Content ist King

Der einflussreiche Sprachwissenschaftler Noam Chomsky, der mit seinen Untersuchungen zum kindlichen Spracherwerb und zur Universalgrammatik nicht nur unser Verständnis von Kommunikationsmechanismen geprägt hat, sondern auch dadurch einer der Wegbereiter der künstlichen Intelligenz und der computerisierten Spracherkennung ist, war sich schon in den sechziger Jahren sicher: man kann komplexe Gedanken nur denken, wenn man auch über die entsprechenden Worte und Begriffe verfügt. Ein kleiner Wortschatz wäre demnach die Erklärung für gedankliche Untiefen. Oder anders ausgedrückt: wer seine Gedanken in 140 Zeichen einpasst, findet keinen Raum für Differenzierungen.

Und dennoch beweist die aktuelle Erfahrung, dass man mit einem permanent donnernden Twitter-Gewitter wirkmächtig sein kann. Die Kommunikationsmechanismen unserer Sharing Society sorgen schon dafür, dass noch die dümmsten Ansichten aufgegriffen und für den gesellschaftlichen Diskurs aufbereitet werden. Die Systemnervosität unserer digitalen Medienwelt sorgt dafür, dass alles gelesen, gehört, gesehen und mit Like-Läufen oder Shitstorms beantwortet wird. Jeder hat darin das Zeug zum Publizisten. Und jeder hat damit die Chance, seine ganz persönliche Eigenmarke zu prägen.

Originalität und Popularität sind dabei hilfreich, aber nicht zwingend. Vielmehr ist es wichtig, durch Regelmäßigkeit, Beständigkeit und Nachhaltigkeit die eigene Zielgruppe zu pflegen und zu bedienen. Voraussetzung ist freilich auch, diese Zielgruppe überhaupt erst einmal zu identifizieren und zu definieren. Nur so kann man das Interesse derjenigen erlangen, die man erreichen will.

In diesem Blog ist vor wenigen Wochen der 400. Text erschienen – das sind mehr als 400 „Meinungen und Deinungen“ zu aktuellen Themen der Informationswirtschaft. Sie haben dazu beigetragen, meine Eigenmarke Heinz-Paul Bonn zu prägen – wie auch die rote Brille und meine klaren Statements in IT- und Mittelstandsgremien. Sie nehmen Einfluss auf die laufende Debatte um den digitalen Wandel, Cloud Computing, Startups und Mittelstand und werden umgekehrt von der laufenden Debatte beeinflusst. Dabei verfolge ich keine unmittelbaren kommerziellen Interessen. Es ist die Freude eines Kölners am Diskurs.

Aber die Mechanismen des Content Marketings, wie sie im Bonnblog genutzt werden, eignen sich auch hervorragend für die Stärkung von Marken, Produkten und Positionen. Wir sind eine Gesellschaft von Geschichtenerzählern, die mit ihren Erfahrungen und Erlebnissen die Welt der Dinge, Dienste und Gedanken anreichert. Ein Auto ist nicht einfach nur ein Auto, sondern ein Fahrerlebnis. Ein Haarschnitt ist keine Frisur, sondern Ausdruck eines Lebensstils. Eine Idee wird zur Strategie. – Und Polterei wird zur Politik.

Derzeit starren wir alle auf die Möglichkeiten, die die Vernetzung von Maschinen bringen wird: aus Millionen von Daten werden Informationen, daraus Analysen, die wiederum zu Entscheidungen führen. Content Marketing ist dies alles in einem – mit dem schönen Vorteil, dass es Menschen sind und nicht Maschinen, die diese Inhalte bereitstellen. Blogs, Posts, Videos sind in der Regel das Ergebnis eines intellektuellen, kreativen Prozesses. Sie werden von Menschen erstellt und von Menschen verarbeitet, indem sie Gedanken induzieren und Haltungen oder Handlungen vorschlagen. Wir definieren unsere Beziehungen durch Content, den wir teilen.

Das muss nicht immer so bleiben: immer häufiger treffen wir auf Content, der nicht unmittelbar das Ergebnis einer menschlichen Gedankenleistung ist. Ganze Wahlkämpfe werden inzwischen durch Maschinen beeinflusst, die einfach nur einer vorgegebenen menschlichen Absicht folgend Beiträge aufgreifen, multiplizieren oder modifizieren. Diese Chatbots reduzieren die Diskussion auf Beeinflussung. Sie führen den Diskurs in den Konkurs.

