es weltweit erst 40 Milliarden Dollar, ein Achtel davon wird allein in Deutschland ausgegeben.

Das ist kein Markt, den man übersehen sollte. Aber genau das haben die Global Player lange getan. Sie haben argumentiert, dass sich ERP-Lösungen vorerst nicht für das Cloud Computing eignen, dabei aber völlig übersehen, dass sich diese Systeme längst in einer Metamorphose befanden, die mit der Diskussion um Service-orientierte Architekturen bereits die Richtung wies. Die Fehleinschätzung bestand darin, dass SOA nicht nur zu breit angelegten Anwendungsinfrastrukturen für Wholesale-Anbieter führten, sondern auch Spezialisten einlud, einzelne Anwendungsaspekte herauszupicken und für die Cloud zu optimieren. Und diese Spezialisten sind es heute, die von den Global Playern mit Milliardensummen vom Markt gekauft werden.

Die Schlacht in den Wolken, den die Global Player über unseren Köpfen austragen, mutet jedoch längst wie ein Stellungskrieg an. Jeder übernimmt, was das Zeug hält: IBM, Oracle, HP, SAP, Google und Facebook. Und auch SalesForce kauft und kauft – und verteidigt sich damit selst gegen eine mögliche Eroberung. In dieser Schlacht gibt es keine Freunde.

Und auch keine Grenzen. Was sind schon 3,4 Milliarden, wenn sich Facebook mit 100 Milliarden Dollar an der Börse wappnet. Was ist schon ein Börsenwert von 100 Milliarden Dollar, wenn er tags drauf schon schneller zu schrumpfen beginnt, als andere das Geld zum Cloud-Window hinauswerfen?

Geld schießt nicht nur Tore, es öffnet auch die Tore zu neuen Märkten. In der Tat mutet der Kampf um den besten Platz unter der Wolke an wie das Wettrüsten um die Trophäe der Champions League. Hier wie da werden derzeit Wahnsinnssummen über den Tisch geschoben, um die Superstars ins Team zu holen. SAP hat sich mit dem Goalgetter Daalgard von SuccessFactor ausgestattet und will nun mit Ariba auch die Abwehr verstärken. Der nächste Milliardendeal der werten Marktbegleiter ist nur eine Frage der Zeit.

Noch ist das Geld da. Bald ist es woanders. Es lohnt sich, jetzt eine Startup-Company mit Cloud-Ambitionen zu gründen. Sie könnte in einem Jahr schon Milliarden wert sein.

 

 

Facebook feiert, HP feuert

Sell in May and go away – sagen Börsenexperten und empfehlen, Ende April das eigene Depot zu überprüfen und Gewinne mitzunehmen. Aber auch Ende Mai scheint es dieses Jahr noch Anlass für eine Depotbereinigung zu geben. Denn bereits am ersten Handelstag geriet die Facebook-Aktie stark unter Druck. Nur erhebliche Stützungskäufe der Ausgabebank Morgan Stanley haben vor dem Wochenende verhindert, dass die Aktie bei ihrem Debüt unter den Ausgabekurs rutschte. Die Woche danach dürfte jetzt zeigen, ob diejenigen Recht behalten, die die Aktie ohnehin für hoffnungslos überbewertet hielten. Die Woche der Entscheidung begann jedenfalls in Frankfurt mit einem Abschlag um fünf Prozent.

Noch freilich ist Mark Zuckerberg in Feierlaune – erst Geburtstag, dann Börsengang, dann Hochzeit. Doch jetzt geht es wieder an die Hausaufgaben: Bezahlte Nachrichten, Online-Shopping, mobile Werbeanzeigen – die Freunde-Seite muss künftig einiges an zusätzlichen Umsatzquellen erschließen (und damit auch manchen Tabubruch begehen), um das massive Umsatzwachstum, auf das die euphorischen Aktienkäufer setzen, auch tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen. Denn um einen Börsenkurs zu rechtfertigen, der derzeit das Hundertfache des Jahresumsatzes beträgt, muss Facebook in den nächsten beiden Jahren kräftig wachsen – mindestens hundertprozentig. Die nächsten Schritte werden von der Börse genauestens beäugt.

So wie die Börse die nächsten Schritte von Hewlett-Packard beobachtet – und vorerst nicht honoriert. Die Ankündigung, bis zu 30.000 Arbeitsplätze auf den Prüfstand zu stellen, sollte eigentlich auch den Aktienwert heben. So will es die Börsenarithmetik, die nicht nur Wachstum honoriert, sondern auch Schrumpfen an der richtigen Stelle.

