SAPPHIRE: Mehr PaaS, weniger SAP

Es herrscht ein wenig Revolutionsstimmung hier in Orlando, wo sich bereits vor dem offiziellen Start der globalen Kundenveranstaltung die Gerüchte auf die zukünftige Cloud-Strategie des Software-Riesen konzentrieren. Dabei wird der Durchbruch weniger von neuen Produkten erwartet, die die gute alte SAP ankündigen wird. Die Erwartungshaltung richtet sich auf eine neue SAP, selbst wenn sie dann die guten alten Produkte präsentiert…

Es musste nicht erst das Dreigestirn aus Hasso Plattner, Dietmar Hopp und dem Neu-Vorstand Lars Dalgaard im ersten Quartal per Video, Mail oder in Interviews Warnungen formulieren, dass es mit der SAP „as we know her“ im Cloud-Computing so nicht weitergehen könne. Schon die Ankündigung, dass sich SAP nach vier Jahren Angst vor dem Sündenfall des Kannibalismus, nämlich SAP Business by Design auch den eigenen Enterprise-Kunden anzudienen, endlich dazu durchringen konnte, die Cloud-Lösung als Subsystem unter SAP ERP (fka R/3) zu positionieren, sprach Bände.

Es ist schon faszinierend, dass sich SAP zum zweiten Mal innerhalb von 24 Monaten die eigene Strategie von ihren Kunden umschreiben ließ: zunächst bei der Abwehr der erhöhten Wartungsgebühren, dann bei der Hereinnahme von ByD ins Enterprise-Portfolio. Es wäre nicht die schlechteste Idee, wenn SAP sich auch weiter darin üben würde, auf ihre Kunden zu hören – vielleicht beim nächsten Mal schon vor der Verkündung der neuen Strategie.

Zunächst aber hört SAP auf den Marktverstand derer, die durch Aufkäufe ins Management kommen. Dass der SmartFactorist Lars Dalgaard nun die SAPPHIRE nutzen wird, um den Walldorf-Salat aus diversen, wenn nicht sogar divergierenden Cloud-Angeboten neu anzurichten, ist selbstverständlich. Ein Baustein wird dabei der Ausbau hin zu einer vereinheitlichen Cloud-Plattform sein, unter der SAP ihren bisherigen Angebotsmix anbietet. Für eine ByD-Lösung, die als Closed-Shop entweder ganz oder gar nicht eingesetzt wird und äußerst arm an Schnittstellen zu Drittsystemen ist, dürfte da nur nach einer mächtigen Metamorphose Platz sein.

Aber genau dies zeichnet sich ab: Dem Vernehmen nach diskutiert SAP heftig darüber, stärkere Angebote im Bereich Finance und Human Resources zu erbringen – zwei Bausteine, die innerhalb von ByD auch nach Weltklasse-Maßstäben hervorragend gelöst sind. Als schwach wird dagegen von Analysten und Anwendern der Manufacturing-Part angesehen. Nichts läge näher, als das monolithische ByD aufzubrechen und den Finance-Kern als Plattform für eine globale Software-Mall zu positionieren, auf die vertikale Lösungen von Drittanbietern über Standardschnittstellen zugreifen können.

Das klingt erfolgversprechender als der Ansatz, die ByD-Wolke durch „minimal-invasive“ Apps anzureichern, die kaum die funktionalen Schwächen von ByD im Supply Chain Management ausgleichen können. Welches Ghetto-Dasein Apps und Add-ons in der SAP-Vertriebsorganisation fristen, beweisen bereits die Schätzchen, die in der Wookey-Ära für die Large Enterprise-Cloud entwickelt oder akquiriert wurden.

 Also weniger Software-Applications-Programming und dafür mehr Platform as a Service. Das verlangt freilich ein neues Vertriebsverständnis und eine überarbeitete Vorstellung vom Kunden. Die nächste Milliarde wird SAP vielleicht nicht in Akquisitionen oder Anwendungen stecken, sondern in Angestellte.

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