Dabei ist es interessant zu sehen, wem die digitale Gesellschaft besonders gerne und bereitwillig lauscht (und wahrscheinlich auch glaubt): bekannte Marken stehen ganz oben auf der Liste des Vertrauens, dicht gefolgt von persönlich bekannten Quellen. Damit genießen Blogger in ihrer jeweiligen Community mehr Vertrauen als die traditionellen Medien in der breiten Leserschaft. Persönliche Erfahrungen und Empfehlungen werden höher gehandelt als die Wiedergabe von Beiträgen anderer. Interaktion ist wichtiger als Konsumtion.

Wer etwas verkaufen will, muss eine Geschichte um das Produkt liefern, die sowohl den Faktencheck bedient als auch die Emotionen. Content ist nun mal King – auch und gerade in der egalitären Web-Community.

Schmerztherapie

Die Nachrichten könnten kaum besser sein: der deutsche Außenhandel hat im März das stärkste Monatsergebnis überhaupt hingelegt. Waren im Wert von 118,2 Milliarden Euro wurden international verkauft. Und als wäre es eine direkte Antwort auf die internationale Schelte über den deutschen Exportüberschuss legte auch der Import mit rund 93 Milliarden Euro kräftig zu. Damit schloss die deutsche Wirtschaft ein äußerst erfolgreiches erstes Quartal 2017 ab – und das, nachdem bereits 2016 mit 1,2 Billionen Euro grandios verlaufen ist.

Als super, möchte man meinen. Doch Hans-Toni Junius, der Vorsitzende des gemeinsamen BDI/BDA-Mittelstandsausschusses im Bundesverband der Deutschen Industrie, warnt: „Die Politik lässt sich von guten Wirtschaftszahlen blenden und erkennt nicht, dass der Leidensdruck im Mittelstand steigt. Es ist ein Alarmsignal, dass die Innovationstätigkeit seit einigen Jahren abnimmt.“ Als eine Art Schmerztherapie legte der BDI deshalb jetzt Handlungsempfehlungen vor, die vor allem die Investitionen in die digitale Infrastruktur stärken sollen. Aber auch hausgemachte Schmerzpunkte müssen behoben werden: So überaltert die Geschäftsführung im Mittelstand zusehends – und mit dem Alter sinken, das beweisen Studien, sowohl die Investitionsbereitschaft als auch die Innovationsfähigkeit.

Am meisten, so beklagt Junius, leide der Mittelstand unter den Bürokratielasten – eine Kritik, in der sich die etablierten Unternehmen im Einvernehmen mit Startups und Venture Capitalists wissen. Auch nach der von Edmund Stoiber geleiteten Entbürokratisierungsinitiative drücken die Belastungen etwa aus Umwelt-, Energie-, Steuer- und Sozialgesetzgebung unverändert besonders auf mittelständische Unternehmen.

Als Beispiel rechnet der BDI in seinen Handlungsempfehlungen die im internationalen Vergleich sehr hohen Energiekosten durch, bei denen hierzulande der staatliche Anteil bei bis zu 54 Prozent liegt. Wettbewerber in den USA und Großbritannien hätten hier nur eine halb so hohe staatliche Belastung zu stemmen.

In einer Paraphrase auf das bekannte Brandt-Wort forderte Junius, die Politik müssen „mehr Wirtschaft wagen“. Als Beispiel nennt der BDI in seinen Handlungsempfehlungen die Tatsache, dass Deutschland eines der wenigen Länder sei, das auf das Instrument der staatlichen Forschungsförderung verzichte. In der Folge ist der Beitrag der Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern für Forschung und Entwicklung auf 8,3 Milliarden Euro oder 16 Prozent der Gesamtleistung für Innovationen gesunken. Bei Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern liegt der Anteil nur bei elf Prozent. Der Mittelstand zieht sich also mehr und mehr aus der Innovationstätigkeit zurück.

Ein Forschungsbonus aber, so die Rechnung des BDI, würde vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen zusätzliche Anreize geben, in die Erneuerung ihrer Prozesse und Produkte zu investieren. Gerade mit Blick auf das Internet der Dinge und der darauf aufbauenden vierten industriellen Revolution sind erhebliche Investitionen in noch unerforschte Technologien und Geschäftsmodelle vonnöten. Hier Anreize zu schaffen, wäre in der Tat eine Maßnahme für künftiges Wachstum und einen wettbewerbsstarken Mittelstand.