Das gilt vor allem, wenn die Maßnahmen richtig kommuniziert werden. Als der glücklose Léo Apotheker bei HP seinen Sparkurs vorstellte, sackte der Kurs weg, weil keiner glaubte, dass die angekündigten Einschnitte nötig waren. Die Konsequenz: der Deutsche musste gehen. Jetzt, wo Meg Whitman, eine weit darüber hinaus gehende Maßnahme ankündigte, kann sie das mit dem Hinweis auf das Chaos begründen, dass sie angeblich beim Amtsantritt vorgefunden habe.

Der Hieb  richtet sich weniger gegen Léo Apotheker, der in seiner kurzen Amtszeit weder die Chance hatte, Chaos anzurichten, noch es zu beseitigen. Die Kritik zielt auf den bis 2010 amtierenden Chef Mark Hurd, der dem Unternehmen Perspektive genommen hatte, als er die Budgets für Forschung und Entwicklung kappte. Jetzt soll dagegen in der ohnehin schrumpfenden PC-Sparte gespart werden. Sollten hier tatsächlich 18.000 Mitarbeiter gefeuert werden, könnte dies Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Dollar bedeuten. Und sieben bis zwölf Tausend weitere Arbeitsplätze werden überprüft…

Noch freilich reagiert die Börse nicht. Am Mittwoch aber wird Meg Whitman die Bilanz vorlegen. Analysten befürchten, dass ein Umsatzrückgang von vier Prozent auf etwa 122 Milliarden Dollar ausgewiesen wird. Das wäre dann der Zeitpunkt, zu dem Meg Whitman ihre Feuer-Bereitschaft präzisieren müsste. Dazu wird sie auch eine Vision benötigen, eine Börsenstory, die die Phantasie anregt.

Doch allzu viel Phantasie an der Börse ist auch riskant. Noch feiert Facebook. Aber aus Frankfurt kommen bereits erste Warnungen. Der NASDAQ öffnet in wenigen Minuten. Wollen wir wetten?

SAP phiret sich selbst

Kaum hat die Sapphire hier in Orlando begonnen, ist sie auch schon wieder  vorbei. Und nach den Auftritten von Lars Dalgaard, Vishal Sikka, Jim Hagemann-Snabe, Bill McDermott und schließlich Hasso Plattner ist eigentlich alles gesagt – nur noch nicht von jedem.

Jeder reitet derzeit sein eigenes Steckenpferd: Hana hier, Cloud da, die Entwicklung der Märkte in den Schwellenländern dort – und als übergreifendes Thema teilen alle unisono die Überzeugung, dass sich die Zeiten ändern und die SAP ändert sich in ihnen.

Gleichzeitig wird auf der Bühne in den Auditorien überdeutlich, dass sich das Machtgefüge im Top-Management der SAP verlagert, dass Machtkämpfe zwischen den Kombattanten für die Dauer der Sapphire lediglich ruhen, aber nicht beigelegt sind.

Deutlich wird das im zum Teil übermotiviert wirkenden Auftritt des Vorstand-Neulings Lars Dalgaard, der wie ein Evangelist des Cloudizismus Selbstbewusstsein und Sendungsbewusstsein kombiniert.

Deutlich wird dies aber auch in den Beiträgen der beiden Co-CEOs, die sich eifrig gegenseitig referenzieren und deutlich machen, dass zwischen das Spitzenduett derzeit keine Postkarte passt.

Und deutlich wird dies schließlich im Vortrag des Aufsichtsratsvorsitzenden Hasso Plattner, der die Hana-Mania weiter schürt und neben sich und seinem Lieblingsthema kaum noch etwas gelten zu lassen scheint.

Die Sapphire ist schon eine bemerkenswerte Show. Wogende Wälder auf der Leinwand signalisieren Nachhaltigkeit, Umweltbewusstheit und Freiheit. Es gibt nur ein Vorwärts, ein Weiter, ein Globaler. Auf der Sapphire feiert SAP sich selbst – als gäbe es nur SAP. Dafür ist die Show da.

Hinterm Vorhang aber sieht es anders aus. Das beweisen die Videos und Mails, die in den letzten Monaten nicht nur intern zirkulierten, sondern eben auch an die Öffentlichkeit durchgesteckt wurden. Dabei werden drei Tendenzen überdeutlich:

  1. Hana ist der Heilsbringer für alle datenintensiven Anwendungen – von der Betriebswirtschaft bis zur medizinischen Diagnose.
  2. Cloud ist das Sorgenkind in allen Anwendungsbereichen – von ByD bis zu Large Enterprise.
  3. ERP als monolithisches Angebot ist passé – dafür sollen offen Plattformen kommen.

