Das mittelständische Mehr

Der Mainzer Finanzbürgermeister Günter Beck sprach von einem Paradigmenwechsel. Bislang habe er immer nur geschaut, wo er am günstigsten Kredite aufnehmen könne, doch jetzt weist der Haushalt einen Überschuss von mehr als einer Milliarde Euro auf. Gemeint ist das „Wunder von Mainz“, das in Gestalt der Gewerbesteuer des Impfstoff-Entwicklers BioNTech über die Stadt kam. Die Rekordgewinne des Unternehmens mit Hauptsitz „An der Goldgrube 12“ in Mainz bescherten auch dem rheinland-pfälzischen Idar-Obarstein und dem hessischen Marburg dreistellige Millioneneinnahmen aus der Gewerbesteuer, die auch in den kommenden Jahren sprudeln dürften.

Bis zum Jahresende soll Mainz schuldenfrei sein und die Liquiditätskredite in Höhe von 634 Millionen Euro abgebaut haben. Die Stadt wird zugleich vom Nehmer zum Geber: Bis 2024 werden voraussichtlich 186 Millionen Euro in den Landesfinanzausgleich fließen, wodurch auch Rheinland-Pfalz zum Geberland werden dürfte. Mainz hat inzwischen den Hebesatz um 30 Prozent gesenkt, was die Attraktivität des Standorts vor allem im Vergleich zu den Nachbarn Wiesbaden und Frankfurt deutlich steigert. Und um den Anfangsschwung aus der Biotechnologie zu verstetigen sollen in einer freiwerdenden Bundeswehrkaserne an der Goldgrube ein Biotechnologie-Campus und am Europaplatz im Schatten des Fußballstadions ein BioTechHub entstehen, der Hunderten von Spezialisten attraktive Arbeitsbedingungen liefern soll.

Frappierender könnte sich der Zusammenhang zwischen Investition, Innovation und Wohlstand kaum aufzeigen lassen. Zwar macht ein erfolgreiches Biotech-Unternehmen noch keinen Boom-Sommer, doch wenn es in Deutschland gelingt, das Innovationspotential der gut ausgebildeten Menschen, mehr unternehmerische Risikobereitschaft und Fördermaßnahmen für Hochtechnologie zusammenzuführen, dann könnte ein neues Wirtschaftswunder entstehen. Es wäre fatal, nur auf ausländische Großkonzerne zu setzen, die mit Milliardensubventionen angelockt werden. Das wahre Wachstums- und Innovationspotential liegt vielmehr – wie das Beispiel BioNTech beweist – im deutschen Mittelstand.

Es muss gelingen, dieses mittelständische Mehr aus Unternehmertum, Bindung zum regionalen Standort, gesellschaftlicher Verantwortung, Innovationsbereitschaft und Umweltbewusstsein freizusetzen. Das ist zwar auch eine Frage der Besteuerung – beispielsweise bei der Neugestaltung der Erbschaftssteuer, unter der vor allem Familienunternehmen beim Generationswechsel leiden. Und auch die Frage der Innovationsförderung ist nicht allein seligmachend. Es ist vor allem notwendig, dass der Mittelstand selbst aus seinem Dornröschenschlummer aufwacht und beispielsweise die digitale Transformation nicht nur technisch sieht, sondern auch als Mittel, völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die sowohl skalierbar, als auch globalisierbar sind. Es geht darum, zumindest die Möglichkeiten des europäischen Binnenmarkts voll auszuschöpfen und auf dem Weltmarkt mit Konkurrenten aus den USA und China zu konkurrieren.

Es ist ja nicht so, als würden die sogenannten Hidden Champions, von denen es in Deutschland je nach Schätzung zwischen 1200 und 2000 gibt, nicht beispielhaft in ihre Zukunftsfähigkeit investieren und ihre Marktführerschaft auf dem Weltmarkt verteidigen. Doch gerade Energiewende, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, die Erneuerung unserer Infrastruktur und die neuen Arbeitsmodelle mit Home Office und Team-Playing bieten derzeit die Möglichkeiten für eine Innovationsoffensive, die Deutschland wieder in die Führungsriege der innovativen Nationen transportiert und transformiert.