Wettbewerbsstärke wird sich aber in der Zukunft vor allem dadurch zeigen, dass Unternehmen einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie folgen. Nach Umfragen des ZEW sind es bislang weniger als ein Viertel der mittelständischen Firmen, die sich hier zu einer 360-Grad-Umsicht auf den digitalen Wandel durchringen konnten. Die Politik muss hier investiv bis 2025 nicht nur die Umsetzung der Gigabit-Infrastruktur flächendeckend erreicht haben, sondern auch gesetzgeberisch für die Rahmenbedingungen für mehr Sicherheit der Daten und der Informationstechnik sorgen.

Und während der Mittelstand insbesondere durch den Fachkräftemangel ausgebremst wird, obwohl junge Deutsche unverändert lieber in ein Arbeitsverhältnis wechselten als sich selbständig zu machen, sollten die Rahmenbedingungen für industrielle Existenzgründungen weiter optimiert werden. Dazu gehört einerseits eine verbesserte Ausbildung, die ein besseres Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge mit einbezieht. Andererseits sind es aber gerade die industriellen Startups, die – im Unterschied zur Digitalwirtschaft – mit hohen Anfangsinvestitionen zu kämpfen haben. Hier müsse die Politik einen leichter zugänglichen Finanzierungsrahmen schaffen.

Nie waren die Zeiten so günstig, um mit einer dezidierten Mittelstands- und Gründerpolitik die Bedingungen für das morgige Wachstum zu schaffen und zugleich im internationalen Digitalisierungswettlauf Boden gut zu machen. Hier besteht in der Tat deutlich Luft nach oben: im OECD-Vergleich liegt der Exportweltmeister Deutschland in Sachen Digitalisierung auf einem blamablen 28. Platz – von 32 Ländern.

Die Schmerztherapie im Mittelstand muss deshalb sowohl am Symptom als auch an der Ursache ansetzen: Dort, wo die Rahmenbedingungen verbessert werden können, muss dies zügiger geschehen als bisher. Aber für den Mittelstand gilt auch: Die Rückkehr zur legendären Innovationsbereitschaft ist die beste Voraussetzung für Wachstum in der Zukunft.

Brain für Millionen

Es ist schön, wenn man eine so große Fangemeinde hat: 500 Millionen Geräte weltweit nutzen mindestens einmal im Monat Windows 10. Und 141 Millionen Anwender stellen mindestens einmal im Monat Microsofts Sprachassistenten Cortana eine Frage. Und 90 Prozent der „Fortune 500“-Unternehmen nutzen bereits Cloud-Dienste von Microsoft. Und für diese Anwender – aber mehr und mehr auch für Apple-User – hat Microsoft jetzt auf der Build-Entwicklerkonferenz reichlich sensationelle KI-Services bereitgestellt. Sie bieten mehr Brain für Millionen – und werden gleichzeitig Millionen für Microsoft gewinnen.

Dabei zielt Microsoft eindeutig auf das Internet der Dinge, denn die Dinge im Internet benötigen zu ihrer Steuerung künftig mehr künstliche Intelligenz, die über die Cloud für jedes Unternehmen genutzt werden kann. Dazu soll nicht nur eine gemeinsame Echtzeit-Datenbank unter dem Codenamen Cosmos die zahllosen Daten, die an zahlreichen Standorten verteilt liegen, konsolidieren und Abfragen im Bereich von Millisekunden beantworten. Mit ein paar Programmierzeilen sollen auch bestehende Anwendungen in die Lage versetzt werden, auf KI-Dienste zurückzugreifen. Ohne Microsoft – so die Message an die Entwicklergemeinde – würden Softwarehäuser Jahre und Hunderttausende Dollar benötigen, um Unternehmenslösungen durch künstliche Intelligenz zu erweitern. Mit Microsoft kostet es voraussichtlich nur wenige Cent – pro Transaktion, versteht sich.

Künstliche Intelligenz soll in allem stecken, was Algorithmen hat – von Lösungen für die Xbox über Windows, von Bing bis Office. So formulierte es Harry Shum, Executive Vice President der für AI und Research zuständigen Microsoft Group bereits im Vorfeld der Build. Und immerhin 29 spezialisierte KI-Dienste aus der Cloud sind es dann geworden, die auf der Entwicklermesse in Seattle vorgestellt wurden. Darunter ist unter anderem der Sprachassistent Cortana, der ebenfalls „mit wenigen Lines of Code“ eingebunden werden kann.

