Im Tal der Tränen

Nicht alle Tropfen, die aus einer Wolke kommen, sind zwangsläufig Regentropfen. Auch Tränen sind dabei – wie SAP jetzt noch einmal bestätigte. Während die Geschäftszahlen des Walldorfer Softwareriesen insgesamt optimistisch klingen und der Konzern im Wettlauf mit den globalen Wettbewerbern derzeit durchaus punktet, steht die Cloud-Strategie nicht erst seit Hasso Plattners viel beachtetem Video in ständiger Kritik.

Kein Wunder. Schon seit sich SAP 2007 mit der vorschnellen und vorlauten Ankündigung, in kürzester Zeit mit der neuen Cloud-Software Business by Design bis zu 100.000 Kunden anlocken zu wollen, lächerlich gemacht hatte, steht das Walldorfer SaaS-Angebot kontinuierlich am Pranger. Die Mutmaßungen über den Entwicklungsaufwand, der zur Entwicklung dieser Anwendungssuite betrieben werden musste und muss, streben in die Sterne. Nach anfänglichen Schätzungen von mehreren hundert Millionen Euro, die das neueste Softwareangebot verschlungen haben soll, gehen die Zahlenwetten jetzt bereits in die Milliarden.

Wie viel auch immer – ob und wann SAP das Geld zurücksehen wird, scheint selbst unter den optimistischsten Marketiers keine große Wettleidenschaften mehr zu entfachen. Jetzt gab SAP öffentlich zu, dass der Gewinn aus dem Unterfangen ungewiss sei. Ja, ob man mit Cloud-Angeboten überhaupt Geld verdienen könne, wird plötzlich in Frage gestellt.

Dabei beruht die Erkenntnis, dass Cloud-Betreiber und solche, die in Cloud-Anwendungen investieren, durch ein mindestens dreijähriges Tal der Tränen gehen, auf einfachen betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Überlegungen. Denn mit dem alternativen Infrastrukturangebot durch die Cloud geht ja in der Regel die Aufgabe des alten Softwarelizenz-Paradigmas einher. Das auf Softwarekauf basierende Geschäftsmodell wird durch die Nutzungsgebühr oder Miete ersetzt. Damit prolongiert sich die Amortisation. In der überwiegenden Zahl der Kalkulationen werden die entgangenen Lizenzeinnahmen auf drei Jahre Nutzungseinnahmen umgerubelt. Jede Excel-Grafik zeichnet bei diesem Modell ein Tal der Tränen, das erst den Bergrücken des Erfolgs aufzeigt, wenn die kumulierte Miete das projizierte Lizenzvolumen übersteigt.

Im Übrigen hat schon immer gegolten: Wer Gewinn machen will, muss jemanden finden, der (zumindest kurzfristig) bereit ist, Verlust zu machen. Die Cloud wäre die erste Neuerung, bei der von Anfang an alle Gewinn machen könnten.

Entscheidend aber ist, so zeigte sich letzte Woche auf dem Cloud-Kongress des Berliner „Tagesspiegel“, dass die Cloud tatsächlich zu einer Infrastruktur heranwächst, auf der jeder Gewinn machen kann, der mit der richtigen Idee und dem richtigen Vermarktungsmodell an den Start geht. Es müssen ja nicht immer Milliardenbeträge sein. Gerade der Mittelstand hat es schon immer verstanden, eine ubiquitäre Infrastruktur zu nutzen, um seine eigene Prosperität zu fördern. Es ist damit zu rechnen, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmer in den kommenden Jahren noch so manche Freudentränen vergießen.

Vielleicht ruft ja schon morgen Mark Zuckerberg an…

Haste mal ´ne Milliarde, Mark?

Irgendwie fühlt es sich ja an wie „die Rückkehr der Internet-Blase“ – ein Action-Film von der Wall Street. Dabei schienen die Zeiten, in denen Unternehmenskäufer und –verkäufer jegliches Maß verloren hatten, vorbei, vergessen, verarbeitet. Jetzt, mit Blick auf einen Börsengang der Superlative, der mehrere Milliarden Dollar ins Financebook von Facebook spülen wird, gehen die Preise ins Absurde, Obszöne.