Nicht alle werden „an der Goldgrube“ sitzen. Aber die viel gelobten Hidden Champions stellen nun mal weniger als ein Promille der mittelständischen Unternehmen hierzulande dar. Es könnten doppelt so viele sein. Hier müssen wir uns breiter aufstellen, mehr Risiken wagen, mehr Mut zur Disruption entwickeln. Das alte Narrativ vom zögerlichen Mittelstand muss durch eine neue Erzählung ersetzt werden, wenn wir Deutschland attraktiver machen wollen. Das mittelständische Mehr ist grenzenlos, wenn das gelingt.

PS: Wir befinden uns in einer Zeit der 180-Grad-Wende, wie Bundeskanzler Olaf Scholz es in seiner Rede zur Lage der Nation erklärte. Wir werden viel Innovationskraft und Unternehmertum brauchen, um die Energiewende zügiger zu vollziehen und fossile Energie aus Moskau bedeutungslos zu machen. Wenn ein Sonderfonds aus 100 Milliarden Euro für die Erneuerung der Bundeswehr bereitgestellt werden kann, dann können wir auch die „Bazooka“ für Innovationen im Mittelstand herausholen. Das Gute daran: Es gibt viel zu tun!

Azure ist das neue Windows

Es mag wie Science Fiction klingen. Aber die Vorstellung, dass sich die Teamarbeit im Büro mehr und mehr am gemeinsamen Vorgehen von Rollencharakteren in Computerspielen orientiert, bekommt immer mehr Realität – wenn auch vorerst nur virtuelle Realität. Denn grundsätzlich gibt es keinen Unterschied zwischen einem Team, das gemeinsam – sagen wir – ein Entwicklungsprojekt planen und erfolgreich durchführen soll, und einer „Gilde“ von Spielern, die sich zusammenfinden, um unterschiedliche Talente, Eigenschaften und Stärken miteinander zu verbinden und dadurch Aufgaben zu bewältigen, die ein Einzelner nicht lösen könnte. Diese MMORPGs – also die Massively Multiplayer Online Role-Playing Games – unterscheiden sich also in ihrer Zielsetzung gar nicht mal so sehr von einer Collaborativen Software wie Microsoft Teams oder Zoom. Arbeiten und Spielen werden anscheinend in einer hybriden Welt die treibenden Elemente einer ausgewogenen Work/Life-Balance.

Das erklärt, warum Microsoft immer stärker in die Spieleentwicklung investiert und zugleich auch die Teamfähigkeiten seiner Productivity-Lösungen wie Office, Teams oder Viva ausbaut. Der eigentliche Battleground ist dabei gar nicht mal so sehr das Tablet, der PC oder die Konsole – also die Frage, ob Playstation oder Xbox im Wohnzimmer stehen, sondern vielmehr die Leistungsfähigkeit der Cloud im Hintergrund, die diese Teams im Spiel und im Büro unterstützt. Deshalb entwickelt sich Azure, die Cloud-Plattform von Microsoft, zum neuen Windows, ohne die im Büro und in der Spielewelt bald nichts mehr geht. Und auch die Entwicklungsumgebungen wandern sukzessive auf die Azure-Plattform ab, wo Cloud-Services und Werkzeuge für die Programmierung großer Spielewelten ebenso zur Verfügung stehen wie für Anwendungen im Internet der Dinge, die für das wirkliche Leben in der Realwirtschaft gebraucht werden.

Deshalb entscheiden sich nicht nur Unternehmen wie Bayer oder ZF für Microsoft Azure als Basis für ihre modernisierten Geschäftsmodelle, sondern auch Wettbewerber. Denn vordergründig wetteifern die japanischen Spiele-Ikonen Sega und Sony mit Microsofts Xbox-Angeboten. Doch schon 2019 hat Sony in einer strategischen Partnerschaft angekündigt, künftig seine Streaming-Angebote für die PlayStation aus Azure-Rechenzentren bereitzustellen. Und jetzt hat Sega einen Fünf-Jahres-Plan präsentiert, nach dem auf der Basis der Entwicklungsplattform Azure zunächst ein „FPS-Ballerspiel“ entstehen soll, dem mittelfristig ein global verfügbares „Superspiel“ folgen wird. FPS steht für „First-Person Shooter“, also einem Spiel, das aus der Perspektive des Spielecharakters gesehen wird. In Deutschland wird eher der Begriff „Ego Shooter“ verwendet – vielleicht auch, weil dieser Typ ebenfalls aus dem Büroalltag sattsam bekannt ist.

