231204 Streit 3

An Q* scheiden sich die Geister

Es ist erst ein Jahr her, dass das kalifornische Startup OpenAI mit der Veröffentlichung des KI-gestützten Sprachassistenten ChatGPT einen weltweiten Diskurs über Ethik, Effizienz und Ermächtigung von Künstlicher Intelligenz ausgelöst hat. Und nur wenige Unternehmen waren in diesen zwölf Monaten in der Lage, die Möglichkeiten, die diese Generative AI eröffnet, tatsächlich auch schon auszuschöpfen.

Aber zum Jahrestag von ChatGPT erscheint schon Q* am Horizont. Die neue KI sammelt nicht länger Wahrscheinlichkeiten über den menschlichen Sprachgebrauch und plappert dem Internet-Content wie ein sprachbegabter Papagei sinnvoll, aber ohne Sinn und Verstand nach. Q* aus der Schmiede von Sam Altman ist bereits die nächste Generation an KI-Algorithmen, deren Quantensprung diesmal darin besteht, dass die Schlussfolgerungen aus diesen Algorithmen nicht auf Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnungen basieren, sondern auf Logik.

Der Unterschied wird dadurch deutlich, dass Q* mathematische Aufgaben dadurch lösen kann, dass es logische Überlegungen anstellt – und nicht in der Internet-Kakophonie nach möglichst sinnvollen Antworten nachschlägt. Es kommt damit unserem menschlichen Denken deutlich näher – jedenfalls, wenn wir unseren Verstand gebrauchen und nicht auf ein Bauchgefühl und Erfahrungswerte setzen. Das aber tun wir oft genug. Deshalb sollte ein rein durch Logik getriebener Algorithmus uns fremd und unheimlich vorkommen. Denn er tut das, worauf wir selbst allzu oft verzichten – logisch Denken!

Deshalb entbrannte in der vergangenen Woche ein Richtungsstreit zwischen den eher altruistisch gefärbten Ur-Gründern und Verwaltungsräten der Non-Profit-Gesellschaft namens Open AI und der auf Gewinnmaximierung und Wettbewerbsvorteile ausgelegten Gesellschaft des gleichen Namens, aber mit anderer Rechtsgrundlage. Die Inc. will Gewinn machen, die LLC sucht das „größere Ganze zur Verbreitung des größeren Guten“.

Das ist genau der ethische Zielkonflikt, den wir seit einem Jahr – spät genug, angesichts der über 40 Jahren währenden Entwicklungsgeschichte von Künstlicher Intelligenz – führen. Und genau dieser Zielkonflikt kulminierte in der vergangenen Woche in der Seifenoper, die OpenAI rund um den Rauswurf von CEO Sam Altman, der zwischenzeitlichen Anstellung bei Microsoft und dann der Restitution als CEO bei OpenAI veranstaltet hat. Es geht um die Frage, wie schnell (und wie ungeschützt) lassen wir neue KI-Entwicklungen auf die Menschheit los. – Als wenn schon jemals eine Neuentwicklung hätte zurückgehalten werden können!

Es geht schließlich um Geld – und zwar um sehr viel Geld. Allen voran Microsoft und Google, gefolgt von chinesischen halbstaatlichen Anbietern, wollen den Markt möglichst schnell und zu ihren Gunsten aufteilen. Dazu braucht es Schnelligkeit – und möglichst wenig Regularien. Und das Tempo, das die US-amerikanischen und chinesischen Tech-Giganten in Sachen Künstlicher Intelligenz an den Tag legen, lässt kaum Zeit, die Dinge zu hinterfragen. Wenn man sich überhaupt mit dem Thema auseinandersetzen will.

Laut Hightech-Verband Bitkom haben lediglich 19 Prozent der mittelständischen Unternehmen KI-Systeme bisher in die eigenen Projekte zur Digitalisierung einbezogen. Viel weiter sind da die Kinder der mittelständischen Entscheider, die längst verstanden haben, wie sich ChatGPT und andere Sprachassistenten zur Erledigung der Hausarbeiten nutzen lassen. Nach einer Bitkom-Umfrage hatten schon im Mai 2023 – also ein halbes Jahr nach der Erstveröffentlichung von ChatGPT – lediglich acht Prozent der repräsentativ befragten Schüler und Schülerinnen noch nichts von diesem KI-gestützten Sprachassistenten gehört. Die Unwissenheit ihrer Eltern im mittelständischen Management war da noch weitaus größer.

Wahrscheinlich ist dies das wahre Schisma bei der Markteinführung von Künstlicher Intelligenz. Während die mittelständischen Entscheider noch darum ringen, ChatGPT zu verstehen, werden sie längst von Q* überholt. Dass damit völlig neue Effizienzpotentiale und Wachstumschancen herbeigeführt werden können, wird den Abstand der schnellen Vorreiter vor den lahmen Nachfolgern noch weiter vergrößern.

Oder sollte es doch einen Aufschrei der Autarken geben, die sich eine  Bevormundung durch eine logisch denkende Intelligenz verbitten? An Q* scheiden sich die Geister. Zuerst innerhalb der OpenAI-Organisation, dann innerhalb der Gesellschaft. Das Jahr 2024 verspricht, spannend zu werden.

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