Die Revolution innerhalb der SAP bricht auf der Sapphire nicht offen hervor, aber sie brodelt. Da wird das Minus von 64 Prozent, das die Cloud-Division zum Ergebnis beiträgt, angeprangert. Da wird ein antiquiertes Verständnis zur Technologie polemisiert. Da werden überholte Vertriebsmethoden kritisiert.

Es scheint, als erwache da ein schlafender Riese, der sich noch verdutzt in einer veränderten Welt umsieht und eine neue Orientierung sucht. Da kommt die Sapphire gerade recht. Denn die Show in Orlando ist zwar in erster Linie eine Kundenveranstaltung – aber in diesem Jahr diente sie ebenso der Selbstverortung, ja der Selbstbestätigung. SAP vergewissert sich seiner selbst, weil die Zukunft so ungewiss ist.

SAPPHIRE: Mehr PaaS, weniger SAP

Es herrscht ein wenig Revolutionsstimmung hier in Orlando, wo sich bereits vor dem offiziellen Start der globalen Kundenveranstaltung die Gerüchte auf die zukünftige Cloud-Strategie des Software-Riesen konzentrieren. Dabei wird der Durchbruch weniger von neuen Produkten erwartet, die die gute alte SAP ankündigen wird. Die Erwartungshaltung richtet sich auf eine neue SAP, selbst wenn sie dann die guten alten Produkte präsentiert…

Es musste nicht erst das Dreigestirn aus Hasso Plattner, Dietmar Hopp und dem Neu-Vorstand Lars Dalgaard im ersten Quartal per Video, Mail oder in Interviews Warnungen formulieren, dass es mit der SAP „as we know her“ im Cloud-Computing so nicht weitergehen könne. Schon die Ankündigung, dass sich SAP nach vier Jahren Angst vor dem Sündenfall des Kannibalismus, nämlich SAP Business by Design auch den eigenen Enterprise-Kunden anzudienen, endlich dazu durchringen konnte, die Cloud-Lösung als Subsystem unter SAP ERP (fka R/3) zu positionieren, sprach Bände.

Es ist schon faszinierend, dass sich SAP zum zweiten Mal innerhalb von 24 Monaten die eigene Strategie von ihren Kunden umschreiben ließ: zunächst bei der Abwehr der erhöhten Wartungsgebühren, dann bei der Hereinnahme von ByD ins Enterprise-Portfolio. Es wäre nicht die schlechteste Idee, wenn SAP sich auch weiter darin üben würde, auf ihre Kunden zu hören – vielleicht beim nächsten Mal schon vor der Verkündung der neuen Strategie.

Zunächst aber hört SAP auf den Marktverstand derer, die durch Aufkäufe ins Management kommen. Dass der SmartFactorist Lars Dalgaard nun die SAPPHIRE nutzen wird, um den Walldorf-Salat aus diversen, wenn nicht sogar divergierenden Cloud-Angeboten neu anzurichten, ist selbstverständlich. Ein Baustein wird dabei der Ausbau hin zu einer vereinheitlichen Cloud-Plattform sein, unter der SAP ihren bisherigen Angebotsmix anbietet. Für eine ByD-Lösung, die als Closed-Shop entweder ganz oder gar nicht eingesetzt wird und äußerst arm an Schnittstellen zu Drittsystemen ist, dürfte da nur nach einer mächtigen Metamorphose Platz sein.

Aber genau dies zeichnet sich ab: Dem Vernehmen nach diskutiert SAP heftig darüber, stärkere Angebote im Bereich Finance und Human Resources zu erbringen – zwei Bausteine, die innerhalb von ByD auch nach Weltklasse-Maßstäben hervorragend gelöst sind. Als schwach wird dagegen von Analysten und Anwendern der Manufacturing-Part angesehen. Nichts läge näher, als das monolithische ByD aufzubrechen und den Finance-Kern als Plattform für eine globale Software-Mall zu positionieren, auf die vertikale Lösungen von Drittanbietern über Standardschnittstellen zugreifen können.

Das klingt erfolgversprechender als der Ansatz, die ByD-Wolke durch „minimal-invasive“ Apps anzureichern, die kaum die funktionalen Schwächen von ByD im Supply Chain Management ausgleichen können. Welches Ghetto-Dasein Apps und Add-ons in der SAP-Vertriebsorganisation fristen, beweisen bereits die Schätzchen, die in der Wookey-Ära für die Large Enterprise-Cloud entwickelt oder akquiriert wurden.

 Also weniger Software-Applications-Programming und dafür mehr Platform as a Service. Das verlangt freilich ein neues Vertriebsverständnis und eine überarbeitete Vorstellung vom Kunden. Die nächste Milliarde wird SAP vielleicht nicht in Akquisitionen oder Anwendungen stecken, sondern in Angestellte.