Es ist vielleicht noch nicht einmal der Kaufpreis für den Fotodienst Instagram selbst, der den Zynismus der Social Mediatoren offenbart – der freilich ist schon übersteigert genug, wenn man bedenkt, dass eine Handvoll Entwickler das gesamte Human Capital darstellt und 30 Millionen App-User praktisch keinen Umsatz generieren.

Denn erst allmählich werden die Umstände bekannt, unter denen der Deal über die Bühne ging. Innerhalb von zwei Tagen, so hat das Wall Street Journal herausgefunden, habe Mark Zuckerberg dem Instagram-Mitbegründer Kevin Systrom eine Milliarde Dollar abgeschwatzt. Denn Systrom, der Anfang April auf den Schwingen von einer Million neuer Android-Nutzer die Facebook-Welt gegen die Google-Globus auszuspielen begann, träumte offensichtlich eher von zwei Milliarden Dollar für sein App-enteuer.

Dann aber wurde gewürfelt: Wenn Facebooks Börsenwert 100 Milliarden Dollar betrage, dann sei Instagram eben ein Prozent davon wert. Warum nicht zwei Prozent, also 50 zu 1? Warum nicht 28 zu 1 – das wäre das Verhältnis der Userzahlen beider Internetdienste?

Und warum dann nicht auch eine Milliarde für den Coupon-Anbieter Tagtile? Der vor einem Jahr von ehemaligen Google-Anbietern gegründete Rabatt-Dienst wurde im Nachgang zum Instagram-Deal gleich mit vom Markt gefegt. Es besteht wohl wenig Aussicht, dass die Tagtile-Software bei Facebook zum Einsatz kommt. Wichtiger ist Mark Zuckerberg offensichtlich der Zugriff auf menschliches Knowhow. Auch die Übernahme des Geotagging-Spezialisten Gowalla Ende letzten Jahres zielte weniger auf die Apps und Applications, als vielmehr auf die Entwickler.

Damit leistet sich Mark Zuckerberg eines der teuersten Recruiting-Programme, das nur noch vom Formel-1-Zirkus und den Europäischen Fußball-Ligen übertroffen wird. Längst zählen im Silicon Valley nicht mehr die Jahresgehälter, sondern die Boni und Aktien-Optionen. Nicht der Dienstwagen ist das Statussymbol, sondern die gewährten unternehmerischen Freiräume. Längst gilt: Geist ist geil.

Der Wettlauf um das Human Capital ist der wahre Grund, warum sich der Arbeitsmarkt um Soziale Medien aufheizt. Wenn Mark Zuckerberg voraussichtlich am 17. Mai zum ersten Mal am NASDAQ die Facebook-Aktie notieren lässt, wird die Personalkasse bei Facebook um weitere fünf bis zehn Milliarden Dollar für Firmen- und Mitarbeiter-Übernahmen gefüllt sein.

Dann kennen wir auch den wahren Kaufpreis für Instagram. Während im Systrom-Deal 30 Prozent der Übernahme-Summe tatsächlich in bar gezahlt werden, sollen die verbleibenden 70 Prozent in Aktienpaketen zum Stückpreis von 30 Dollar vergütet werden. Damit hätte Zuckerberg seine Company auf 75 Milliarden Dollar Marktwert taxiert. Im außerbörslichen Handel werden für Facebook-Anteile aber derzeit eher 40 Dollar geboten. Das wäre dann ein sattes Plus für Instagram.

Die Blase beginnt sich zu überdehnen. Wer wird das erste Opfer? Die Aktionäre!

Unser Mann für China

89 Millionen PCs wurden  im ersten Quartal weltweit verkauft. Sie – oder zumindest der weitaus größte Teil – sind noch immer Microsofts Basis für das Windows-Geschäft mit Thick Clients. Und drei der fünf wichtigsten PC-Hersteller – Lenovo, Acer und Asus – haben ihren Sitz in „Groß-China“, also in der Volksrepublik oder in Taiwan. Kein Wunder, dass Microsoft jetzt einen ihrer besten Manager in diese Region entsendet: Ralph Haupter, bis soeben Geschäftsführer der Microsoft Deutschland.

