Safari macht mobil

Hoppla, der allgegenwärtige, immerwährende Internet Explorer verliert im Internet an Boden. Die Marktbeobachter von Net Applications ermittelten, dass im Oktober 2011 noch rund 53 Prozent der Browser-Zugriffe auf das Web über den Internet Explorer erfolgten – nahezu alle Aufrufe erfolgten dabei vom Desktop. Gipfelstürmer ist hier Googles Chrome, der mit 17,6 Prozent Anteil stürmisch aufsteigt und nach Ansicht der Webszene schon im nächsten Quartal den ewigen Zweiten, Firefox, abgelöst haben könnte.

Droht dem Browser, der Ende der neunziger Jahre den HTML-Pionier Netscape vom Markt gefegt hatte, jetzt allmählich das gleiche Schicksal? Die Großwild-Safari auf das Windows-Web-Window hat jedenfalls begonnen. Die Gefahr für Microsoft ist groß, jetzt wichtiges Terrain im Kampf um die Dominanz um das Web an seine jungen Rivalen Google und Apple zu verlieren.

Denn wenn man stationäre und mobile Web-Aufrufe zusammenfasst, dann kommen die Analysten von NetMarketShare für den Internet Explorer erstmals auf einen Anteil von weniger als 50 Prozent der Web-Aufrufe. Der Grund liegt in der völligen Bedeutungslosigkeit des Windows-Web-Windows auf Smartphones und Tablets. 62 Prozent der Aufrufe erfolgen hier durch Safari, 18,6 Prozent über den Android Browser. In dem Maße, indem sich das mobile Web auch gegenüber dem Festnetz etabliert, wird diese Schwäche für Microsoft existenzbedrohend.

Wieso eigentlich – mit Browsern kann man eh kein Geld verdienen? Mag stimmen, aber über die Browsereinstellungen werden marktentscheidende Präferenzen getroffen, beispielsweise über die bevorzugte Suchmaschine. Kann Microsoft mit Bing schon vom Desktop aus bei rund vier Prozent Suchanteil kaum zur lange Zeit gewohnten Dominanz kommen, so ist die Lage im mobilen Sektor geradezu hoffnungslos: 1,1 Prozent ermittelten die Marktforscher von NetMarketShare.

Es wird wieder Zeit für ein Tidalwave-Memo, jenes Wachrüttel-Memorandum, mit dem Bill Gates 1996 aus dem Dornröschenschlaf auf Desktop Castle weckte. Gates erkannte das Risiko, die Zugriffssoftware Netscape zu überlassen und zettelte einen Entwicklungs- und Marketingsturmlauf an, der den Browser-Pionier hinwegfegte und Microsoft ein Antitrust-Verfahren einbrachte.

Jetzt ist die Situation ungleich komplizierter, denn mit Apple und Google stehen keine One-Product-Companies im Ring, denen lediglich die Haupteinnahmequelle abgegraben werden müsste. Die Bezahlströme im Internet sind verwirrend wie das Quellgebiet des Amazonas. Ach ja, „marktfremde“ Anbieter wie zum Beispiel Amazon spielen hier auch mit – auch wenn sie weder Betriebssysteme, noch Browser entwickeln.

Microsoft muss sein Arsenal an Zukunftsprodukten – Windows 8, Office 365 und die Cloud-Plattform Azure – auf die Straße bringen, wenn der Rückbau an Marktanteilen gestoppt werden soll. Die Analysten sind des Lobes voll – allein, es fehlt der Nachdruck und vielleicht auch die Nachfrage.

Es hat etwas von einer Zeitenwende. Wie IBM in den frühen neunziger Jahren muss Microsoft mit ansehen, wie schnellere, agilere und sexier Companies den Zeitgeist für sich arbeiten lassen, während sich der Marktführer durch die vom Lifestyle diktierten Minimal-Innovationen das Konzept fürs große Ganze verhageln lässt. IBM war mit seinen klobigen PCs, seinen Mainframes und seiner gestrigen Wortwahl (Discs hießen noch „Däsdies“ – DASD, Dynamic Access Storage Devices) einfach uncool, unangesagt. Heute sind es die Slimline-Laptops, Tablets und Smartphones, die einen Fat Client übel aussehen lassen. Microsoft hat, was es noch nie hatte: ein Imageproblem.