Erfolg wagen

„Ein Auto ist der beste Datenträger, den man sich denken kann“, sagt Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen. Nur, dass diese Datenträger auch Personen befördern können oder Lasten. Und das demnächst sogar selbständig. Dazu braucht es noch mehr Sensoren, die noch mehr Daten liefern, und noch mehr Algorithmen, die daraus die richtigen Aktivitäten ableiten. Bereits heute hat beispielsweise ein VW Golf mehr als 50 Steuergeräte und mehr Rechenleistung als 20 Highend-PCs. Hinzu kommen rund 100 Sensoren, mit denen das Fahrverhalten und der Systemzustand gemessen werden können. Da die Daten auch gespeichert werden, behütet jedes moderne Fahrzeug einen ungeheuren Datenschatz über seine Nutzer und seine Nutzung.

Ein Datenschatz, den die Internetriesen gerne heben würden. Dazu eröffnen sich ihnen zwei Wege: Entweder, sie bauen selbst Autos, wie dies derzeit offensichtlich Google anstrebt, oder sie kooperieren mit den etablierten Automobilbauern – auch da ist Google aktiv. In jedem Fall nähern sich Internetwirtschaft und Automobilbau mit Riesenschritten an. Was dabei herauskommt ist das wahrhaft mobile Internet auf Rädern und das Auto 4.0. Es wird vier neue Disziplinen beherrschen: es kann – zumindest auf der Autobahn – selbständig fahren, einen Parkplatz automatisch ansteuern und einparken, Daten zu Fahrverhalten und Nutzung, zur Sicherheit und zur Navigation sammeln und es wird mit seinen Batterien der Nachtspeicher für die digitalisierte Haustechnik.

Wie einflussreich die Softwareausstattung für den wirtschaftlichen und technischen Erfolg eines Fahrzeugs sein kann, illustriert jetzt der Streit zwischen Volkswagen und der US-amerikanischen Umweltbehörde, die dem Wolfsburger Konzern vorwirft, mit seiner Software getrickst zu haben, um die Umweltwerte in einem besseren Licht dastehen zu lassen. Sollte sich der Vorwurf bewahrheiten, war in knapp einer halben Million Fahrzeugen eine Kontrollsoftware so eingestellt, dass die Autos bei Tests die notwendigen Umweltwerte einhielten, sich aber im laufenden Fahrbetrieb deaktiviert. Die Autos müssen jetzt in die Werkstätten zurückgerufen werden, VW drohen Zahlungen in Milliardenhöhe.

Der Fall illustriert, wie einflussreich Software inzwischen im Automobil geworden ist. Mehr noch aber sind es die Daten, deren Auswertbarkeit die digitale Revolution im Automobilbau befeuern. Neben den bereits fest angestellten rund 11000 Softwerkern hat Volkwagen deshalb ein Data Lab in München gegründet und plant weltweit weitere Zentren. Auch Daimler und BMW investieren heftig in Business Intelligence, um einerseits das vernetzte Auto smarter und andererseits die eigene Produktion noch effektiver, sprich: kostengünstiger, zu machen. So hat VW beispielsweise aus dem eigenen Datenschatz prognostizieren lassen, wie viele und welche Ersatzteile für ausgemusterte Modelle noch bevorratet sein sollten. Zuviel vom falschen Ersatzteil kann Millionen verschlucken.

Diese Labors arbeiten grundverschieden von den Automobil-Hauptquartieren in Wolfsburg, Stuttgart oder München. Deshalb sind die Automobilkonzerne längst zu Inkubatoren für eine Internet-orientierte Startup-Szene geworden. Junge, bestens ausgebildete Informatiker an sich zu binden – wenn auch nicht im eigenen Konzern –, ist ein entscheidender Bestandteil des Wettlaufs um das Automobil der Zukunft. Hier nehmen die Deutschen längst den Wettbewerb mit den US-amerikanischen Internetkonzernen an. Kooperieren ja, aber keine Selbstentleibung bei den wichtigsten Zukunftsthemen.

Der Erfolgswagen der Zukunft ist auf allen Ebenen digital definiert. Bei seiner Entwicklung helfen Supercomputer, bei seiner Produktion wirken die Mechanismen von Industrie 4.0, bei seinen Features nutzt er das Internet der Dinge und als Datenspeicher schafft er die Basis für seine Weiterentwicklung. Dass er auch noch teilautonom fahren lernt, gerät da fast schon zur Nebensache. „In drei Jahren“, so sagt man bei Daimler voraus, fahren die ersten Lastwagen unter menschlicher Beobachtung auf deutschen Autobahnen weitgehend selbständig. Bei allen Ressentiments – auch diesen Erfolg muss man einfach mal wagen.

 

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