SAG niemals nie

IBM hat es schon immer getan, und Microsoft hat es perfekt kopiert. Apple tut es seit einem halben Jahrzehnt, und Google hat noch nie etwas anderes beabsichtigt: Sie alle streben danach, zum Service-Wholesaler zu werden, der von der IT-Planung über die Beschaffung von Hard- und Software bis zum Outsourcing die kompletten Geschäftsvorfälle eines Anwender befriedigen kann. Die drei großen „S“ der Softwareszene – SAP, SAG und Sybase – könnten ein ähnliches Konglomerat schmieden. Die Ankündigung der SAP, Sybase zu übernehmen, und die Einschätzung von SAG-Chef Streibich, seine Software AG würde sich „exzellent“ in das Gefüge einbinden, weckt Visionen nach einem vertikal integrierten Software- und Service-Anbieter mit europäischen Wurzeln.

 John D. Rockefeller verfolgte nach 1870 konsequent die Vision einer vertikal integrierten Company, deren einzelne Geschäftsteile jeden Produktionsschritt von der Förderung des Rohstoffs Erdöl bis zum Verkauf des raffinierten Treibstoffs umfasste. Der mutmaßlich reichste Mann aller Zeiten konnte sogar aus der Zerschlagung seines Konzerns, der 1911 und damit zu jenem Zeitpunkt erfolgte, als das Automobil seinen Siegeszug antrat, noch Gewinn ziehen. Die Beherrschung einer globalen und komplexen Wertschöpfungskette innerhalb eines Unternehmensnetzwerks ist seitdem immer wieder Antriebskraft für Merger & Acquisitions. Das gilt für die Petrochemie genauso wie für die Informationstechnik.

Noch ist alles Gerücht und Geraune – aber tatsächlich ist ein Zusammenschluss der drei Softwareschmieden eine interessante Option: Von der Middleware über Datenbanken, vom Process Engineering bis zur Anwendungssoftware wären alle Infrastrukturfragen eines Anwenders oder Cloud-Kunden in einer Hand. Sybase könnte SAPs ungeschützte Datenbankflanke gegen Oracle absichern und zugleich der In-Memory-Technology bei SAP neue Flügel verleihen. Und SAG würde mit dem eigenen Middleware-Angebot die Netweaver-Basis von SAP deutlich aufwerten und zugleich der starren Geschäftsprozessmanagement neue Flexibilität verleihen. Und als Dreingabe würde schließlich das Aris-Toolset der IDS Scheer, das vor allem im SAP-Umfeld eingesetzt wird, dort akkumuliert, wo es sinnvoll ist – im SAP-Umfeld nämlich. Irgendwie hatte SAP ja wohl den richtigen Zeitpunkt verpasst, sich das sogar in der internen Entwicklung eingesetzte Werkzeug einzuverleiben.

Die Dreiecksgeschichte wurde Anfang Juni virulent, als Karl-Heinz Streibich in einem Interview Gerüchte kommentierte, die ohne seine Kommentare gar nicht aufgekommen wären: Wer sagt, dass der Preis stimmen muss, tritt doch bereits – wenn auch verklausuliert – in die Preisverhandlungen ein. Es geht also gar nicht einmal mehr um das „Ob“, sondern schon nur noch um das „Wieviel“?

Eine Zusammenschluss von SAP und SAG wäre – mehr noch als die Übernahme des Kaliforniers Sybase – ein wichtiges Signal für die deutsche, nein: europäische IT-Industrie: Es entstünde ein Gigant auf Augenhöhe mit den Riesen der Branche. Und damit ein Gravitationszentrum für wichtige europäische IT-Ingenieurskunst: Anwendungssoftware, Prozessmanagement, Middleware – das klingt nach einem aussichtsreichen Forschungs- und Entwicklungsprogramm für Europa.

Alles nur geträumt? Sag niemals nie, SAG.