Der spektakulärste KI-Dienst aus der Cloud dürfte der „Video-Indexer“ sein, mit dem Videos automatisch ausgewertet werden können. Der Indexer erkennt bei Videos, die auf die Azure-Plattform hochgeladen werden, rund 170.000 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Zeitgeschichte, die in einer vorbereiteten Datenbank hinterlegt sind. Für alle anderen müssen die Anwender die Personen zunächst benennen, ehe der Indexer die Akteure auf weiteren Szenen wiedererkennt. Bei Überwachungskameras können so leicht Mitarbeiter und angehörige von unbefugten Personen unterschieden werden. Doch das System hat Grenzen: Zwar können die Spieler eines Fußballspiels von der KI-Software verfolgt werden, für die Zehntausenden von Zuschauern fehlt aber noch die Performance.

Mit Hilfe von Optical Character Recognition und Spracherkennung schreibt der Indexer zum Beispiel bei einem Meeting-Mitschnitt die im Video wiedergegebenen Texte nieder und ordnet sie einzelnen Sprechern zu. Dabei bietet ein zweiter Cloud Service die Möglichkeit, fremdsprachige Texte unmittelbar zu übersetzen und einzublenden. Zusätzlich soll der Indexer auch in der Lage sein, durch Gesichtsanalysen Emotionen zu erkennen und so zum Beispiel einen Hinweis darauf geben, wie eine bestimmte Person gegenüber dem gesprochenen Text eingestellt ist.

Was nach Kontrollwahn à la NSA und Big Brother klingt, hat durchaus praktische Hintergründe die weit über die Auswertung von Überwachungskameras oder von Meeting-Mitschnitten hinausgeht. So lassen sich diese Analysen im Marketing einsetzen, wo zielgruppengerechte Werbung mit Hilfe des Video Indexers optimiert werden kann. Einsatzmöglichkeiten auch im Produktions- und Logistikumfeld sind denkbar.

Zwölf Funktionen bietet die automatische Analyse bereits. Neben der Gesichtserkennung, der Niederschrift beziehungsweise Übersetzung von gesprochener Sprache ist der KI-Service auch in der Lage, Sprache und Personen einander zuzuordnen. Darüber hinaus lassen sich Schlüsselwörter identifizieren, die entweder gezielt gesucht oder – weil politisch unkorrekt – überblendet werden können. Die Identifikation von zentralen Standbildern aus dem Video soll ebenfalls funktionieren.

Es hat den Anschein, als hätten sich die Microsoft-Verantwortlichen selbst ein wenig darüber erschreckt, was für ein Überwachungsmonster sie da möglicherweise erweckt haben. Deshalb sprach CEO Satya Nadella auch eiligst von der „Demokratisierung“ dieser Möglichkeiten, die nunmehr nicht nur den Geheimdiensten zur Verfügung stehen. Nachdenklich fügte Nadella hinzu, dass es an den Menschen liege, die Technik gewinnbringend und zum Positiven hin zu nutzen.

Man wird sehen. Die Erfahrung lehrt bedauerlicherweise das Gegenteil.

At the Hub

Warum gibt es in Tuttlingen so viele Spezialisten für Medizintechnik? Warum gibt es – pardon: gab es – am Niederrhein so viele Textilunternehmen? Warum wollen Startups nach Berlin? Warum spricht man vom Spirit des Silicon Valley, obwohl doch die Internet-Firmen dort alle räumlichen Begriffe durch die globale und totale Kommunikation ausgehebelt haben? Weil offensichtlich doch etwas dran ist am Schwatz mit dem Nachbarn, am Chat in der Kantine, am „Komm-doch-mal-rüber“. Das lässt sich sogar statistisch nachweisen. Holger Schiele berichtet in seinem Buch „Der Standortfaktor“ 2003, dass sich für fast die Hälfte aller Branchen in Deutschland eine räumliche Häufung nachweisen lässt.