Da nimmt es nicht Wunder, dass weltweit immer mehr Azure-Spezialisten auch außerhalb der Microsoft-Welt gesucht werden – so wie lange Zeit R/3- und ABAP-Experten bei der Implementierung und Betreuung von SAP-Lösungen händeringend gesucht wurden. Neben den Anwenderunternehmen waren es vor allem SAP-Partnerfirmen, die unter diesem Facharbeitermangel litten.

Nun scheint sich dieses Phänomen zu wiederholen – wenngleich auch auf deutlich breiterer Front. Denn neben den klassischen Unternehmenslösungen, die vom Eigenbetrieb in die Cloud migrieren, entwickeln die Firmen neue Geschäftsmodelle im Sinne der Plattform-Ökonomie jenseits der klassischen ERP-Welt. Für IBM war das offensichtlich Anlass genug, nach zahllosen Akquisitionen in der Vergangenheit jetzt noch einmal tief in die Tasche zu greifen, um mit Neudesic einen der führenden Microsoft-Partner vom Markt wegzukaufen. Ziel der Übernahme ist es für IBM, mehr Azure-Kompetenz ins Haus zu holen, weil gerade in hybriden Cloud-Umgebungen Microsoft immer häufiger einer der Player ist, mit dem gerechnet werden muss. Für IBM ist das inzwischen ein signifikanter Umsatzgarant im Beratungsgeschäft rund um die digitale Transformation. Das gilt aus IBM-Sicht ebenso für Azure als auch für Amazon Web Services  – letztere sind schließlich immer noch Marktführer im Cloud-Business. Aber die Breite, mit der Microsoft die Azure-Cloud in praktisch jedes Anwendungsfeld vom Wohnzimmer übers Büro bis in die Fabrik drückt, erinnert an den Markterfolg von Windows. Für Microsoft scheint die Cloud-Plattform längst strategisch wichtiger zu sein als die PC-Plattform Windows.

Chip, Chip, Hurra?

Die Automobilindustrie richtet sich offensichtlich auf eine längere Verknappung der dringend benötigten Halbleiter ein, mit denen die smarten Assistenzsysteme, Sensoren und Elektromotoren gesteuert werden. Anbieter wie beispielsweise Audi, BMW oder Mercedes kappen in der Konsequenz ihre Modellpalette am unteren Ende, während zugleich die teureren Top-Modelle ausgebaut werden. Der Grund: Während der Chip-Set an beiden Enden der Modellreihe vergleichsweise gleich ist, wird rund um die Halbleiter-Technik im oberen Produktsegment deutlich mehr Blech, Komfort und Luxus verbaut. Oder anders ausgedrückt: die Marge pro Halbleiter-Bausatz ist bei den Luxusmodellen einfach größer.

Zwar sind auch die Kosten für die Rohstoffe, aus denen Karosserien und Motoren gebaut werden, gestiegen, doch während bei den kleineren Modellen damit kaum noch wirtschaftlich produziert werden kann, wird bei den Top-Modellen kräftig verdient – bei weniger ausgelieferten Fahrzeugen. Dabei produzierten die Autobauer auch vor Corona und der durch die Pandemie ausgelösten Lieferkettenprobleme schon weniger Fahrzeuge als die Nachfrage eigentlich hergab. Doch die Chipkrise verschärft den Trend. Volkswagen musste wegen fehlender Chip-Vorräte sogar zwischenzeitlich Kurzarbeit anmelden.

So wie die Autobauer gibt es kaum eine Industriebranche, die nicht direkt oder indirekt von der Halbleiter-Knappheit betroffen ist. Je weiter die Digitalisierung fortschreitet, desto höher ist der Anteil der Chips an der Wertschöpfung. Dabei ist ein Ende der Chip-Krise keineswegs abzusehen. Das hat die Europäische Kommission aufgeschreckt und aufgeweckt. Mit einem Maßnahmenpaket von insgesamt 43 Milliarden Euro will sie die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von den Chip-Küchen in Fernost verringern.

Das Ziel des jetzt vorgestellten EU- Chip Acts ist es, den Weltmarktanteil europäischer Chipproduktion auf 20 Prozent zu erhöhen. Das wäre durchaus eine enorme Steigerung, zumal sich die Nachfrage nach Halbleitern und ihre Leistungsfähigkeit weiterhin regelmäßig verdoppeln. Aber zum Vergleich: Noch in den neunziger Jahren lag Europas Anteil am weltweiten Chipmarkt bei 44 Prozent. Dann folgte – wie in vielen anderen Hightech-Branchen – ein verhängnisvoller Dornröschenschlaf. Derzeit steht zu befürchten, dass nicht aufgeholt wird, sondern weiterhin Terrain verlorengeht. Der nächste Kandidat für die Hightech-Sklerose: die Automobilindustrie.