Nachdem Steve Ballmer und Ralph Haupter der Personalie zugestimmt haben, steht nur noch die Akkreditierung bei der chinesische Staatsführung an – eine Einmaligkeit im weltweiten Wirtschaftsgeschehen.

Nach drei Jahren an der Spitze der drittgrößten Microsoft-Landesgesellschaft verlässt Haupter nicht leichten Herzens, aber mit erhobenem Haupt eine bestens bestellte Company, um im wohl wichtigsten Wachstumsmarkt für Microsoft weiter zu punkten. Sein Vorgänger, Achim Berg, hatte den Staffelstab in Unterschleißheim abgegeben, um als Vice President Verantwortung für das weltweite Mobilgeschäft bei Microsoft zu übernehmen. Windows Phone dürfte der andere große Wachstumsmarkt für die Gates-Company sein – allerdings von einer deutlich schwächeren Position aus.

Dennoch müssen die beiden deutschen Vice Presidenten, Berg und Haupter, Hand in Hand arbeiten, um in China den Markterfolg fortzusetzen, der bislang ihre Karrieren begleitet hat. Denn der riesige chinesische Markt wird  vor allem über mobile Geräte als über die heute noch gut verkäuflichen Desktops erobert. Beide werden synchron die Markteinführung von Windows 8 und Windows Phone 8 im Reich der Mitte organisieren.

Tatsächlich sehen Marktforscher in Windows 8 die einmalige Chance aus Sicht von Microsoft, in den IT-Unternehmen auch mit Tablets zu reüssieren. Immerhin 118,9 Millionen verkaufte Tablet-PCs hat die Gartner Group im vergangenen Jahr gezählt. Die Marktbeobachter sagen für Windows-Tablets einen Marktanteil von immerhin knapp fünf Prozent in den kommenden Jahren voraus. Nicht unwesentlich dürfte dabei sein, wie erfolgreich der Absatz der „Flachmänner“ in China verläuft.

Denn während sich weltweit der Wechsel vom Desktop zum mobilen Gerät vollzieht, bewegen sich die Marktanteile der Hersteller in größeren Verwerfungen. Apples Marktführerschaft bei Tablets bleibt wohl mindestens die nächste halbe Dekade erhalten, sagt Gartner. Derzeit ist jeder sechste verkaufte Personal Computer ein Tablet. Stationäre PCs stehen nur noch für gut ein Viertel aller verkauften Rechenkerle, während 50 Prozent der verkauften Ware auf Notebooks entfallen, die in Unternehmen in zunehmendem Maße die klassischen Desktops ersetzen. Die verbleibenden sieben Prozent gehen auf das Konto der Netbooks, die sich aber als Modeerscheinung ohne lange Dauer entpuppen.

Das ist das Marktumfeld, in dem die beiden deutschen Vizepräsidenten bei Microsoft jetzt erfolgreich sein müssen. Chinas gigantische Nachfrage wird Ralph Haupter sicher in Atem halten. Dass das Land nicht nur marketingtechnisch, sondern auch sprachlich, kulturell und nicht zuletzt kulinarisch eine Herausforderung ist, wird für Ralph Haupter die Entscheidung nicht gerade erleichtert haben. Da erfuhr Achim Berg mit seiner Berufung an den Hauptsitz in Redmond doch einen deutlich geringeren Kulturschock.

Augen auf beim Cloud-Einkauf!