Cluster schaffen einen doppelten Mehrwert: Sie machen Unternehmen im Verbund erfolgreicher und ziehen zusätzliche Innovatoren an. Es ist also nur naheliegend, dass für das um seine digitale Position auf dem Weltmarkt fürchtende Deutschland dieses seit der Bronzezeit bewährte Mittel zur Standortstärkung aus dem Förderhut gezaubert wird. Seit dem Digitalgipfel zwischen Wirtschaft und Politik im vergangenen Oktober, als die Hub-Idee vereinbart worden war, sind nun also zwölf solcher Ballungszentren für ausgewählte Technologiebereiche entstanden. Fünf themenbezogene Standorte machten den Anfang: Berlin (Internet of Things und Fintech), Frankfurt (ebenfalls Fintech), München (Mobilität), Hamburg (Logistik) und Dortmund (ebenfalls Logistik). Ende April kamen sieben weitere hinzu: Köln, Dresden/Leipzig, Karlsruhe, Stuttgart, Ludwigshafen/Mannheim, Potsdam sowie Nürnberg/Erlangen. An diesen Standorten sollen die Schwerpunkte Pharma/Chemie, künstliche Intelligenz und Gesundheitswesen vorangetrieben werden. Darmstadt soll den Frankfurter Hub um das Thema Cyber Security ergänzen.

Nun macht ein Cluster noch keinen Sommer, machen zwölf Hubs noch kein Jahr der Innovationen. Aber es ist richtig und dem föderalen Gedanken der Bundesrepublik angemessen, wenn sich in vielen Regionen etwas regt. Wie sehr hier auch die Eigeninitiative wirkt, zeigt sich am Beispiel Kölns, wo zahlreiche digitale Initiativen gebündelt werden und auch im Rahmen der nordrhein-westfälischen Umstrukturierungsanstrengungen neue Wertschöpfungsfelder geschaffen werden: Medienwirtschaft, Versicherungen sowie Sport, Fitness und Gesundheit sind allesamt Themen, aus denen sich Zukunftsbranchen generieren lassen. In München zeigt sich, dass sich rund um die Technische Universität Mobilitätsinitiativen etablieren, die nicht nur BMW beflügeln, sondern auch die dortige Zulieferindustrie (Knorr-Bremse) oder den ADAC, der sich soeben auf den Weg zum umfassenden Mobilitätsdienstleister begeben hat. Dortmund hat als Logistikzentrum fast so viel Tradition wie Hamburg, Köln/Leverkusen als Chemiestandort so viel Standortpotential wie Ludwigshafen/Mannheim.

Im Grunde werden also doch nur die alten Cluster wiederbelebt. Die alten Standorte sind auch die neuen. Das klingt zwar wenig einfallsreich, ist aber wahrscheinlich der beste Einfall, dem man als Wirtschaftsförderer folgen kann. Es hat noch nie geklappt, einfach neue Technologien, neue Wirtschaftszweige irgendwo anzusiedeln, wenn nicht der Samen für die blühenden Landschaften schon in der Erde ist. Das ist auch die Erfahrung aus der Wirtschaftsförderung in den neuen Bundesländern, wo auch wild verpflanzte Branchenzweige nur mit erheblicher staatlicher Gelddüngung zu grünen begannen. Die berühmte „Laptop-und-Lederhosen“-Initiative der Bayerischen Staatsregierung wäre auch nur Käse gewesen, wenn es nur um den Wechsel von der Milchwirtschaft zur Hightech-Industrie gegangen wäre. Aber mit BMW, MBB, MTU, MAN hatte es auch damals schon einen Innovations-Cluster gegeben, auf dem man aufsetzen konnte.

Es hat sich allerdings in Baden-Württemberg und Bayern auf der anderen Seite durchaus nicht nur als Vorteil erwiesen, dass mit überwiegend US-amerikanischen Computerfirmen zwar Arbeitsplätze geschaffen wurden, aber gleichzeitig innovative Gründerpotenziale lange ungenutzt blieben. Erst die nächste und übernächste Generation holt dies jetzt nach.

Und genau hier sollen die zwölf Block-Cluster alles anders machen. In ihnen geht es von Anfang an ums Gründen, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze in neuen Unternehmen. Denn eines zeigt sich im digitalen Wettlauf der Nationen: es geht nicht weiter mit den alten Kulturen – und seien es Leitkulturen. Die Innovationen der Zukunft und damit die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen aus einer Kultur, in der Wagnis kein Risiko ist, sondern eine Chance. Und sie entstehen in einer Kultur, in der Scheitern keine Schande, sondern der Ansporn zum Neustart ist.

Wenn es den Clustern gelingt, diese neue Leitkultur zu etablieren, dann entwickeln sie auch die Hub-Kraft, die die Wirtschaft auf dem Weg in die Digitalisierung benötigt. At the Hub (oder eigentlich: at the Hop) ist dann der Sound des digitalen Jahrtausends.