Doch wenn sich auch die Abhängigkeit von Chipproduzenten wie TSMC, Global Wafers oder Intel durch die europäische Initiative wohl kaum verringern lässt, die Abhängigkeit von den vulnerablen Lieferwegen soll in jedem Fall abnehmen. Deshalb bietet die EU Fördermittel in Milliardenhöhe für diese drei Hersteller, wenn sie die nächsten Fabriken auf dem Alten Kontinent errichten. Und die EU-Mitgliedsstaaten überbieten sich in weiteren Vergünstigungen, um die Standortentscheidung zu eigenen Gunsten zu beeinflussen.

Ganz unverhohlen treibt derzeit Intel-Chef Pat Geisinger Höchstgebote für Subventionen aus Europa ein. Sein Argument: Der Aufbau einer Halbleiter-Fabrikationsstätte in Europa koste rund 30 bis 40 Prozent mehr als in Asien. Das ist kaum von der Hand zu weisen. Ebenso schwer wiegen dürfte die Tatsache, dass Genehmigungsverfahren hierzulande deutlich langwieriger und in ihrem Ergebnis ungewisser sind als in Fernost. Geisingers Vorstoß ist also durchaus aussichtsreich – auch wenn sich Milliardeninvestitionen in eine ohnehin hochprofitable Branche nur schwer rechtfertigen lassen. Aber in Nordamerika baut Intel bereits neue Chip-Fabriken mit starker staatlicher Finanzunterstützung. In Ohio plant Intel zwei Fabriken für 20 Milliarden Dollar. Das Projekt könnte noch auf 100 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Bis zu acht Intel-Fabriken könnten dort entstehen. Gefördert wird das Ganze auch aus dem vor wenigen Wochen vorgestellten „Chips for America Act“ mit Investitionen von 52 Milliarden Dollar bis 2026.

Und in Asien? China steckt über eine Billion Dollar in Förderprogramme für Technologien wie die Halbleiterindustrie. Auch Südkorea bietet bis 2030 den Chipbauern steuerliche Anreize von 450 Milliarden Dollar. Dabei sollte man das Schicksal der Solarbranche im Auge behalten: deren Produktion steckt trotz europäischer und vor allem deutscher Subventionen inzwischen auch im fernen Osten fest. Doch ohne eine eigene Halbleiter-Industrie würden auch andere Branchen abwandern – zumal China schon jetzt der größte Absatzmarkt der Autobauer ist. Für ein vollmundiges „Chip, Chip, Hurra“ werden die Europäer also noch heftig aufstocken müssen.

Europäisches Konjunkturprogramm im „Infozän“

Die Telefone sollen nicht stillgestanden haben bei den Anbietern einer „souveränen“ Cloud, also bei der SAP und beim Bertelsmann-Dienstleister Arvato. Beide hatten Ende der letzten Woche endlich eine Lösung für das seit langem schwelende Cloud-Problem der öffentlichen Hand gefunden und angekündigt. Danach wollen Arvato und SAP eine gemeinsame Tochter gründen, die den Besitz und den Betrieb einer „souveränen“ Cloud übernehmen soll. Dies soll es Behörden und Ämtern in Bund, Land und Kommunen erlauben, auch sicherheitsrelevante Daten und personenbezogene Informationen in der Cloud zu speichern, ohne dass Dritte sich einen Zugriff auf diesen Datenschatz erstreiten oder erschleichen könnten.

Technisch umgesetzt werden soll das Ganze auf der Azure-Plattform von Microsoft und mit dem Softwarepaket Microsoft 365, das neben Windows und der Office-Suite auch die Collaboration Software Teams sowie Datenbanken und wichtige Security-Features umfasst. Zusätzliche Cloud-Services wie zum Beispiel KI-gestützte Übersetzungstools oder Analysewerkzeuge könnten dann jederzeit ebenfalls hinzugebucht werden. Doch Microsoft wird nur als Lieferant aktiv, ohne eigene Rechenzentren zur Verfügung zu stellen. Besitz und Betrieb wird dann ausschließlich in der SAP/Arvato-Tochter liegen. Das ist die Grundvoraussetzung für die geforderte Souveränität.