Anruf bei der Cloud-Hotline: „Der OnDemand-Service funktioniert nicht!“ – „Haben Sie sich denn angemeldet?“ – „Ja!“ – „Dann melden Sie sich mal ab.“ – „Prima, jetzt funktioniert`s.“

Die European Network and Information Security Agency (ENISA) hat sich ein hehres Ziel auf die Fahne geschrieben. Sie will für mehr Knowhow beim Umgang mit der Cloud kämpfen. Insbesondere der Einkauf von OnDemand-Services bedarf völlig neuer Anforderungsszenarien und damit auch Fragestellungen zur Bewertung der einzukaufenden Dienstleistung. Nicht jedes Service Level Agreement passe auf jede Anforderung, warnen die ENISA-Experten, ein illustres Gremium aus weltweit renommierten IT-Spezialisten. Mit dem Guide „Procure Secure“ geben sie Einkäufern jetzt einen Ratgeber zu Cloud-Einkauf an die Hand.

Das Schöne daran. Das theoretische Werk wird angereichert durch eine Vielzahl von praktischen Fallbeispielen. Deshalb ist der eigentlich auf die Öffentlichen Auftraggeber ausgerichtete Einkaufsratgeber auch für den europäischen Mittelstand interessant.

Die großen Acht des Einkaufsführers durch die Cloud umfassen dabei heute eher noch selten berücksichtigte Überlegungen. Dabei wird insbesondere empfohlen, mit dem Cloud-Provider Vereinbarungen zu treffen, diese acht Punkte auch durch Kennzahlen zu überwachen:

  • Service Availability: Systemverfügbarkeit kann unterschiedlich ausgelegt werden. Deshalb sollten klare Bedarfsprofile definiert werden, an denen Verfügbarkeit gemessen werden kann.
  • Incident Response: Zu klären ist, was als Störfall gewertet wird und in welcher Zeit auf welche Weise darauf reagiert werden sollte. Auch hier werden individuelle Messgrößen zur Überwachung der Vereinbarung empfohlen.
  • Service Elasticity and Load Tolerance: Die Verfügbarkeit von zusätzlichen Ressourcen für geplante oder ungeplante Bedarfe – also die Elastizität eines Cloud-Services – sollte von Anfang an Vertragsgegenstand sein.
  • Data Lifecycle Management: Zu den Fragen, die überwacht werden sollten, gehören: Wie oft werden Backups gezogen? Wie schnell erfolgt eine Wiederherstellung? Gibt es Tests für den Datenexport? Wie lange sind archivierte >Daten haltbar?
  • Technical Compliance and Vulnerability Management: Viele Cloud-Anbieter werben mit Sicherheits-Features – aber wie sieht die regelmäßige Überprüfung der Gefahrenpotenziale aus? Nicht jeder Anbieter dürfte bereit sein, diese Analysen auch an den Kunden weiter zu geben.
  • Change Management: Oft beschränken sich Vereinbarungen auf die Frequenz und Dauer von Software-Updates. Doch ein Kunde sollte sich auch für Risikoanalysen interessieren, die der Provider vor dem Einspielen von Updates vornimmt.
  • Data Isolation: Ob Infrastructure, Platform oder Software as a Service – die Kapselung der Daten verschiedener Mandanten ist ein Grundprinzip. Aber wie sehen die technischen Verfahren aus, mit denen die Datenisolation bewerkstelligt wird?
  • Log Management and Forensics: Wer mitschreibt, bleibt. Aber werden die Logfiles auch ausgewertet? Gibt es regelmäßige Untersuchungen über Vollständigkeit der Logs und Maßnahmen aus der Fehleranalyse?

Der Einkaufsführer macht eines deutlich: Die Öffentliche Hand in Europa nimmt die Cloud ernst. Es sind die Einsparungsmöglichkeiten die anlocken, während die aufwändigen Administrationsaufgaben in verlässlichen Service Level Agreements festgezurrt werden. So kann der Public-CIO ruhig schlafen.

Fassen wir das angestrebte Ergebnis mal so zusammen: Ein CIO kommt in den Himmel. Auf den Wolken findet er superschnell vernetzte Server mit ungeahnten OnDemand-Angeboten. „Nach einer Zeit in der Hölle dürfen Sie auf alle Dienste zugreifen“, wird ihm versprochen. „Und wie sieht die Hölle aus?“, fragt der CIO. „In der Hölle sind Sie der Administrator.“