Die ist auch nötig, seit dem unsäglichen US Cloud-Act, der es US-Behörden im Verdachtsfall erlaubt, die Herausgabe von personenbezogenen Daten auch dann von US-Anbietern zu fordern, wenn sie nominell gar nicht im Besitz der Daten sind, weil sie prinzipiell ja ihren Kunden gehören, und sich das Rechenzentrum außerhalb des US-Territoriums befindet, also zum Beispiel in Deutschland. Angerufen durch den österreichischen Daten-Aktivisten Schremp hat der Europäische Gerichtshof in zwei Urteilen die Unvereinbarkeit des US Cloud Acts mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung erklärt und damit die USA nicht mehr als „sicheren Datenhafen“ eingestuft. Spätestens seitdem grassiert das Dilemma.

Microsoft hatte schon zuvor mit einer Cloud, die in die Treuhänderschaft der Deutschen Telekom gegeben wurde, versucht, dieses rechtliche Problem zu umgeben. Das Cloud-Angebot fand aber – wohl aus Gründen der hohen Kosten und der geringen Flexibilität – nur wenig Anklang bei deutschen Kunden. Und die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes hatten nach und nach ohnehin erklärt, dass Microsoft oder andere US-amerikanische Cloud-Anbieter für Dienste an der öffentlichen Hand nicht in Frage kommen dürften.

Das ist nun anders. Denn das Bundesamt für Datensicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat jetzt dem von SAP, Arvato und Microsoft gefundenen Konstrukt grundsätzlich zugestimmt. Das dürfte Signalwirkung nicht nur für die Behörden haben, sondern auch für mittelständische Anwender hierzulande, die um den Schutz ihrer Daten vor US-amerikanischem Zugriff bangten. Kein Wunder also, dass unmittelbar nach der Ankündigung die Telefone heiß liefen.

„SAP und Arvato Systems haben heute Pläne bekanntgegeben, in eine souveräne Cloud-Plattform für die deutsche Verwaltung zu investieren. Das ist ein wichtiger Meilenstein, der die digitale Transformation in Deutschland auf Basis von Cloud-Technologien beschleunigen kann.“ So kommentierte Microsofts Deutschland-Chefin Marianne Janik die jetzt gefundene Lösung. Allerdings dürfte Microsoft an dem jetzt gefundenen „Modus vivendi“ gar nicht so unbeteiligt gewesen sein, wie es jetzt den Anschein haben soll. Denn schon im Juni vergangenen Jahres entstand eine vergleichbare Lösung in Frankreich. Dort haben Capgemini und Orange die „souveräne“ Cloud übernommen. Und auch dort ist Microsoft der Lösungs-Lieferant.

Schon erklärten Google und Amazon Web Services, in Frankreich ein ähnliches Konstrukt schaffen zu wollen. Damit könnte ein echtes Konjunkturprogramm für Europa entstehen. Denn das Signal aus Frankreich und Deutschland könnte auch in anderen EU-Ländern, die mit der Unvereinbarkeit von DSGVO und Cloud Act leben müssen, gehört werden. Damit könnte sich die „souveräne“ Cloud vervielfachen und zugleich ein gesunder Wettbewerb entstehen, der nicht nur über den Preis, sondern auch über den Grad der Souveränität entschieden wird.

Das könnte zugleich auch den zögerlichen deutschen Mittelsand dazu veranlassen, die eigene Informationstechnik vermehrt in die Cloud zu verlagern. Und der Innovationsstau der öffentlichen Hand würde sich – so die Hoffnung – auflösen. Denn die Ampel-Koalition hat sich eine regelrechte Digitalisierungsoffensive für die öffentliche Hand auf die Fahnen geschrieben. Aber eigentlich hätte das Ganze mit gemeinfreien Lösungen aus der Open Source Community entstehen sollen. Doch inzwischen hat sich wohl die Erkenntnis breit gemacht, dass auf diese Weise zwar individuelle Lösungen entstünden, der Prozess aber Jahre dauern würde. Die Open Source Community sieht sich denn auch als klaren Verlierer der jetzt getroffenen Lösung. Gewinner aber könnten die Europäer sein, die durch das Konstrukt, das in allen EU-Ländern kopiert werden dürfte, nicht nur eine „eigene“ Cloud zur Verfügung hätten, sondern endlich auch eine Plattform für Gaia-X, die als Daten-Cloud die europäischen Unternehmen ins Erdzeitalter des „Infozäns“ befördern soll.